26.

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Gedankenverloren starrte Hermine auf das Feuer und nahm dabei immer mal wieder einen Schluck aus dem Glas, welches sie in ihrer Hand hielt. Die braune Flüssigkeit brannte ihr in der Kehle, doch ausnahmsweise machte ihr das nichts aus. Normalerweise verabscheute die Whiskey und Feuerwhiskey ganz besonders, aber heute wollte sie unbedingt die Wirkung erhalten, die für das Getränk altbekannt war. Sie brauchte den Alkohol, der ihr die Sinne vernebelte und ihr half, nicht mehr an diesen blöden Gerichtsprozess zu denken. Sie brauchte ihn einfach.

Ein paar Minuten später stand sie immer noch vor dem Kamin, das Glas jedoch nun fast leer. Mit einem letzten Schluck leerte sie es und machte ein paar Schritte zu einem Beistelltisch der neben dem grünen Sofa stand, um sich das Glas erneut zu füllen. Grün, dachte sie. Natürlich war das verdammte Sofa grün, wie alles andere in diesem gottverdammten Haus. Manor. Mit drei großen Schlucken hatte sie das Glas erneut geleert und sie spürte bereits, wie sich ein sanfter Schleier über ihre Gedanken legte und sie etwas beruhigte, aber um die vollständige Wirkung zu erzielen, würde sie wohl oder übel noch ein zwei Gläser mehr benötigen. Also griff sie erneut nach der Karaffe, in der sich der Whiskey befand und schenkte sich den Alkohol ein. Sie wollte gerade zum Trinken ansetzten, als ihr Blick auf das Bild fiel, welches auf dem Kaminsims stand.

Wie angewurzelt starrte sie auf das kleine Bild, welches sie eigentlich nicht erkennen sollte und dennoch tat. Mit einem lauten Klirren zersprang das Glas auf dem Steinboden in tausend Stücke und der Whiskey sickerte langsam in den Teppich, den das Glas nur knapp verfehlt hatte. Immer noch, als wäre sie von einem Petrificus Totalus getroffen worden, blickte die Brünette auf das kleine Polaroid Bild, welches sie erst vor wenigen Monaten gemacht hatte. Auf dem Bild sah man sie und Draco wie sie zusammen auf einer Decke im Park saßen. Sie lächelte breit in die Kamera, während er befremdet und verwirrt in die Linse starrte.

Mit einem undefinierbarem Laut erwachte Hermine aus ihrer Starre und sackte auf den Boden. Sie erinnerte sich so genau an den Tag, als wäre er gestern gewesen. Sie und Draco hatten sich um 15:00 Uhr verabredet und sie war das erste mal in ihrem  Leben zu spät gekommen, er hatte gerade wieder einpacken wollen, als sie angerannt kam und sich in seine Arme schmiss und ihn den Tränen nahe um Verzeihung gebeten hatte. Natürlich hatte er die Entschuldigung angenommen und sie verbrachten einen wunderbaren Nachmittag zusammen, kurz bevor sie wieder ins St. Mungos musste, sie hatte damals noch dort gearbeitet, hatte sie die Polaroidkamera hervorgezaubert und dieses Foto geschossen. Draco und sie hatten nachdem sie das Foto gesehen hatten einen solchen Lachkrampf erlitten, dass ihnen hinterher die Bäuche wehtaten.

Jetzt breitete sich jedoch nur noch eine schmerzende Erkenntnis in Hermines Bauch aus und diese traf sie mit solch einer Wucht, die sie, wenn sich nicht schon auf dem Boden zusammengesackt wäre, von den Füßen gerissen hätte.

Wie hatte sie es nur zulassen können? Wie hatte sie nur eine Sekunde an ihm zweifeln können? Wie konnte sie nur denken, dass er sie nur belogen und betrogen hatte? Wie konnte sie es nur wiedergutmachen, dass sie dem Auror glauben geschenkt hatte, als er gestern Mittag hier in Malfoy Manor aufgetaucht war, um Draco Malfoy mitzunehemen, da er verdächtigt wurde einen Mord begangen zu haben? Wie, ja wie konnte das nur passieren?

Mit einer Schnelligkeit, die sich Hermine nicht zugetraut hätte, war die Brünette aufgesprungen, sie griff nach dem Foto und sprintete in den Eingangsflur. Sie konnte es auf keinen Fall zulassen, dass er schuldig gesprochen wurde. Sie schnappte sich ihren Mantel und ihren Zauberstab und innerhalb einer Sekunde war sie bis vor die Telefonzelle appariert, die ins Ministerium führte. Durch eine neue Regelung, die Kingsley Shacklebolt eingeführt hatte, konnte niemand, der nicht im Ministerium arbeitete, in die Hallen apparieren. Nur durch das Flohnetztwerk und die Telefonzelle war es für Besucher betretbar.

Nervvös auf ihrer Unterlippe kauend, wartete Hermine ab, dass sie endlich unten ankam. Hoffentlich war sie nicht zu spät. Sie durfte es nicht sein. Sie könnte es nicht ertragen, ihn nie wieder zu sehen und auch noch selber daran Schuld zu sein. Jetzt, wo ihr doch klar wurde, dass er es auf keinen Fall getan hatte. Das verfluchte Foto war der Beweis, sie hatte sich extra das Datum hinten draufgeschrieben, um sich immer daran zu erinnern, doch sie war zu überrascht und verletzt gewesen, um darauf zu achten, dass der Auror genau dieses Datum für den vermeintlichen Mord genannt hatte. Sie hatte Draco nur mit einer Fassungslosigkeit angeschaut, als dieser versucht hatte irgendwas zu erklären, doch der Auror hatte ihn sofort mit einem Schweigefluch belegt. Wütend über sich selber und vor lauter Verzweifelung schlug sie sich an die Stirn. Niemals würde er ihr verzeihen können, aber darüber musste sie sich wohl oder übel wann anders Gedanken machen, denn jetzt erreichte sie endlich das Ministerium und alles was jetzt zählte war, dass Draco nicht verurteilt wurde.

"Und deswegen sind wir zu dem Urteil gekommen, dass der Angeklagte, Draco Malfoy, unter den gegebenen Umständen für den Mord an Rosalie Katrice...", hörte Hermine und hastete auf die große Flügeltür zu, hinter der ihr Freund, vermutlich nun Exfreund, gerade verurteilt wurde. Der Richter wollte gerade das finale Urteil sprechen, als die Brünette mit eine lauten Knall die Tür aufstieß und aus Leibeskräften "Halt!" schrie. Sofort lag die gesamte Aufmerksamkeit auf ihr und etwas leiser, aber dennoch aufgebracht sagte sie außer Atem:" Draco Malfoy ist unschuldig, ich habe Fotos und Erinnerungen, die seine Unschuld beweisen können."

Ein Tumult brach aus, doch das kümmerte Hermine kein bisschen. Ihr Blick wanderte durch die Reihen, auf der Suche nach einem ganz bestimmten Paar grauer Augen. Als sie ihn gefunden hatte, verhakten sich ihre Blicke, wie jedes mal und ein sanftes Lächeln huschte über seine Gesichtszüge. In Hermine löste dieses Lächeln einen Schwall an Hoffnung aus. Die Hoffnung, dass alles wieder gut werde würde, die Hoffnung, dass er ihr irgendwann verzeihen könnte. Die Hoffnung, dass ihre Liebe durch diesen Verrat ihrerseits nur gedämpft und nicht erloschen war.

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Dramione OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt