Mein Atem ging stoßweise.

Langsam erholte ich mich und mein Blick glitt zu Alice. Sie hielt sich die Nase. Blut lief ihr über das Gesicht.

„Oh mein Gott!“, brachte ich heiser heraus. Der Junge kam mir wieder in den Kopf. Ich sah ein paar Leute vor meinem Wagen. Schnell stieß ich die Tür auf und stieg aus, ohne auf die Kopfschmerzen zu achten. Ich war wie betäubt. Meine Augen glitten über die Menschen bis hin zu einem kleinen Bündel. Meine Hände verdeckten halb mein Gesicht als ich scharf die Luft einzog.

„Oh mein Gott!“, widerholte ich kläglich. Meine Augen brannten verdächtig. Mit zwei Schritten war ich bei dem Jungen und einer Frau. Wahrscheinlich die Mutter. „Ist er… Geht’s ihm…?“, stammelte ich und streckte meine Hand aus. Ihm Hinterkopf vereinten sich die Stimmen der umstehenden Menschen zu einem Murmeln.

Der kleine Junge hob zitternd den Kopf und ließ sich von seiner Mum in die Arme ziehen. Kurz darauf fing er an zu schluchzen. Ich ließ mich auf den Asphalt plumpsen. Tränen stahlen sich aus meinen Augen. Ich war total fertig mit den Nerven.

Ich zwang mich den Kopf wieder zu heben und nach Alice zu gucken. Sie stand etwas abseits mit einem Taschentuch und wurde von zwei Passanten umsorgt. An ihren Augen konnte ich sehen, dass sie unter Schock stand.

Ich konnte keine Zeit mehr einschätzen. Nach gefühlten Stunden und gezählten Sekunden hörte ich die Sirenen. Ein Krankenwagen und ein Polizeiauto hielten neben meinem Wagen. Die ganze Straße war gesperrt. Jemand kam zu mir und fragte mich, wie ich mich fühlte. Ich antwortete, dass es okay war. Ich müsste mich nur kurz sammeln. Die Person ging und kam mit einer Decke und etwas Wasser wieder. Man sagte mir, dass ich einen leichten Schock hatte.

„Wie geht’s Alice und dem Jungen?“ Meine Stimme zitterte. „Beide keine schweren Verletzungen.“ Ich nickte. Was machte ich nur? Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie ich mich jetzt fühlen würde, wenn einem etwas Schlimmeres passiert wäre!

Ich rief erst meine Mum und dann in der Schule an und erklärte, was geschehen war. Die Sekretärin sagte mir, dass sie uns entschuldigen würde. Ich dankte ihr und legte auf. Ich ging zu Alice. Ihre Nase blutete nicht mehr und sie sah mich müde an. „Tut mir leid.“, murmelte ich und nahm sie in den Arm. Die Tränen kamen wieder. Ich fühlte mich so schuldig!

Zwei Polizisten kamen zu uns und fragten uns ein paar Fragen. Wir beantworteten sie wahrheitsgemäß und sie gingen wieder. Meine Mutter kam und fuhr uns nach Hause. Ich wollte mich nicht wieder hinters Steuer setzen. Sie erzählte irgendwas von Kollege und Auto nachbringen, aber ich hörte nicht zu. Eine große Müdigkeit überrollte mich.

Nachdem wir Alice abgesetzt hatten und ich mich endlich ins Bett fallen ließ, seufzte ich auf. Der Unfall hätte so viel schlimmer kommen können! Meine Augen schlossen sich und ich fiel, obwohl es erst früher Vormittag war, in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

„Annie?“ Etwas strich mir leicht über die Wange. Ich fuhr erschrocken hoch. Mein Atem ging schneller als erwartet. „Psst, alles ist gut.“ Ich erkannte das Gesicht meiner Mum. Seufzend plumpste ich zurück in mein Kissen.

„Mum? Wie spät ist es?“ Sie lächelte. „Gleich sieben Uhr abends. Ich wollte dich fragen, ob du etwas essen willst?“ Ich verzog das Gesicht. Ich hatte den ganzen Tag verschlafen! Welcher Tag war überhaupt? Mittwoch, oder nicht? Ein Blick auf den Kalender an meiner Wand bestätigte mir das. „Komme gleich.“, antwortete ich und setzt mich auf.

Kurz bevor meine Mum aus dem Zimmer war, drehte sie sich noch mal um. „Oh und Luke war hier. Er war ziemlich besorgt, aber ich sagte ihm, dass es dir gut geht und du schläfst. Er wollte dich nicht wecken und ist wieder gegangen. Aber ich soll dir sagen, dass du ihn bitte anrufen sollst!“ Ich lächelte. Wie süß von ihm.

The sun between the moonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt