Traitor

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Ich kam wieder zu mir, als ein Schwall kaltes Wasser mich durchnässte. Mein Kopf schnellte hoch. Überrumpelt schnappte ich nach Luft und blinzelte heftig. Eine Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut, und zwar nicht nur vor Kälte, sondern auch weil ich bemerkte, wo ich mich befand. Ich war in den Duschräumen, meine Arme waren mir über meinen Kopf hochgezogen worden, meine Handgelenke mit einem rauen Strick an einen Duschkopf gebunden. Schweratmend ruckte ich einmal heftig an dem Strick, doch er hielt. Tief in mir drin spürte ich Panik aufsteigen.

Ich war bis auf die Unterwäsche ausgezogen, vollständig durchnässt, verwirrt und noch halb betäubt und ich versuchte verzweifelt, etwas in den halb dunklen Duschräumen zu erkennen. Eine Gestalt kam auf mich zu, kaum mehr zu erkennen als eine Silhouette und doch kam mir dieser schleichende, elegante Gang bekannt vor.

Sie war bis auf einen Meter herangekommen, als ich sie erkannte. Ein verirrter Lichtstrahl traf ihr Gesicht und ich konnte ihr Lächeln sehen. Wobei Lächeln eigentlich das falsche Wort war, Haifischgrinsen traf es besser.

Karliene baute sich lässig vor mir auf und stemmte ihre Fäuste in die Seiten. „Na, wen haben wir denn hier?", gurrte sie mit unverhohlenem Amüsement in der Stimme. Ich ließ meinen Blick über ihre Schulter schweifen, um zu erkennen, ob sie allein war, und dort, im Hintergrund, konnte ich noch drei dunkle Gestalten ausmachen, unmöglich die Identität zu bestimmen, es war einfach zu dunkel.

Also konzentrierte ich mich wieder auf Karliene, die mich immer noch ungeniert musterte. „Ja, so gefällst du mir, kleine Schlampe". Ohne Vorwarnung traf mich ihre flache Hand im Gesicht. Sie hatte nicht hart zugeschlagen, aber doch so stark, dass die Haut anfing zu glühen.

„Was willst du, Karliene?", schaffte ich es, rauszubringen. Ich konnte mein Herz aufgeregt in meiner Brust pochen spüren und gleichzeitig kam ich nicht umhin, die Ironie dieser Situation zu erkennen. Schon wieder fand ich mich festgebunden wieder, bewegungsunfähig und auf Gedeih und Verderb einer Person ausgeliefert, von der ich annehmen konnte, dass sie mich schlimmstenfalls umbrachte. Ich war es so leid.

„Was ich will? Na ja, eine Villa in Beverly Hills kommt mir recht wünschenswert vor, aber das war es nicht, was du gemeint hattest, nicht wahr?", sie ließ ein falsches Lachen hören. „Ich habe heute einen Anruf mitbekommen, der mich, sagen wir mal, etwas beunruhigt hat..."

Meinerseits von dieser Information beunruhigt versuchte ich krampfhaft, mich zu erinnern, ob sie heute in der Telefonschlange gewesen war, als ich mit Mary oder meiner Anwältin gesprochen hatte. Nach einigen Sekunden fieberhaftem Überlegen gab ich auf, falls sie dort gewesen war, war sie mir nicht aufgefallen.

„Tatsächlich?", fragte ich und heuchelte Desinteresse.

„Allerdings", Karliene beugte sich näher zu mir und raunte: „In dem Anruf ging es um einen Deal, den jemand mit der Staatsanwaltschaft machen möchte, um eine Aussage, die jemand machen möchte..." Mühsam versuchte ich, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich ihre Worte aus der Fassung brachten. Ich hatte das Wort ‚Hounds' absichtlich kein einziges Mal benutzt, in der Paranoia, jemand könnte lauschen, die wohl auch gar nicht so übertrieben gewesen war.

„Ich weiß nicht, wovon du redest", versuchte ich ohne große Hoffnung, mich rauszureden. Karliene zeigte wieder ihre Zähne.

„Oh, ich bin mir sicher, du weißt ganz genau, worüber ich rede. Ich habe nämlich witzigerweise heute auch einen Anruf gemacht. Und jetzt rate, mit wem ich geredet hatte..."

Ich seufzte, ich hielt nur mühsam meine ungerührte Fassade aufrecht, doch momentan redeten wir nur, noch tat sie mir nicht weh. Diesen Status quo sollte ich so lange aufrecht erhalten, wie es nur irgendwie ging. Eine leise, hoffnungsvolle Stimme in meinem Inneren flüsterte mir zu, dass sie mich hier nicht ewig festhalten konnte, irgendwann würde es morgen werden.

„Karliene, woher soll ich wissen, mit wem du telefoniert hast?", fragte ich scheinbar genervt. Sie schnalzte mit der Zunge und verdrehte, falls ich das richtig erkennen konnte, ihre Augen.

„Mann, bist du langweilig. Also gut, ich verrate es dir. Ich habe mit meinem Bruder telefoniert. Ich glaube, du kennst ihn auch. Oder sagt dir der Name John Scott etwa nichts?" Panther! Der Schock traf mich unvorbereitet. Natürlich, das machte Sinn, das war es, was mir an ihr so bekannt vorgekommen war, nicht weil ich sie kannte, ich kannte ihren Bruder. Ihre Bewegungen hatten dieselbe gefährliche Eleganz wie seine. Ich gab mein Bestes, mir meine Reaktion nicht anmerken zu lassen, doch Karliene beobachtete mich genau. Ich sah ein triumphierendes Blitzen in ihren Augen und wusste, das ich verloren hatte.

„Du kennst ihn genau, hab ich nicht Recht?", es war eine rhetorische Frage und ich machte mir keine Mühe, zu antworten.

„Johnny hat mir etwas Interessantes erzählt. Sie hatten letztes Wochenende ziemlichen Stress, wo unter anderem drei Geschwister eine Rolle gespielt haben. Und du wirst nicht glauben, was jetzt kommt, eine der beiden Schwestern sitzt hier bei mir in diesem Gefängnis in Untersuchungshaft!", sie kicherte, doch dieses Kichern hatte nichts Fröhliches an sich. „Ich bin natürlich alle möglichen Personen durchgegangen und du warst die Einzige, bei der alles gepasst hat."

Ich hielt ihren durchdringenden Blick nicht mehr aus und senkte meinen Blick. Gottverdammt, steckte ich schon wieder tief in der Scheiße! Wie schaffte ich das nur immer?

„Why so serious?", fragte Karliene, nun mit aufgesetzter Fröhlichkeit in der Stimme. „Erschreckt dich die Tatsache, dass ich herausgefunden habe, dass du gegen die Hounds aussagen willst? War dir die Unmöglichkeit dieses Vorhabens nicht bewusst? Wie kamst du nur auf diese Idee?"

Es war klüger, nicht zu antworten, auch wenn mir das unglaublich schwer fiel. So starrte ich nur verbissen, aber stumm, vor mich hin.

„Aber wir können natürlich nicht zulassen, dass du unsere Familie verrätst", Karliene schien zu einem Ende ihres Vortrags zu kommen. Ich sah auf und das süffisante Grinsen auf ihrem Gesicht ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.

„Mädels", rief Karliene in Befehlston und hinter in bewegten sich weitere Personen, drei Frauen (ich hatte richtig geschätzt), dieselben die neulich im Speiseraum bei ihr gewesen waren, traten hinter sie. Die zu ihrer Linken reichte ihr einen Gegenstand, der sich bei genauerem Hinsehen als eine lange, spitze Glasscherbe herausstellte. Ich keuchte auf.

„Nein, nein, das ist nicht nötig, wirklich nicht!", stotterte ich, mehr als bestürzt über die Plötzlichkeit ihrer Handlungen.

Karliene lächelte immer noch süffisant. „Verräter leben nicht lange."

Dark as midnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt