Kapitel 23 (Spieltag 10)

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„Ich muss aber lernen.", unterbrach ich die Stille und brachte die Zeit wieder zum Laufen. Ashton vor mir im Türrahmen fuhr sich durch die Haare. „Dann lernen wir eben zusammen.", bestimmte er. Ich schob mich an ihm vorbei und stellte mich auf die unterste Treppenstufe um mit ihm auf gleicher Höhe zu sein.

„Und danach reden wir.", fügte er hinzu, während er mich belustigt musterte. „Und wenn ich nicht mit dir reden will?", fragte ich trotzig. Ich wusste noch nicht genau, ob ich mit ihm reden wollte oder nicht. Das kam ganz auf das Thema an. „Und wenn ich nicht mit dir lernen will?", konterte er. Ich zeigte auf die Tür. „Dann musst du wohl gehen.", lächelte ich zuckersüß. Seufzend stützte sich Ashton im Türrahmen ab. „Hör zu, ich weiß nicht, wo plötzlich dein Sturkopf herkommt, aber wir müssen wirklich reden."

Ich knirschte mit den Zähnen, während ich den hellbraunen Boden musterte. „Worüber?", fragte ich schließlich. „Das wirst du schon sehen, Kleine." Ich verdrehte die Augen. „Du sollst mich nicht Kleine nennen.", erwiderte ich, doch gab ich ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er mir folgen sollte. Ich machte mich auf zum Wohnzimmer und ließ mich auf die Couch fallen. Ashton nahm im Sessel Platz und ich blickte ihn auffordernd an. „Also, worüber möchtest du reden?"

Ich wusste noch nicht, ob dies hier eine gute Idee war. Vielleicht hätte ich ihn einfach rausschicken sollen. „Über das Ende des Spiels.", antwortete er. Ja, ich hätte ihn aussperren sollen. „Was möchtest du mir damit sagen?", fragte ich vorsichtig und sah mich unauffällig nach meinen Fluchtwegen um, falls er entschied, das Spiel fortzuführen. Einerseits traute ich es ihm durchaus zu, andererseits hatte ich Vertrauen zu ihm gefasst.

„Das Spiel wird nicht weitergeführt, keine Angst. Doch muss ich dich wohl oder übel warnen, Annie. Du darfst niemanden davon wissen lassen, ansonsten muss ich mir etwas überlegen, das die nicht gefallen wird." Ich schluckte und nickte. Natürlich musste er dafür sorgen, dass er auch im Nachhinein nicht aufflog.

„Und nun brauche ich die Wahrheit: Weiß schon jemand, dass ich derjenige bin, der das Spiel mit dir gespielt hat?", fragte Ashton. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, keiner weiß es.", flüsterte ich. Er nickte. „Gut. Ich möchte dir noch einmal beteuern, dass das Spiel vorbei ist, Annie. Ich habe dir Unrecht getan dich so zu ängstigen und das weiß ich auch. Es tut mir leid." Ich schwieg.

„Mir ist klar, dass es das nicht wieder gut macht. Ich kann nur versuchen, es auszugleichen.", fügte er hinzu, als ich immer noch nicht antwortete. Ich stand auf. „Geh nun, bitte." Ich sah, wie Ashton nickte und an mir vorbei zur Tür ging. Ich folgte ihm nicht. Als die Tür ins Schloss fiel, schleppte ich mich die Treppe rauf und fiel ins Bett.

Ich glaubte wirklich daran, dass das Spiel nun vorbei war, nur war ich so unglaublich müde. Ich wollte, dass alles wieder normal war. Wirklich alles. Und nun musste ich aufpassen, dass niemand jemals etwas von dem Spiel erfuhr. Demnach konnte ich mit niemandem reden, oder - Moment... Ich schnellte hoch und lief runter um mein Handy zu holen. Luke wusste ja eh schon alles, also könnte ich mit ihm reden. Ob er das wollte, ob ich das wollte, darauf spuckte ich. Ich musste mit jemanden darüber reden um abzuschließen.

Als ich in der Küche angekommen war, nahm ich mein Handy und öffnete unseren Chat. Die letzte Nachricht sprang mir förmlich ins Auge. Ich weiß du bist sauer und das auch zu recht. Und ich wollte nur schreiben, dass es mir Leid tut, was heute passiert ist. Ich wollte dich nie verletzen. Ich spannte meinen Kiefer an und plötzlich war neben der Trauer auch Wut auf ihn da. Er ist an allem Schuld. Er soll jetzt die Folgen tragen und mich nicht so damit alleine lassen.

Von wegen du wolltest mich nie verletzen. Wir müssen reden, ob du willst oder nicht, hämmerte ich in die Tasten. Ich schickte die Nachricht ab und stampfte die Treppe hoch in mein Zimmer. Wenn er nicht Zuhause war, brauchte ich gar nicht hinlaufen, also wartete ich auf seine Antwort und tat das, was ich eigentlich schon die ganze Zeit machen wollte. Lernen.

Doch während ich über den Büchern hockte, schweifte meine Konzentration immer wieder zu meinem Handy. Meine Güte, das Teil wird sich schon melden, wenn es eine Nachricht empfängt, ermahnte ich mich selbst. Nach einer Stunde, in der ich mehr oder weniger Schulstoff wiederholt hatte, bekam ich endlich eine Antwort.

Wenn du unbedingt reden willst, dann komm vorbei. Ich bin jetzt zuhause. Ich stieß verächtlich die Luft aus. Wieso wer er denn jetzt zickig? Ich meine, er hat uns das doch alles eingebrockt. Ich überlegte, ob ich ein trotziges ‚Mach ich.' schreiben sollte, doch ließ ich es bleiben. Provokant war ich eigentlich nie.

Also machte ich mich zu Fuß auf den Weg zu Luke. Das letzte Mal, als ich diesen Weg zu Fuß gegangen bin, hatte ich Ashton zum ersten Mal getroffen. Hätte ich damals gewusst, was folgen würde, wäre ich niemals in den Wald gegangen. Die Vergangenheit war geschrieben, die Zukunft noch nicht. Also beeilte ich mich zu Luke zu kommen.

Fünf Minuten später stand ich vor seiner Haustür. Meine Wut war verraucht, doch versuchte ich sie mir wieder in Erinnerung zu rufen. Mit ein bisschen Zorn würde es mir leichter fallen, alles zu fragen. Und ich würde die anderen Gefühle unterdrücken. Ich klingelte und setzte ein grimmiges und ernstes Gesicht auf. Ich hörte den Schlüssel, der im Schloss gedreht wurde. Die Tür ging auf und Luke stand vor mir.

Seine Schultern erschienen mir breiter als sonst, doch seine Augen waren müde. Er bat mich rein und fragte, ob ich etwas trinken wollte. „Ja, bitte - eh, nein. Ich muss mit dir reden!", verlangte ich. Wo war diese verdammte Wut?!

„Okay...", Luke sah mich schief an. „Annie, ist irgendetwas? Du verhältst dich seltsam." Mein Blick war erstaunt. „Du fragst, ob irgendetwas los ist? Du?!" Ich hatte die Wut wohl wiedergefunden. „Entschuldige mal, aber du hast Schluss gemacht! Da kannst du nicht erwarten, dass bei mir alles in Ordnung ist. Zumal du mich im Stich gelassen hast! Du hast mit diesem Scheiß Spiel angefangen, du!" Ich hatte mich richtig in Rage geredet.

„Annie, ich - ", fing Luke an. „Nein, hör mir erst zu! Es ist mir egal, was du für mich getan hast. Es hat alles keine Wirkung gezeigt, denn es geht mir nicht gut! Ich hätte das Spiel einfach gewinnen sollen, doch wollte ich dich nicht verlieren und jetzt? Pah, jetzt hab ich dich und das Spiel verloren. Kannst du dich irgendwie rechtfertigen?" Ich war immer lauter geworden und stand nun bebend vor ihm.

„Ich habe mit dir Schlussgemacht, ja. Wenn du es ein Spiel nennen möchtest, meinetwegen, aber ich werde es nicht so nennen. Ich habe dir wehgetan. Ich habe vieles getan, was falsch war, aber es tut mir Leid, okay? Es tut mir Leid.", sagte Luke letztendlich. Ich nickte, ging zur Couch und ließ mich drauf sinken.

„Und nun?", fragte er, nachdem er sich neben mich setzte. Ich hatte es gewusst, wurde mir klar. Von Anfang an hatte ich es einer Lüge bezichtigt. Und trotzdem hatte ich nichts unternommen. „Kanntest du eine Gemma?" Die Frage kam unerwartet aus meinem Mund, doch musste ich sie stellen. Das würde mir Klarheit verschaffen. Überrascht blickte Luke mich an. „Ja, wieso?" Ich runzelte die Stirn.

„Was ist mit ihr passiert, Luke?" Ich wartete mit klopfendem Herzen. „Ich weiß es nicht genau. Man sagt, sie habe einen Unfall gehabt und ist dabei gestorben. Manche glauben aber, dass ihr Freund da etwas nachgeholfen hat. Ich kannte ihn nicht und ich kannte sie auch nicht sehr gut, nur einmal... sie kam zu mir und wir hatten beide getrunken und ich weiß nicht, wie weit es gegangen ist." Ich schloss die Augen und vergrub meine Hände in den Haaren. Einer von beiden musste lügen.

Ich dachte, nach diesem Gespräch würde ich mich wesentlich besser fühlen, stattdessen verschlimmerte es alles. Mein Handy vibrierte. Ich öffnete die Nachricht und starrte auf die Worte. Alice.

Meine arme, süße Alice.

Badabum. Naaaw, ich liebe dieses Ende ^^ Weil ich schon weiß, was passieren wird *grins*

Ich bin froh es so schnell geschafft zu haben und hoffe es hat euch gefallen!

The sun between the moonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt