Am nächsten Tag hatte sich die Anzahl unserer Sicherheitskräfte vervielfacht. Marc und Mary wurden zusammen mit einem Haufen Anzüge in zwei, meiner Meinung nach eigentlich sehr auffälligen, schwarzen SUVs zum FBI gefahren, um ihre Aussage zu machen.
Ich tigerte den ganzen Tag im Haus herum. Meine Gedanken hatten sich in einer ungesunden Schleife festgehangen. Die ganze Zeit überlegte ich, wie man das Problem mit Billy lösen könnte. Aber eigentlich wusste ich, dass es keine Lösung gab. Wir konnten unsere Aussage nicht zurückziehen. So wie ich das sah, hatte das FBI uns in der Hand. Das bedeutete wiederum, dass wir in unserem Viertel vogelfrei waren, zum Abschuss freigegeben. Allerdings hatten die Hounds wahrscheinlich sowieso eine Belohnung auf uns ausgesetzt, zumindest auch mich. Grund genug dazu hatten sie jedenfalls.
Ich saß eine Weile neben Finn und sah zu, wie er mit lackierten Holzklötzchen spielte. Es waren nicht die alten aus unserem Zuhause, mit denen ich und Marc auch schon gespielt hatten. Irgendjemand, vielleicht das FBI, hatte neue besorgt. Die Farben stimmten nicht. Ich bildete mir ein, dass Finn das auch auffiel. Er hatte jedenfalls mehr Spaß daran, die Klötzchen durch das Wohnzimmer zu werfen, als sie zu einem Turm oder etwas ähnlichem aufzustapeln.
Um mich abzulenken, kochte ich gegen Mittag etwas. Ich durfte nicht selbst einkaufen gehen, wenn es nach Mai gegangen wäre, hätte ich noch nicht einmal aus dem Fester schauen dürfen. Aber schönerweise gab es keine finanzielle Budgetgrenze. Ich hatte noch nie etwas gekocht ohne diese Einschränkung.
Als ich die riesigen Burger auf den Tisch stellte, schienen Davids Augen fast aus dem Kopf zu quellen, so sehr riss er sie auf, nur um daraufhin im Alleingang zwei ganze Burger zu verschlingen. Nicht einmal Tyler schaffte zwei Burger und wir zogen David den ganzen Nachmittag über damit auf.
Vielleicht war es nur in meinem Kopf, aber ich hatte das Gefühl, dass die Spannung, der Druck, den ich spürte, sich bei meinen Geschwistern widerspiegelte. Wir konnten noch so viel lachen und rum albern, ein kleiner Teil unserer Gedanken war ständig bei Marc und Mary, die gerade beim FBI saßen und dasselbe durchmachen mussten wie ich am Tag zuvor.
Es fühlte sich an wie aufatmen, als gegen 6 Uhr abends mehrere Autos vor dem Haus hielten. Ich war nicht die Einzige, die bereits auf dieses Geräusch gewartet hatte und nicht einmal die Zweite an der Haustür.
Zwei schwarze SUVs standen vor unserem Haus, aus dem vorderen stieg Marc, aus dem hinteren Mary aus, zusammen mit jeweils zwei Sicherheitskräften. Ich wusste nicht, ob ich die Menge übertrieben oder vielleicht doch der Situation angemessen finden sollte.
Weder Marc noch Mary sahen besonders glücklich aus. Aber während Mary eher grau im Gesicht war und erschöpft wirkte, war Marc Gesicht vor Wut rot angelaufen und seine zu Fäusten geballten Hände zuckten immer wieder, als würde er ganz dringend auf irgendetwas einschlagen wollen.
Er lief an Lilly vorbei, die ihn umarmen wollte und ihm enttäuscht hinterher sah. Er wich Tyler aus, der ihn zwar nicht umarmen wollte, ihn aber zumindest mit einem Faustschlag begrüßen wollte. Die nächste, die im Weg stand, war ich.
„Hey Marc...", fing ich an. Er sah nicht einmal auf. „Hey!", ich streckte meine Hand aus und erwischte seinen Oberarm. Die Muskeln zuckten und meinen Fingern.
„Lass mich in Ruhe, Liz!", grollte Marc, immer noch ohne mich anzusehen, befreite seinen Arm mit einem Ruck und verschwand tiefer im Haus.
Beunruhigt wandte ich mich zu Mary um. Sie hatte Lily an die Hand genommen und stieg mit schweren Schritten die paar Stufen zur Haustür hoch.
„Hey", begrüßte ich sie mit sanfter Stimme und nahm sie in den Arm. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und ich konnte spüren, wie sie tief durchatmete.
Ich brachte sie in die Küche und machte uns einen Tee. Erst als das dampfende Getränk vor ihr stand, fragte ich sie.
„Was ist passiert?"
Sie zog ihre Tasse zu sich her. „Ich weiß es nicht. Wir wurden nicht zusammen befragt. Aber sie haben ihn viel länger drin gehabt als mich. Ich musste bestimmt drei Stunden oder so auf ihn warten..."
Meine Stirn hatte sich zu Falten verzogen während ihrer Antwort. „Also meinst du, es ist noch mehr als seine typische Abneigung gegenüber Bullen?"
Mary ließ sich Zeit mit der Antwort. Sie pustete über den Tee und nahm dann einen zögerlichen Schluck. „Ich bin mir nicht sicher. Es kann auch sein, dass einer der Agenten irgendetwas Dummes oder Provozierendes gesagt hat. Aber..."
„Aber?"
Sie zuckte mit den Schultern. „Na ja, er hat mich irgendwie komisch angesehen, als sie ihn endlich aus dem Raum rausgelassen haben. Ist vielleicht Schwachsinn, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, da wäre mehr..." Sie sah ich an. „Redest du mit ihm? Ich habe irgendwie fast ein bisschen Angst vor ihm, wenn er so drauf ist." Beinahe beschämt senkte sie wieder ihren Blick.
„Natürlich rede ich mit ihm...", sagte ich nur und verschwieg ihr, dass ich ebenfalls, vielleicht keine Angst verspürte, aber doch zumindest Vorsicht. Manchmal erinnerte Marc mich zu sehr an unseren Vater.
Als ich gegen seine Tür klopfte, spürte ich meine Anspannung bis in meine Knochen. Aus dem Zimmer kam kein einziger Laut.
„Marc, bist du da drin?", rief ich halblaut.
„Geh weg, Liz!", tönte es zurück. Marcs Stimme klang nicht direkt unfreundlich, doch es schwang eine eindeutige Warnung darin.
‚Er ist nicht dein Vater', wiederholte ich im Kopf wie ein Mantra, als ich vorsichtig die Türklinke runterdrückte.
„Ich komme jetzt rein, in Ordnung?", sagte ich vorsichtshalber.
Marc saß auf dem Boden, gegen das Bett gelehnt, den Kopf auf die Hände gelegt. Neben ihm lag ein aufgeschlitztes Kissen, der Inhalt überall im Zimmer verteilt. Langsam ging ich näher. Neben ihm angekommen kniete ich mich hin.
„Hey, was ist passiert?", fragte ich sanft, aber bestimmt. Endlich hob Marc den Kopf von den Händen und sah mich an. Sein Gesicht war rot, aber nicht feucht. In seinen Augen konnte ich die verschiedensten Emotionen lesen, unterdrückter Hass und rasende Wut. Aber ganz hinten und tief unten war noch mehr.
„Liz, du solltest gehen", sagte Marc, seine Stimme klang heiser, „du solltest mich nicht so sehen."
„Ich bin deine Schwester, ich bin nur ein paar Minuten jünger als du. Wenn ich jemand so sehen darf, dann ich", versuchte ich, ihn zu beruhigen. Ein paar Sekunden schwieg er, starrte mich an.
„Diese verfickten Pisser vom FBI!", fluchte Marc auf einmal los. Er sprang auf, tigerte durch den kleinen Raum.
„Was haben sie gemacht?", fragte ich, ebenfalls wieder stehend.
„Die denken sie sind etwas Besseres, in ihren verfluchten gläsernen Türmen. Keine Ahnung haben die! Scheißkerle!" schimpfte er weiter vor sich hin. Er nahm ein Wasserglas, dass auf dem Schreibtisch gestanden hatte und pfefferte es gegen die Wand. „Fuck!"
Das Glas zerschellte an der Wand, zersprang in zahlreiche kleine Splitter, die zusammen mit dem Rest Wasser auf dem Teppichboden landeten. Marc brach zusammen. Kauerte sich auf dem Boden zusammen, ließ einen Urschrei hören.
Innerhalb von Millisekunden war ich bei ihm. Er war nicht mein Vater, er hatte die Gewalt nicht gegen mich gerichtet, er litt. Ich schlang meinen Arm um seinen Rücken, zog ihn nah zu mir.
Leise murmelte ich beruhigende Geräusche, während wir langsam hin und her schaukelten. Nicht lange, dann schlang auch Marc seine Arme um mich und ein tiefes Schluchzen schüttelte unsere beiden Körper durch.
Hey Leute, tut mir sehr leid, dass so lange nichts neues mehr kam. Ich hoffe, dieses Kapitel kann euch darüber hinwegtrösten, dass sich das wahrscheinlich auch bis Dezember nicht ändert. Ich hoffe, es gefällt euch. Was glaubt ihr, was beim FBI passiert ist? :)
DU LIEST GERADE
Dark as midnight
Teen FictionFortsetzung von 'The Dark inside me'! Nachdem Liz den Anführer der Hounds of Hell erschossen hat, eine Gang, die ihr anstrengendes, aber geordnetes Leben zerstört und die Leben ihrer Geschwister bedroht hat, wird sie verhaftet. Beim Versuch, durch e...