24. Kapitel - Kobe

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In  der Hektik der letzten Tage fand Kobe kaum eine ruhige Minute

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In  der Hektik der letzten Tage fand Kobe kaum eine ruhige Minute. Alles drehte sich um das Tag für Tag näherrückende Sonnwendfeuer. Ein Fest, das für alle Dorfbewohner von ganz besonderer Wichtigkeit war. Im Grunde war Kobe der Trubel sogar ganz recht; so musste er sich wenigstens nicht mit seinen verwirrenden Gefühlen beschäftigen, die ihn beim Gedanken an Carlotta nun immer häufiger befielen.

Jetzt gerade war es wieder besonders anstrengend. Da für das Fest alljährlich sämtliche Bekannte und Verwandte anreisten, war das Wirtshaus ungewöhnlich gut besucht. Kobe wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und griff sich neue Krüge aus dem Regal, um neues Bier zu zapfen. Er hatte inzwischen gelernt, gerade dann, wenn es hektisch wurde, lieber ein wenig langsamer zu arbeiten, sich Zeit zu lassen, um sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. Auch wenn die Arme immer schwerer wurden und die Arbeit eher mehr als weniger zu werden schien. Mit müden Augen fing er ein Lächeln von Carlotta auf, das ihm warm ums Herz werden ließ. Wie schaffte es dieses Mädchen nur mit einem einzigen Lächeln in seiner Seele die Sonne aufgehen zu lassen?

Sie hielt seinen Blick fest und kam mit einem spitzbübischen Funkeln in ihren tiefblauen Augen auf ihn zu, das von den frechen Sommersprossen um ihre kecke Nase herum noch unterstrichen wurde. Auf den Tresen gestützt blickte sie über ihre schmale Schulter nach hinten in den Schankraum und nickte mit dem Kopf in die Richtung einer Sitzgruppe, die gerade von Colette bedient wurde.

Kobe war zunächst nicht sicher, was Carlotta ihm zeigen möchte, weshalb er seinen Blick unsicher noch einmal zu Carlotta zurückschweifen ließ. Er konnte nicht umhin, an ihren langen Wimpern hängen zu bleiben, die sanfte Schatten auf ihre Wangen warfen. Als er seine Augen schließlich wieder auf die Sitzgruppe richtete, zupfte unwillkürlich ein belustigtes Lächeln an seinen Mundwinkeln; Colette schäkerte augenscheinlich angeregt mit einem jungen Gast herum, der wie verzaubert an ihren Lippen hing.

Carlotta drehte sich fröhlich wieder zu Kobe zurück. Ihre ganze zierliche Figur wirkte ungewohnt entschlossen und energiegeladen. Dann deutete sie auf den Anschlag vom Mittsommernachtsfest nächsten Sonntag, der hinter dem Tresen hing.

Kobe runzelte ein wenig verwirrt die Stirn und seine Augen huschten nachdenklich zwischen Carlotta, der Sitzgruppe und dem Plakat hin und her. Da lachte Kobe plötzlich: ,,Sag mal, kann es sein, dass du die beiden mit meiner Hilfe verkuppeln willst?"

Carlotta nickte und deutete erneut mit dem Kopf auf den Aushang und dann mit einem auffordernden Wink auf den jungen Mann im Schankraum. Sie formte ein ,bitte'.

,,Na schön", erwiderte Kobe und griff sich einige frisch gefüllte Krüge. ,,Weil du's bist." Carlottas dankbarer Blick ging ihm durch und durch und er wandte sich ein wenig hastiger ab, als nötig gewesen wäre.

Colette war inzwischen zu den anderen Tischen weitergegangen, um neue Bestellungen aufzunehmen. Gelegentlich warf sie dem jungen Mann, der seine Augen kaum von ihr abwenden konnte, ein schüchternes Lächeln zu.

,,Bier?", rief Kobe fragend aus, als er kurz vor der Sitzgruppe zu stehen kam.

,,Ja, vier Stück bitt'schön", antwortete ein Mann mittleren Alters und so stellte Kobe die gewünschten Getränke vor ihnen auf den Tisch ab, während die Männer ihre Gespräche wieder aufnahmen.

Er beugte sich ein wenig näher zu dem jungen Mann herab und raunte ihm zu, er solle Colette doch einfach einladen mit ihm gemeinsam zum Sonnwendfeuer zu gehen. Der junge Gast schien im ersten Moment sehr verwundert über den Rat. Im nächsten jedoch breitete sich bereits ein freudiges Strahlen auf seinem Gesicht aus und er nickte Kobe dankbar zu. Das bekam Kobe jedoch nur noch am Rande mit, da er in Gedanken bereits mit etwas ganz anderem beschäftigt war. Genauer gesagt, mit jemandem anders. Hatte Kobe sich die Jahre zuvor eher weniger für den gesellschaftlichen Teil des Mitsommernachtsfestes interessiert, so reifte in ihm plötzlich zum ersten Mal der Wunsch heran, sich ebenfalls mit einem Mädchen für dort zu verabreden. Mit Carlotta.

Und so fasste er sich am Abend des Tages, nachdem sie gemeinsam mit Rose und Oscar am Strand entlang nach Hause geschlendert waren und Rose endlich friedlich in ihrem Bettchen lag, ein Herz. Bevor Carlotta die Tür zu ihrem Schlaflager öffnen konnte, hielt er sie, ihren Namen rufend, zurück. Zaghaft wandte sie sich zu ihm um und sah ihn abwartend an.

,,Ich, also, ähm..." Er unterbrach sich, schluckte nervös und sammelte sich kurz. ,,Magst du vielleicht mit mir zusammen zum Sonnwendfeuer gehen?"

Ein freudiges Lächeln erhellte Carlottas Gesicht und in ihren Augen meinte er so etwas wie Zuneigung zu lesen, als ihre Lippen ein ,gerne' formten.

Kobe stieß vor Erleichterung die Luft aus, die er wohl unbewusst angehalten hatte. Erneut wurde seine Brust von einem warmen Gefühl geflutet, als sich ihre Blicke miteinander verhakten. Dieses unfassbar tiefe Blau ihrer Augen; Kobe hatte das Gefühl, darin versinken zu können.

Sie erwachten etwa beide gleichzeitig aus ihrer Starre, als Carlotta sichtlich fröstelte. Sie lächelte verlegen, eine Hand an der Türklinke.

,,Gute Nacht", wünschte er ihr mit leiser Stimme.

,,Gute Nacht", formte sie mit ihren Lippen. Dann drehte sie sich um und schloss leise die Tür hinter sich. Kobe sah ihr nach, ein wenig überwältigt von den verschiedenen Gefühlen, die gerade in ihm herumwirbelten; dem Glücksgefühl, dem Stolz, der Aufregung, der Erleichterung. Er lächelte stumm. Dann drehte auch er sich um, legte sich schlafen und schloss die Augen. Morgen würde wieder ein langer Tag werden. Nur machte ihm das komischerweise gerade überhaupt nichts aus.

Das Mädchen mit den sprechenden AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt