„Warum bist du jetzt in Ohnmacht gefallen?", fragte meine Mum mit einem kritischen Blick auf meine Figur. Ich seufzte. Ich aß genug! Wirklich! Wir fuhren gerade vom Schulparkplatz.
„Mum, du.. ich... beim Laufen..." Ich brach ab. Wie sollte ich ihr erzählen, was passiert war? Einfach exakt die Wahrheit. „Mum, ich hab den Typen von gestern wieder getroffen."
Sie sah mich mit aufgerissenen Augen an. Es war wie ein Vorhang, der fiel. Ich fing an zu heulen. Ich weiß auch nicht. Erst jetzt, wo ich es ausgesprochen hatte, überrumpelten mich Gefühle.
„Oh Schatz! Was ist passiert?", fragte meine Mum entsetzt und nahm meine Hand. Sie musste sich auf den Verkehr und auf meine Stimme gleichzeitig konzentrieren.
„Er... Er hat mir meinen Schlüssel wiedergegeben und er hat mir gedroht!", schluchzte ich. Sie sah mich komisch an. „Aber das ist doch gut, dass er die den Schlüssel gegeben hat. Wie hat er dir denn gedroht, Schatz?" Ich durchkramte mein Hirn. Was hatte er noch gesagt?
„Er will ein Spiel mit mir spielen.", murmelte ich.
Sie legte mir eine Hand auf die Stirn. Wollte sie etwa wissen, ob ich Fieber hab?! „Mum!", rief ich empört. „Ja, schon gut, Annie. Also was für ein Spiel?" Eh... „Wollte er mir nicht verraten.", gab ich kleinlaut bei. Sie lächelte leicht.
„Darling, hast du dir vielleicht mal überlegt, ob du nicht übertreibst? Ich meine, er hat dir noch nicht wehgetan und er hat dir deine Schlüssel wiedergegeben. Vielleicht kommt es dir so unheimlich vor, weil du ihn im dunklen Wald getroffen hast?" Ich schnaufte. Dass sie mich nicht ernst nahm, war ja wohl der Höhepunkt.
„Und das Spiel?", pampte ich sie an. Sie sah mich mitleidig an. „Vielleicht will er dich verarschen? Oder er steht auf dich?" Ich nickte bitter. Wieso glaubte sie mir nicht, wie ernst es war? Dann schloss ich meine Hände zu Fäusten. Was wenn sie Recht hatte? War ich einfach paranoid oder so? Nein, ich wusste doch, wie bedrohlich die Situation sich angefühlt hatte!
Der Wagen hielt. Ich sprang raus. „Bin in der Dusche." Ich wusste selber, wie wortkarg ich mich anhörte. Aber es war mir wurscht. Erst als das heiße Wasser auf meine Haut prasselte fühlte ich mich besser. Die verspannten Muskeln lösten sich und mein Kopf wurde freier.
Gut war, dass Ashton nun keinen Schlüssel hatte - das hoffte ich jedenfalls. Schlecht war, dass er nicht aus meinem Leben verschwinden wollte. Ich sollte Luke davon erzählen. Er würde mich ernst nehmen. Aber wollte ich, dass Luke irgendwann mal Ashton gegenüber stand? Nein, ich hatte zu viel Schiss vor den Folgen. Dann würde Luke vielleicht diesmal sogar körperlich verletzt werden. Und wieder nur wegen mir. War ich selbstsüchtig, weil ich ihm wehtat und trotzdem nicht gehen ließ, weil ich ihn brauchte? Gedankenverloren wusch ich mir die Haare. Wie war ich nur hier rein geraten?
Ich stellte das Wasser aus und trocknete mich ab. Es fühlte sich schon besser an. Erstmal waren meine Muskeln nun warm und locker und nach der Dusche fiel es mir auch gleich leichter, die Sorgen etwas zu verdrängen. Ich blickte auf die Uhr. Inzwischen war es schon fast Zeit zum Abendessen. Mein Bauch machte sich bemerkbar. Einerseits hatte ich natürlich Appetit, was ich meiner schnellen Laufaktion zuschrieb, andererseits lasteten die Sorgen, die jetzt zwar mein Unterbewusstsein in Beschlag nahmen, auch auf meinem Magen.
In meiner alten, schwarzen Sporthose und mit einem bequemen Shirt schlurfte ich in die Küche und sah, was meine Mum gezaubert hatte. Erwartungsvoll lächelnd saß sie am gedeckten Tisch. Ich nahm ihr gegenüber Platz und zog theatralisch die Luft ein. „Wo hast du das Essen bestellt, Mum? Es duftet nach einem fünf-Sterne-Gericht!" Sie warf mir den Lappen, der in ihrer Reichweite auf der Heizung lag, gegen den Kopf. Ich zog empört die Luft ein, dann kicherten wir beide. Wieso konnte ich nicht einfach mal sauer sein auf meine Mutter?
Ich betrachtete die Pfannkuchen und kam nicht umhin festzustellen, dass sie dieses Mal besser aussahen, als letztes Mal. Vielleicht schmeckten sie ja auch besser. Ich grinste bei dem Gedanken. Wir füllten uns auf und taten beide mit gewisser Vorsicht den ersten Bissen.
„Mm, Mum! Was hast du mit den Pfannkuchen gemacht?", nuschelte ich mit vollem Mund. Enttäuscht sah sie mich an. Ich bemerkte, dass man meine Frage auch falsch verstehen konnte. „Nein, nein. Mir schmeckt es außergewöhnlich gut! Aber was hast du diesmal anders gemacht?" Sie lächelte, aber schwieg. Ich verdrehte die Augen. Wenn sie es lieber geheim lassen wollte. Vielleicht hatte sie die ja doch irgendwo bestellt.
Als wir beide satt waren, räumte ich die Sachen in die Spülmaschine. Ich wünschte meiner Mum eine Gute Nacht und verschwand, nachdem ich Zähne geputzt hatte, in meinem Zimmer. Ich legte mich ins Bett und ließ die letzten beiden Tage Revue passieren.
Kaum zu glauben, dass es erst zwei Tage waren. Zwei Tage und zwei Mal hatte ich Ashton gesehen. Ich riss die Augen auf. Er ließ sich doch nun wohl nicht jeden Tag blicken oder etwa doch? War das für sein Spiel notwendig? Und wieso ging er davon aus, dass ich mitspielte? So viele Fragen rasten durch meinen Kopf. Es war nur natürlich, dass meine Gedanken sich irgendwann ausschalteten und ich in den Schlaf sank.
Das allmorgendliche Piepen riss mich aus der Stille. Ich schubste den Wecker vom Nachttisch, doch er wurde immer lauter. Dummes, dummes, Schrottteil!
Schließlich richtete ich mich auf, stellte das Piepen ab und öffnete meinen Schrank. Ein weiterer Schultag. Juhu. Ob es sehr auffallen würde, wenn ich fehlen würde und wieder schlafen ging? Verlockend sah das warme, weiche Bett schon aus.
„Guten Morgen." Meine Mutter streckte ihren Kopf in mein Zimmer. Das war's dann wohl. „Morgen.", brummelte ich verschlafen und nahm mir Jeans, Bluse, Unterwäsche und Socken aus dem Schrank. Ich latschte ins Bad und machte mich fertig. Morgendliche Routine und so.
Heute schaffte ich es sogar noch in die Küche, bevor meine Mum mich rief. Ich stopfte mir das Brot in den Mund, ging Zähne putzen und startete pünktlich den Motor meines Wagens. Welche Marke mein Auto war, konnte ich ehrlich gesagt nicht sagen. Was sowas anging, war ich strohdumm und ich fand auch keinen Gefallen daran, die Marken zu lernen. Wozu auch?
Ich lächelte, als ich daran dachte, dass Luke mich garantiert damit aufgezogen hätte. Mittlerweile stand ich vor Alice Haus. Sie kam raus und stieg lächelnd ein. „Guten Morgen!", flötete sie. Ich grinste misstrauisch. Ihre Laune war ansteckend, doch machte sie mich auch etwas stutzig.
„Was gibt es neues? Erzähl schon!", verlangte ich. Sie presste die Lippen aufeinander. „Alice..." Schmollend sah ich sie an. „Nein, Annie! Hör auf damit!", bettelte sie und ich machte meine Augen noch größer. „Na gut, okay!" Sie wirkte eher erleichtert, dass sie es mir sagen musste. „Ich hab Calum gestern noch nach der Schule getroffen und wir haben etwas gequatscht und er hat gelächelt! Stell es dir vor! Gelääächelt!" Sie seufzte innbrünstig.
Ich kicherte und legte ihr eine Hand auf den Arm. „Warts ab, ich wette bald wird er dich nach deiner Handynummer fragen!" Ihre Augen wurden groß, als sie mich anstarrte. „Wirklich?", war alles, was sie hauchte. Ich nickte. Oh ha, die hat es aber erwischt!
Ich fuhr langsam los und den Rest der Fahrt schwiegen wir. Jeder seinen Gedanken nachhängend. Ich sah einen kleinen Jungen am Straßenrand. Er fuhr mit seinem Laufrad einem unsichtbaren Muster nach. Ich grinste. Das hatte ich früher auch immer gemacht.
Auf einmal sah dieser Junge auf und blickte mir genau in die Augen. Er holte mit seinen kleinen Beinchen Schwung und fuhr immer weiter Richtung Straße. Er wird doch wohl nicht...
„Stopp, Annie!" Alice Schrei dröhnte in meinen Ohren. Ich riss das Lenkrad rum und trat hart auf die Bremse. All das dauerte nur Sekunden.
Es rüttelte und ich hörte einen Schmerzensschrei.
Meine Ohren rauschten, während mein Kopf in das Polster gedrückt wurde. Aus Reflex riss ich die Augen auf. Ich bemerkte, dass der Wagen sich nicht mehr bewegte, dann schloss ich die Augen.
Mir war schlecht und ich sah sowieso nur weiße und schwarze Flecken.
Wie ist eure Meinung? Liest das hier überhaupt jemand? :D
Wenn ja, bitte bitte bitte schreib mir ein Kommi! Ich nehme alle Verbesserungsvorschläge mit Freunden entgegen, aber auch so Meinungen :)
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The sun between the moons
Mystery / Thriller"Denk nicht, du hättest keine Wahl, Annie.", flüsterte er. "Du hast sie immer. Doch gibt es Alternativen, für die du dich niemals entscheiden würdest." Annie. Luke. Ashton. Anfangs war es nur eine Begegnung. Dann wurde es ein Spiel. ***Alle Rechte...