Bedrückt stieg ich vom Rad. So viele Gedanken wirbelten mir durch den Kopf, ich konnte nicht mal genau sagen, worüber ich grübelte. War es über mein Leben? Über Lukes? War es etwas ganz anderes? Sollte ich versuchen Luke auch auf Abstand zu halten? Ihm schon wieder wehtun. Alles in mir sträubte sich. Ashton wusste doch sowieso schon, dass er mir etwas bedeutet. Ja, Luke war hundertprozentig auf seiner Abschussliste.
Ich wusste nicht, ob ich mich ihm gegenüber normal verhalten konnte, deshalb blieb ich unschlüssig bei meinem Rad stehen. So vieles war unsicher. Mein Leben, sein Leben, das Ende. Nur eins stand für mich fest. Davon war ich felsenfest überzeugt.
Ich würde dieses Spiel nicht gewinnen. Niemals.
Ich blickte die Straße runter. Ein paar Autos standen am Straßenrad, eine ältere Frau arbeitete in ihrem Garten und eine Katze sonnte sich auf der Mauer des Nachbarhauses. Es war ein schöner Tag, doch konnte ich ihn nicht genießen.
„Annie, wie lange willst du da noch so stehen?" Ich drehte mich überrascht um und sah Luke am Fenster stehen. Er schien amüsiert. „Äh... Ich genieße nur die Sonne.", antwortete ich und zwang mich zu lächeln. Ashton war also nicht hier. Luke verschwand vom Fenster und ich ging zur Haustür.
Keine Minute später fand ich mich in seinen Armen wieder. „Schön, dass du da bist.", flüsterte er und ich stellte mich auf Zehenspitzen um ihn zu küssen. Er trug mich zum Sofa und ich kuschelte mich an ihn. Er strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. „Also was ist los?", flüsterte er.
Ertappt sah ich ihn an. „Was? Dachtest du, ich bekomme nicht mit, wenn meine Freundin bedrückt ist?" Er lächelte leicht. Ich stieß gepresst die Luft aus. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich sie angehalten hatte.
„Und? Erzählst du es mir?", fragte er wieder. „Ehm..." Mein Blick wanderte zum Boden. Was sollte ich ihm denn nun erzählen? „Es tut mir leid, ich kann es dir nicht erzählen...", flüsterte ich schließlich. Besorgt sah Luke mich an.
„Ann, ich will dir doch nur helfen.", versuchte er es nochmal. Ich schüttelte den Kopf. „Das kannst du nicht, Luke." Seine Hand strich über meine. „Okay, ich mache dir einen Kakao.", murmelte er und stand auf.
Ich hörte wie er in der Küche rumhantierte. Gott, wieso war ich nur so dumm? So gemein? Und wieso konnte er nicht einfach mal sauer auf mich sein? Ich meine, ich fühlte mich wirklich schrecklich, wenn er immer so verständnisvoll war! Ich wusste, ich wäre schon längst ausgerastet. Ja, ich war sauer. Allerdings eher auf mich, als auf ihn.
Luke kam wieder und gab mir eine Tasse. Ich nippte an meinem Kakao und zuckte vor Schreck zusammen. „Luke, der ist ja kochend heiß!", jammerte ich und streckte meine verbrannte Zunge raus. Nachdem ich die Tasse schnell auf den Tisch gestellt hatte, versuchte ich ihr mit meinen Händen Luft zuzufächeln um sie zu kühlen. Verdammt, tat das weh!
Luke sagte nix. „Wie wäre es mit ‚Entschuldigung'?", fragte ich. Es war wirklich sehr ungerecht, wie ich mich verhielt und das Schlimmste war, dass ich mir dessen bewusst war, doch lief das Fass über und er war leider gerade der, der das restliche Wasser abbekam.
„Wie wäre es mit ‚Danke'?", fauchte er zurück. „Für eine verbrannte Zunge?", erwiderte ich aufgebracht. Luke stand abrupt auf. Ich tat es ihm nach. „Annie, ich habe keine Ahnung was mit dir los ist, aber ich denke es wäre besser, wenn du jetzt gehst und..." Ich sah ihn an und wartete auf seine nächsten Worte. „erst wiederkommst, wenn die alte Annie wieder da ist."
Kalt sah er mich an. In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Er hat nicht Schluss gemacht. Er will mich sobald ich wieder die alte bin. Das bedeutet nie. Denn das Spiel endet nicht, bevor er tot ist!, schrie mich eine Stimme in meinem Kopf an.Ich schaltete sie ab.
Meine Augen brannten. „Okay.", sagte ich und drehte mich um. Ich war selbst Schuld. Auf dem Weg nach draußen musste ich sehr mit den Tränen kämpfen, die sich langsam aus meinen Augen stahlen. Ich stieg auf mein Fahrrad und trat in die Pedalen. Die Katze, die immer noch auf der Mauer lag, schreckte hoch und huschte in den sicheren Garten.
Was hast du nur getan, Annie?! Keine Alice, kein Luke und auch kein Ashton. Wieso war er noch nicht dabei mich umzubringen? Wieso spannte er meine Nerven so auf die Folter? Diese Unwissenheit zerfraß mich und noch waren nicht mal vierundzwanzig Stunden um. Wie sollte es werden, wenn morgen immer noch nichts passierte oder übermorgen?
Total fertig kam ich zuhause an. „Mum?", schrie ich, als ich die Tür aufmachte. Das Haus blieb still. „Mum?", flüsterte ich nochmal. Ich legte meine Jacke ab und schlich auf Zehenspitzen in die Küche. Oh mein Gott, wenn ihr jetzt irgendwas passiert war? Der Streit von heute Morgen war vergessen.
Mein Herz raste, als ich vorsichtig die Küche betrat. Ich wollte schlucken, doch war mein Mund wie ausgetrocknet. Ein Zettel lag auf dem Küchentisch. Ich nahm ihn in die Hand und las ihn.
Bin mit meinen Kollegen unterwegs. Essen ist im Kühlschrank. Frag doch Alice, ob sie Zeit zum Übernachten hat. Hab dich lieb, mein Schatz! Mum
Ich ließ die Schultern sinken und massierte mir die Schläfen. Ich musste wirklich paranoid oder so sein! Kein Wunder... Energisch schüttelte ich den Kopf. Ich musste jetzt erstmal etwas Essen, obwohl mir der Appetit bei dem Gedanken, hier alleine zu sein, verging.
Nachdem ich mir eine Banane reingestopft hatte, setzte ich mich aufs Sofa und schaltete den Fernseher an. Ich kuschelte mich an das Polster und musste bald darauf eingeschlafen sein. Mein steifer Nacken weckte mich. Ich grummelte und setzte mich hin. Wie spät es wohl war?
Ich ging in den Flur und sah auf die Uhr. Halb eins. Die Alarmglocken ertönten in meinem Kopf. War Mum schon zu Hause?!
Ich sprintete leise die Treppe rauf und blickte in ihr Schlafzimmer, obwohl ich bereits wusste, dass ich es leer vorfinden würde. Der Fernseher lief, das Licht war überall an und ich hatte auf dem Sofa geschlafen. Sie wäre niemals einfach so ins Bett gegangen. Aber halb Eins? War sie sonst nicht immer spätestens um Elf heimgekommen?
Die Sorgen drückten mir auf den Magen und mir war schlecht. Ich stiefelte ins Bad und putzte mir die Zähne. Danach schlug ich mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Denk logisch, Annie! Entweder sie hatte so viel Spaß mit ihren Kollegen, dass sie die Zeit vergessen hatte oder... Ich atmete zittrig ein und sah mich im Spiegel an. Oder ihr war etwas passiert.
Zittrig fingerte ich mein Handy hervor. Ich wählte ihre Nummer. Ich wartete.
Sie können nach dem Signalton eine Nachricht hinterlassen.
Langsam ließ ich mich auf den Boden gleiten. Und nun? Ich drückte die rote Taste. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Während mir Schluchzer über die Lippen kamen, rollte ich mich ein. Ich konnte einfach nicht mehr! Sollte Ashton mich doch holen und dem ein Ende bereiten.
Aber dann würde er auch Luke umbringen. Wütend schlug ich auf die Badezimmerfliesen und zischte auf vor Schmerz. Wieso gab es keinen Ausweg?!
Ich zog mich hoch und setzte mich an die Heizung. Meine Augen brannten und fühlten sich schwer an. Ausdruckslos starrte ich zur Tür und wartete. Auf mein Ende. Auf das Ende der Zeit. Auf das Ende der Welt. Ich spürte meinen Herzschlag.
Tock, tock. Tock, tock. Tock, tock.
Hey, ich weiß es ist nicht das längste und tollste Kapitel... tut mir leid! :(
Im Moment fällt es mir einfach sehr schwer zu schreiben, obwohl ich eigentlich ja in den Ferien Zeit gehabt haben müsste...
Es wird wieder besser, versprochen! ♡
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The sun between the moons
Misteri / Thriller"Denk nicht, du hättest keine Wahl, Annie.", flüsterte er. "Du hast sie immer. Doch gibt es Alternativen, für die du dich niemals entscheiden würdest." Annie. Luke. Ashton. Anfangs war es nur eine Begegnung. Dann wurde es ein Spiel. ***Alle Rechte...