32. Kapitel - Kobe

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Äußerlich ließ sich Kobe nicht anmerken, dass er Colettes Bemerkung über ihn und Carlotta sehr wohl gehört hatte

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Äußerlich ließ sich Kobe nicht anmerken, dass er Colettes Bemerkung über ihn und Carlotta sehr wohl gehört hatte. Aber innerlich jubilierte seine Seele bei dem Gedanken daran, dass Carlotta eines Tages vielleicht tatsächlich seine Frau werden würde, während sich eine angenehme Wärme in seiner Brust ausbreitete.

Zaghaft tastete seine Hand nach der ihren. Sein Herz zitterte vor Anspannung. So deutlich hatte er ihr noch nie zeigen wollen, wie gern er sie hatte – nämlich weit mehr als ein Bruder eine Schwester je würde gernhaben können. Die Vorstellung von ihr zurückgewiesen zu werden, war ihm unerträglich und bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen. Gerade als er einfach einen Rückzieher machen wollte und sich bereits überlegte, wie er sich möglichst unverfänglich erklären könnte, ohne dass sein Stolz allzu sehr darunter würde leiden müssen, spürte er, wie Carlotta ihrer beider Finger sanft miteinander verwob. Ihr Blick verschmolz mit dem seinen und in ihren Augen sah er ganz ähnliche Gefühle miteinander kämpfen, wie sie vermutlich auch in den seinen zu lesen waren: Unsicherheit, Hoffnung, Angst, Zärtlichkeit und pure, tiefe Zuneigung. Erleichterung durchflutete ihn und schwemmte alle Zweifel mit sich fort. Wie selbstverständlich verschränkte er ihrer beider Hände noch ein wenig fester und schob beide zusammen in seine wärmende Manteltasche.

,,Die Liebe ist schon ein seltsam Ding", dachte Kobe bei sich. Als er Carlotta zum ersten Mal gesehen hatte, war er ihr zwar dankbar gewesen, dass sie Rosalie aus den reißenden Fluten gerettet hatte; gleichzeitig hatte ihn ihre stille Schönheit jedoch irritiert und er empfand sie als Eindringling in sein gewohntes Leben. Kobe wollte nicht, dass das stumme Mädchen ein Teil davon wurde, er war sogar eifersüchtig auf sie gewesen; hatte sie doch allen, die er in sein Herz geschlossen hatte, den Kopf verdreht.

Doch als er sie jetzt endlich neben sich spürte, konnte und wollte er sich einfach nicht vorstellen, dass sie eines Tages wieder von ihm getrennt werden würde. Liebevoll beobachtete er Carlottas Gesichtsausdruck, als sie staunend und fasziniert auf das Laternenmeer vor sich blickte. Hin und wieder tauchten die flackernden Flammen ihr Gesicht in ein warmes Licht.

Voller Bewunderung für das, was sie sah, wandte sie sich ihm zu. Ihr war anzusehen, dass sie ihre Begeisterung ihm gegenüber am liebsten ausgesprochen und mit ihm geteilt hätte. Und das Seltsame war, dass das gar nicht nötig war. Er brauchte nicht auf ihre Lippen zu achten, um das Wort, das sie formten, zu verstehen. ,,Wunderschön", flüsterten sie ihm zu, ihre Augen.

,,Ja, das stimmt. Es ist wirklich wunderschön", antwortete er ihr leise. Vorsichtig löste er ihre Finger aus den seinen, legte ihr seinen Arm um die Schultern und zog sie ein wenig näher an sich heran.

Er hatte nicht vor, es jemals wieder gehenzulassen, das Mädchen mit den sprechenden Augen.

*

Später, als der Umzug vorbei war und Rosalie allmählich drohte im Stehen einzuschlafen, waren sie dann schließlich alle gemeinsam nach Hause gegangen.

Es fiel Kobe an diesem Abend sehr schwer sich von Carlotta zu trennen – und sei es nur für eine Nacht in getrennten Zimmern. Am liebsten hätte er sie einfach gebeten heute neben ihm zu schlafen; auch wenn er glaubte, sie inzwischen gut genug zu kennen, um zu wissen, dass sie dem niemals zustimmen würde.

Die Ermahnung des Wirtes kam ihm wieder in den Sinn. Er hatte Kobe auf dem Nachhauseweg, von den anderen unbemerkt, kurz zur Seite genommen. ,,Junge", hatte er gesagt und ihm kurz kräftig auf die Schulter geklopft, ,,das hast du gut gemacht." Und in seiner unnachahmlichen, kurz angebundenen Art hatte er ernst ergänzt: ,,Aber ich sag dir eins: Versau es nicht! Sie hat es verdient, dass ihr einer die Sterne vom Himmel holt."

Aufrichtig hatte Kobe ihm versichert, dass er nicht vorhatte sie zu verletzen. Jemals. Hannes hatte daraufhin nur unverständlich vor sich hingebrummelt. Das Gespräch war für ihn damit wohl erledigt gewesen.

Für diejenigen, die den Wirt nicht kannten, mochte das vermutlich nicht allzu freundlich, ja, vielleicht sogar nach einer Drohung geklungen haben. Kobe aber verstand es genau so, wie es auch gemeint gewesen war. Hannes hatte ihm damit seinen Segen gegeben, nur eben auf die seine Art.

Ein tiefer innerer Friede erfüllte Kobe, als er sah, wie Carlotta behutsam das Federbett um seine kleine Schwester herum feststeckte und ihr abschließend noch einmal zärtlich übers Haar strich.

Vorsichtig schloss sie die Tür zu Rosalies Zimmer und trat dann leise zu ihm auf den Flur. Etwas unschlüssig stand sie vor ihm, während er nicht anders konnte, als sie einfach nur anzusehen. Zärtlich folgten seine Augen ihrer schlanken, anmutigen Figur, dem dunklen Schwarz ihrer Haare und ihren feinen Gesichtszügen nach oben zu ihren schönen, funkelnden Augen.

,,Gute Nacht", formten ihr Lippen. Zögerlich trat sie einen Schritt von ihm weg.

,,Halt, warte", bat er sie zu bleiben und umfasste eindringlich ihre beiden Hände: ,,Geh noch nicht." Unsicher, was sie zulassen würde, trat er wieder einen Schritt auf sie zu. ,,Carlotta", begann er und brach dann doch sogleich wieder ab. Es war ihm unmöglich seine Gedanken und Gefühle zu ordnen, geschweige denn sie in Worte zu fassen. Frustriert atmete er aus.

Einem inneren Impuls folgend nahm er schließlich zum zweiten Mal an diesem Tag all seinen Mut zusammen, schloss den Abstand zwischen ihnen und zog sie in eine warme Umarmung. Sein Herz schlug kräftig in seiner Brust und weitete sich kaum merklich, als sie sich ohne zu zögern in seine Arme kuschelte und ihr kaum merklich ein leiser Seufzer entwich.

,,Schlaf gut", wisperte er an ihrem Ohr.

Das Mädchen mit den sprechenden AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt