20.

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Staunend betrachtete ich die zerfallene Ruine, die ein paar Meter entfernt auf einem Hügel thronte. Trotz dessen, dass sie zerstört war, hatte sie etwas magisches an sich. Schade, dass ich so etwas nur aus Büchern kannte, trotzdem genoss ich den Anblick und schoss ein paar Fotos mit der Kamera, die ich mir erst vor kurzem selber gekauft hatte. "Anni, kommst du? Wir müssen weiter", rief mein Vater und winkte mir zu. Neben ihm lag schon das zusammengepackte Zelt und unsere Rucksäcke. Mit einem letzten Seufzer drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zu meinem Vater. Ein Campingurlaub in Schottland, gemütliches Wandern durch die Highlands, abends ein nettes Lagerfeuer und nichts als die unberührte Natur. Doch von fiesen Mücken, Regen und anderen Naturkatastrophen war nicht die Rede gewesen. Mit einem leichten Aufstöhnen wuchtete ich mir den schweren Wanderrucksack auf den Rücken. Mein Vater tat es mir gleich und zusammen gingen wir los.

"Sag mal, wann wollten nochmal Mama und dein Bruder nachkommen", fragte mich mein Vater, als wir bereits einige Minuten gegangen waren. "In zwei Tagen, aber das hab ich dir doch schon heute morgen gesagt", sagte ich wobei ich den letzten Teil eher zu mir selbst murmelte. "Ach ja, ich erinnere mich, irgendwie sieht es nach Regen aus, findest du nicht?", fragte er und richtete seinen Blick besorgt in Richtung Himmel. Ich konnte mir ein genervtes Aufstöhnen nicht verkneifen und richtete meinen Blick nun ebenfalls auf den Himmel. Dicke schwarze Wolken türmten sich dort und in der Ferne konnte man einen Donner grollen hören. Na super, das hatte uns gerade noch gefehlt. Auch mein Vater schien nicht sonderlich begeistert. "Wir sollten zurück zur Ruine, vielleicht gibt es dort einen Platz, wo wir trocken bleiben, mit Gewitter ist nicht zu spaßen", sagte er besorgt und blickte zurück zu dem verfallenen Gemäuer, das nur noch ein kleiner dunkler Punkt am Horizont war.

Klitschnass und völlig durchgefroren kamen wir an einem kleinen Schuppen neben der Ruine an. In der Ruine selbst bot sich uns keine Möglichkeit, uns unterzustellen. "Mir ist kalt und ich bin nass, ich hab keine Lust mehr" nörgelte ich und schälte mich aus meiner Regenjacke. "Ach Anni, jetzt sei doch nicht so, zuerst hat es dir doch auch total viel Spaß gemacht und das jetzt ist doch nur ein kleiner Wolkenbruch", versuchte mein Vater mich zu beruhigen. Bockig verschränkte ich die Arme vor der Brust, "ja, aber so langsam vermisse ich mein Bett und meine Freunde und mein Essen", fing ich schon wieder an zu diskutieren. "Anni! Jetzt hör auf, wir sind doch nicht mehr lange unterwegs, du schaffst das schon", sagte mein Vater und breitete seine Schlafsachen aus. "Ich mache nochmal ein Nickerchen, du weißt ja wie schrecklich ich auf diesen Dingern schlafe", sagte er und deutete auf die Isomatte. Ich nickte und pustete mir eine Locke, meiner inzwischen trocken gewordenen Haare, aus dem Gesicht. Dann holte ich mir ein Buch aus dem Rucksack und machte es mir so bequem wie möglich. Nach einer Weile nahm ich nichts mehr im mich herum wahr, und tauchte komplett in die magische Welt von Harry Potter ein.

Durch ein paar Stimmen wurde ich wach, ich musste wohl eingeschlafen sein. Neben mir lag das aufgeschlagene Buch, welches mir wohl im Schlaf aus der Hand gefallen war. Schnell merkte ich mir die Seitenzahl und wollte es gerade wieder in den Rucksack packen, als mir auffiel, dass dieser nicht dort war, wo ich ihn gelassen hatte. Auch mein Vater war nicht mehr da. Panisch drehe ich mich in alle Richtungen und schloss verzweifelt die Augen, doch so sehr ich es mir auch wünschte, als ich die Augen wieder öffnete blieben mein Vater, sowie die Rucksäcke verschwunden. Ich legte das Buch also auf den Boden und suchte meine Jacke, doch auch sie war nicht aufzufinden. Ohne wirklich darüber nachzudenken, ging ich zur Tür des Schuppens, denn immerhin hatte ich ja Stimmen gehört und auch wenn ich nicht wirklich daran glaubte, ließ sich die Hoffnung in mir nicht unterkriegen, dass es vielleicht mein Vater war, der anderen Wanderern den Weg erklärte.

Ich öffnete die Tür, nur um eine weitere Welle der Panik in mir aufsteigen zu spüren. Keine Spur meines Vaters, nichtmal irgendeine Person war zu sehen und es wurde bereits dunkel. Doch von wem hatte ich denn dann die Stimmen gehört? Verzweifelt drehte ich mich mal wieder in alle Richtungen, nur um plötzlich wie angewurzelt stehen zu bleiben. Dort, wo bis vor ein paar Stunden noch die Ruine gestanden hatte, war nun ein gigantisches Schloss. Dermaßen verwirrt, rieb ich mir einmal über die Augen, das sollte doch wohl ein schlechter Scherz sein, ich musste träumen! Wie zur Hölle sollte denn aus einer Ruine ein Schloss werden? Mit einer fahrigen Bewegung fuhr ich mir durch meine unbändigen braunen Locken, und fing an eine meiner Strähnen zu zwirbeln. Eine Geste, die meine Mitmenschen immer total aufregte, mir aber immer half, mich zu beruhigen. Innerlich Rang ich mit mir selbst, sollte ich zurück in den Schuppen und einfach abwarten, was passieren würde, mit der Gefahr hin, dass nichts passieren würde? Oder sollte ich versuchen ins Schloss zu kommen um wenigstens irgendetwas zu tun?
Nach ein paar Sekunden oder auch Minuten, jetzt mal ehrlich, ich hatte keine Zeit mich wirklich darauf zu konzentrieren, beschloss ich, ins Schloss zu gehen oder es wenigstens zu versuchen.

Dramione OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt