Kapitel 14 (Spieltag 1 / 2)

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Nach etlichen Stunden, die sich wie Minuten anfühlten, hörte ich das Klimpern eines Schlüssels. Ashton? War er da um mir zu zeigen, dass er gewonnen hatte? Einen Tag hatten wir gespielt. Wie armselig.

Ich saß immer noch im Bad und rührte mich nicht. Wie würde er das Spiel wohl beenden? Ich hoffte es würde schnell gehen. Die Personen, die durch mein Versagen sterben würden, verbannte ich aus meinen Gedanken. Ich würde versuchen mit Ashton zu verhandeln, aber was konnte ich ihm schon geben?

Mit den Stunden, die ich an die Heizung gelehnt verbrachte, verabschiedete sich auch die Angst. Ich sah betäubt, ja irgendwie geradezu neutral, dem Ende entgegen. Ich lauschte den Fußschritten. Meine Wangen juckten vom Salz der getrockneten Tränen. Ich hatte das Gefühl, mein Herz schlüge im Gleichtakt mit den Schritten auf der Treppe. Tock, tock. Tock, tock.

Das Geräusch kam immer näher. Ich hörte etwas im Nebenzimmer knarren. War Ashton in mein Zimmer gegangen? Dachte er, ich würde einfach schlafen? Mir war nach einem verächtlichen Lachen zumute. Die Schritte blieben vor der angelehnten Badezimmertür stehen. Gleich, dachte ich, gleich ist es vorbei.

Ich schluckte nicht mal, als sich die Badezimmertür langsam öffnete. Ausdruckslos starrte ich die Person an, die dort stand. „Annie?“, fragte eine weibliche Stimme erschrocken. Es war nicht Ashton, es war meine Mum. Eine Welle der Gefühle überschwappte mich. Erleichterung, Freude, Wut, Bedrückung. Das Spiel endete nicht. Noch nicht.

„Mum…“, hauchte ich und schmiss mich ihr in die Arme. Meine Tränen waren plötzlich wieder da und nahmen mir die Sicht. „Mum, wo verdammt warst du?“, schluchzte ich. „Annie, sh… Es tut mir leid, ich hab zu viel getrunken und bin dann mit zu meinem Kollegen gefahren.“, entschuldigte sie sich. Ich blickte sie fassungslos an.

„Das kannst du doch nicht tun! Ich hab mir Sorgen gemacht!“, schrie ich und raufte mir durch die Haare. Sie strich mir die Tränen weg und nahm mich noch mal in den Arm. „Es tut mir wirklich leid, Annie! Ich wusste nicht, dass du so große Angst hast…“, murmelte sie. Ich blickte mit wässrigen Augen in die Luft.

Jetzt. Jetzt musst du versuchen, es ihr zu sagen. Vielleicht glaubt sie dir jetzt! Während ich noch nach den Worten suchte, zog mich Mum aus dem Raum und steckte mich ins Bett „Schlaf jetzt etwas, mein Schatz.“, flüsterte sie und der Moment war verstrichen. Sie stand auf und verließ den Raum.

Du hast es ihr nicht gesagt!, schrie ich mich an. Mein Inneres schwieg. Ich wusste keine Antwort darauf und nachdem ich noch lange in die Dunkelheit starrte, schlief ich endlich ein.

Als ich wieder aufwachte, war es bereits drei Uhr nachmittags. Es war Sonntag und meine Mutter war mit einer Freundin Kaffee trinken. Mein Bauch knurrte, doch hatte ich keine Lust aufzustehen. Keine Alice, kein Luke. Ich würde heute einfach nichts tun.

Eilig holte ich mir eine Flasche Wasser und ein paar Salzstangen. Während ich mich wieder in meine Decke einkuschelte, schaltete ich mein Handy an. Keine neuen Nachrichten. Enttäuscht dachte ich an Luke. Was hatte Ashton bloß aus mir gemacht?

Ich nahm die Flasche und trank gedankenverloren, als plötzlich mein Handy vibrierte. Michael hat mir eine Nachricht geschrieben.

Hoffe du bist ausgeruht.

Ich verzog das Gesicht.

Wieso?, schrieb ich zurück. Das machte doch keinen Sinn.

Weil ich gestern nicht bei dir war. Ich überlegte kurz.

Wir waren erstens nicht verabredet und zweitens wieso sollte ich nicht ausgeruht sein, wenn du bei mir warst? Das macht doch keinen Sinn, Mikey!

The sun between the moonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt