13. Kapitel - Carlotta

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,,Es tut ihr leid?", donnerte die Stimme ihres Vaters bebend vor mühsam beherrschten Zorn

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,,Es tut ihr leid?", donnerte die Stimme ihres Vaters bebend vor mühsam beherrschten Zorn. ,,Weiß sie überhaupt, was sie damit angerichtet hat? Sie hat mich verdammt nochmal zum Gespött aller Meervölker gemacht! Sie -"

,,Vater", versuchte Virginie den Meerkönig zu beschwichtigen. ,,Es ist ihr mit Sicherheit auch nicht leicht gefallen -"

,,Schön!", unterbrach sie ihr Vater aufbrausend. ,,Soll ich mich etwa dafür entschuldigen, dass ich es ihr nicht leichter gemacht habe?", fragte er höhnisch.

,,Nein, natürlich nicht, Vater. Aber -", versuchte sich nun auch Tate einzumischen.

,,Aber, was? Das kann sie einfach nicht machen. Sie ist meine Tochter! Und als diese meine Tochter und Prinzessin des Reiches ist sie mir und dem Wohl des Meeres gegenüber verpflichtet. Und dazu gehört eben auch, bei meiner Ehre, auf der eigenen Brautschau zumindest anwesend zu sein!"

Als Virginie und ihre Großmutter erneut ansetzen, etwas zu Carlottas Verteidigung zu erwidern, brachte der Meerkönig die beiden Frauen mit einer einzigen Handbewegung zum Schweigen: ,,Geht mir aus den Augen, alle miteinander! Ich werde versuchen Schadensbegrenzung zu betreiben und mich in aller Form bei den anderen Königshäusern für diese Unannehmlichkeit entschuldigen."

*

Carlotta schreckte aus dem Schlaf, als etwas ihre nackten Zehen kitzelte. Der Schock über den Traum saß ihr noch tief in den Gliedern. Das war kein Traum, wurde Carlotta da mit voller Bandbreite bewusst. Das alles war wirklich passiert. Vermutlich war sogar das Gewitter gestern Abend kein Zufall, sondern vielmehr ein Produkt ihres Vaters Zorns gewesen. Schuldgefühle überrollten sie und mit einem Mal fühlte Carlotta sich von Einsamkeit überwältigt. Wie sehr sie doch ihre Großmutter, Virginie und ihre anderen Schwestern vermisste! Ob ihr ihr Vater jemals würde verzeihen können?

Erneut fühlte sie nun das Kitzeln an ihren Zehen und vernahm ein leises, süßes Mädchenkichern. Erst jetzt wurde sich Carlotta allmählich ihrer Umgebung bewusst. Sie lag in einem kleinen Zimmer mit Dachschräge auf einer schmalen, kratzigen Matratze unter einem blassen, dünnen Laken. Warme Sonnenstrahlen fielen durch eine Luke und ließen Staubpartikel im Raum auf- und abtanzen. Wo war sie hier nur gelandet? Und wie? Carlotta versuchte sich daran zu erinnern, was gestern alles geschehen war. Sie war von Oskar geweckt worden und hatte Rosalie vor dem Ertrinken bewahrt. Aber was sich danach ereignet hatte, vermochte sie nicht mehr zu sagen.

Vorsichtig richtete sich Carlotta, einer inneren Ahnung folgend, auf, sodass ihr Blick auf den Ursprung der Kitzeleinheiten fiel: Auf Rosalie, das liebenswerte, süße Mädchen vom Strand. Rose, wie der junge Mann sie genannt hatte, soweit sich Carlotta erinnern konnte. Mit vom Schlaf ganz zerzausten, mahagonifarbenen Haaren stand diese am Fußende des Bettes und blickte ihr aus kindlichen Augen entgegen. Die Stupsnase mit frechen Sommersprossen verziert und die warmen, braunen Augen von golden funkelnden Sprenkeln durchwirkt. Ein warmes Lächeln breitete sich unwillkürlich auf Carlottas Lippen aus. Sie wollte das kleine Mädchen soeben fragen, wie sie hierhergekommen war und ob es ihr, nach allem was sich gestern ereignet hatte, gut ging, da fiel ihr wieder ein, dass sie von nun an überhaupt nichts mehr fragen konnte und so schloss sie ihre Lippen wieder - stumm und ein wenig traurig.

Bevor sie allzu melancholisch werden konnte, schwang sie schließlich ihre Beine von der Matratze, stand auf und strich verlegen das Nachthemd glatt, das ihr nur etwa bis zur Mitte der Schenkel reichte. Ohne ihren Fischschwanz und mit nur so wenig Kleidung kam sie sich ungewohnt nackt und verletzlich vor. Dabei versuchte sie den stechenden Schmerz zu ignorieren, der in ihren Waden brannte.

,,Rose? Hast du sie endlich wach gekriegt?", ertönte da die Stimme des jungen Mannes von gestern.

,,Ja, Kobe", antwortete Rosalie sofort und fügte gleich hinzu: ,,Dürfen wir mit Oskar an den Strand?"

Warmes, raues Lachen erklang. ,,Mensch, Rose! Du bist doch noch nicht einmal umgezogen. Und was Essen müssen wir auch noch."

,,Na gut, dann eben später", bestimmte Rosalie einigermaßen zufrieden.

Carlotta musste grinsen. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass irgendjemand dem süßen Mädchen jemals einen Wunsch abschlagen konnte.

Das Mädchen mit den sprechenden AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt