25. Kapitel - Carlotta

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Endlich war der Tag gekommen, auf den schon seit Wochen alles hingefiebert hatte; das Mittsommernachtfest, bei dem gegen Abend, laut Emilie, ein großes Sonnwendfeuer auf dem Dorfplatz angezündet werden sollte

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Endlich war der Tag gekommen, auf den schon seit Wochen alles hingefiebert hatte; das Mittsommernachtfest, bei dem gegen Abend, laut Emilie, ein großes Sonnwendfeuer auf dem Dorfplatz angezündet werden sollte. Das ganze Dorf, samt Verwandtschaft und Bekanntenkreis, würde sich dort versammeln, um gemeinsam den längsten Tag des Jahres zu feiern, bevor schließlich die Tage wieder kürzer und die Nächte länger werden würden. Bevor allmählich der Herbst Einzug erhalten würde.

Carlotta war ungewöhnlich aufgedreht und nervös, als sie vor dem Spiegel im Flur stand, um sich für den Abend eine hübsche Frisur zu flechten. Dabei musste sie sich doch gar keine Gedanken machen; es war doch nur Kobe, mit dem sie sich verabredet hatte. Der Kobe, mit dem sie ohnehin jeden Tag unter einem Dach schlief, gemeinsam arbeitete und auch immer öfter ihre Freizeit verbrachte. Also eigentlich wirklich kein Grund zur Aufregung, oder?

Carlotta seufzte tief, als sie an die Worte ihrer großen Schwester denken musste, die der festen Überzeugung war, dass Carlotta sich verliebt hatte. Sie fühlte nicht nur beim Gedanken an die Warnung ihrer Großmutter, wie die Angst mit kalten Klauen nach ihr griff und eine Gänsehaut ihren Körper überzog. Fast noch beängstigender war für sie der Gedanke an die Verliebtheit selbst. Sie hatte schließlich überhaupt keine Ahnung von so etwas. Es hatte sie nie interessiert. Ihr einziges Ziel war es immer nur gewesen, dem Reich ihres Vaters zu entkommen, um nicht mit dem nächstbesten Prinzen verheiratet zu werden. Woher konnte sie denn wissen, ob es klug war ihr zerbrechliches Herz ausgerechnet in Kobes Hände zu legen? Woher, dass er überhaupt jemals heiraten möchte, geschweige denn sie?

Entschlossen wischte sie diese verwirrenden Bedenken beiseite. Sie wollte heute einfach einen schönen Abend verbringen. Und den würde sie sich ganz sicher nicht kaputt machen lassen. Auch nicht von ihren Gefühlen.

Auf einmal klopfte es an die Tür zum Boden und Emilies Stimme rief fragend: ,,Carlotta? Darf ich mal eben reinkommen?"

Carlotta wunderte sich. Was Emilie wohl wollte? Die Vorbereitungen im Wirtshaus waren alle gestern Abend schon fertig geworden. Sie hatten in weiser Voraussicht sogar einige Gerichte vorgekocht. Ihr fiel also beim besten Willen nichts ein, wozu Emilie Carlottas Hilfe brauchen könnte. Trotzdem eilte sie ohne zu zögern sofort zur Tür, um Emilie hereinzulassen. Besorgt fing Carlotta Emilies fröhlichen Blick auf, der sie sogleich etwas beruhigte.

,,Du hast wirklich ein Talent dafür", bemerkte Emilie liebevoll und bewunderte Carlottas inzwischen fertige Flechtfrisur. Carlotta lächelte ein wenig verlegen und neigte dabei ihren Kopf ein wenig nach unten; dabei bemerkte sie ein Bündel unter Emilies Arm. Fragend sah Carlotta deshalb wieder zu Emilie empor.

,,Ah, du hast es schon entdeckt, wie ich sehe", meinte Emilie mit einem Lächeln und entrollte das Bündel vorsichtig, während sie weitersprach. ,,Weißt du, Carlotta, ich bin unglaublich froh, dass die Wellen dich zu uns an den Strand gespült haben und dass Rosalie dich gefunden hat. Wo auch immer du herkommst, ich bin sicher, dass dich dort alle ganz schrecklich vermissen müssen. Denn wir würden dich ganz sicher vermissen. Du bist uns schon viel zu sehr ans Herz gewachsen."

Carlotta lächelte wehmütig. Sie konnte sich ebenfalls kaum noch vorstellen, die Menschen hier jemals wieder zu verlassen. Auch sie hatte die Wirtsleute und ganz besonders Rosalie, Kobe und Oscar schon fest ins Herz geschlossen. Ihr wurde ganz warm ums Herz bei Emilies Worten und ein paar vorwitzige Tränen der Rührung stiegen ihr in die Augen, die sie rasch wegblinzelte.

,,Kobe, Rosalie und auch du", fuhr Emilie fort, ,,ihr seid für Hannes und mich wie unsere eigenen Kinder, so lieb haben wir euch. Wir wünschen uns, dass ihr glücklich seid. Und deshalb möchte ich dir für das Fest heute ein Kleid schenken; du hast ja bislang kein Festkleid gehabt und es freut mich einfach zu sehr, Kobe endlich einmal wieder ein wenig lebendiger zu sehen." Auf Emilies Armen ausgebreitet lag ein wunderschönes Kleid; für ein Festkleid immer noch sehr schlicht, aber von einem so wunderschönen Hellblau und so liebevoll gearbeitet, dass es gut und gerne auch das Kleid einer kleinen Prinzessin hätte sein können.

Carlotta konnte nicht anders, als voller Dankbarkeit ihre Arme um Emilie zu legen und sie ganz fest an sich zu drücken. ,,Danke", formten ihre Lippen, als sie sich schließlich wieder von Emilie löste.

,,Von Herzen gern", erwiderte Emilie. ,,Nun probier es schon an", forderte sie Carlotta schließlich lachend auf und legte ihr das Kleid vorsichtig über einen Arm. ,,Ich bin dann mal wieder unten", setzte sie noch nach, da war sie auch schon wieder durch die Tür und die Stiege nach unten verschwunden.

Einen Moment lang konnte Carlotta gar nicht anders, als im Flur vor der Tür stehen zu bleiben. Sie konnte es noch immer kaum fassen. Doch schon kurz darauf, war die Neugier und die Vorfreude einfach zu groß, um noch länger zu warten und so eilte sie in ihre Kammer, um ihr hübsches neues Kleid anzuprobieren. Sie war sich sicher, jetzt konnte nichts mehr schief gehen.

Das Mädchen mit den sprechenden AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt