Put the knife away - Lesenacht

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Mit geweiteten Augen blickte Elly Ryan an. „Du hast sie gefoltert, obwohl sie deine Freundin war? Bist du wahnsinnig?", hauchte sie. Er schloss die Augen einen Moment, als könne er ihren brennenden Blick nicht ertragen.

„Danach hat er mich verraten", schob ich erbarmungslos hinterher. Elly keuchte auf.

„Ich dachte, er wäre nur ein kleiner Dealer. Ich wusste nicht, dass...", sie sah mich an. „Liz, ich wusste nicht, dass er dir das angetan hat..."

„Liz ist aber auch nicht gerade die Unschuld in Person", meldete sich Ryan nun wieder zu Wort. Wütend sah ich zu ihm, jeglicher Ausdruck war aus seinem Gesicht gewichen. Nachdem er so viel Verletzlichkeit gezeigt hatte, war seine Offenheit wieder der kalten Maske gewichen. „Hast du Elly erzählt, was du danach gemacht hast? Dass du meinen Vater erschossen hast?"

Elly schnappte nach Luft. Schnell drehte ich meinen Kopf wieder zu ihr. Sie sah aus, als wäre ihr speiübel. „Du hast seinen Vater erschossen? Was geht denn bei euch schief?", flüsterte sie.

„Weißt du außerdem, wer mein Vater war?", legte Ryan nach, „er war so ganz nebenbei der Anführer der Hounds, Noahs älterer Bruder!" Das war der größte Hammer, den Elly bis jetzt verdauen musste. Ihre Atmung beschleunigte sich, sie fing fast schon an, zu hyperventilieren. Geschockt stolperte sie einige Schritte zurück.

„Du hast die Nummer Eins der Hounds erschossen? Ihr seid beide wahnsinnig!" Ihr Stimme war tonlos.

„Elly, bitte, beruhige dich", meine Stimme zitterte. Ihr brauchte sie, ich konnte mit Ryan nicht alleine fertig werden. Außerdem wollte ich nicht, dass sie mich für wahnsinnig hielt. „Ich habe dir davon erzählt, erinnerst du dich? Gut, ich habe weggelassen, wen ich erschossen habe, aber ich habe gesagt, dass es Notwehr war und das war nicht gelogen", redete ich auf sie ein. „Mr. Parker hatte seine Waffe an der Schläfe meiner Schwester, als ich ihn erschossen habe! Er hätte sie umgebracht, wenn ich nicht ihn umgebracht hätte." Endlich blieb Elly stehen und sah mich an. Ihre Augen waren immer noch schreckgeweitet.

„Scheiße, du steckt bis zum Hals in der Scheiße", keuchte sie und ich war mir sicher, spätestens jetzt bereute sie, mich in ihre Wohnung gelassen zu haben.

„Ich... ja", gab ich notgedrungen zu. „Aber Elly, kannst du mir helfen? Wir dürfen Ryan nicht weglassen. Er wird sofort zu den Hounds gehen und mich wieder verraten. Und dann bin ich tot", bittend sah ich sie an.

„Ich werde dich nicht verraten" Ryans Stimme klang rau. Seine kalte Maske hatte sich aufgelöst, zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet. Das tiefe Eis in seinen Augen schien zu schmelzen. „Nie wieder."

Pures Misstrauen erfüllte mich, er hatte mein Messer an der Kehle, er würde alles sagen, um aus dieser Situation wieder herauszukommen. Elly schnaubte leise. Sie hatte ihre Arme verschränkt und starrte Ryan mit demselben Misstrauen in den Augen an.

„Also gut, ich helfe dir", wandte sie sich schließlich an mich, „was brauchst du?" Ein riesiger Stein fiel mir vom Herzen.

„Irgendetwas um ihn zu fesseln wäre gut."

„Liz, bitte, das ist nicht nötig."

„Halt die Klappe", fuhr ich Ryan an. Er seufzte, schwieg aber. Elly überlegte kurz, nickte dann und verschwand in einem Zimmer. Als sie wenige Sekunden später wiederkam, hatte sie ein Paar Handschellen dabei.

„Ist aus dem Sexspielzeugfundus meiner Schwester", erklärte sie auf meinen erstaunten Blick hin.

Ryan wehrte sich nicht, als sich die Handschellen klickend um seine Handgelenke schlossen. Erleichtert atmete ich auf und entspannt mich zumindest ein wenig. Zögerlich ließ ich das Messer etwas sinken.

„Und jetzt?", fragte Elly mich. Etwas ratlos blickte ich Ryan an.

„Erstmal in die Küche?", schlug ich vor. Obwohl es mir widerstrebte ihn anzufassen, packte ich Ryan so grob es ging am Arm und zerrte ihn in die Küche. Dabei kam ich nicht umhin, seinen gut bemuskelten Arm unter seiner Jacke zu bemerken. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob er mich nicht jeden Moment hätte überwältigen können, wenn er gewollt hätte. Kurz überprüfte ich, dass die Handschellen fest genug saßen, dann stieß ich Ryan auf einen Stuhl.

Abwartend sah er zu mir hoch. Ich fuhr mir überfordert mit der Hand durch die Haare. Elly war mir in die Küche gefolgt.

„Was machen wir jetzt mit ihm?"

„Scheiße, keine Ahnung. Verdammt, ich wollte doch nur meinen Bruder finden", brach es aus mir heraus.

„Deinen Bruder?", fragte Elly nach.

„Marc", antwortete ich niedergeschlagen, „er ist in der Nacht auf Gestern verschwunden. Aber ich habe keine Ahnung, wo er stecken könnte und jetzt ist auch noch er wieder aufgetaucht." Ich deutete auf Ryan.

Elly ließ einen mitleidigen Laut hören. „Echt mist, das ausgerechnet er meinen alten Dealer ersetzt hat. Wäre der bloß nicht erschossen worden. Armer Jimmy..." Ich horchte auf.

„Jimmy?", fragte ich nach.

„Ja, Jimmy hieß mein alter Dealer, wieso?", Elly sah mich irritiert an. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Wie häufig kam der Name Jimmy vor? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass der Jimmy, der Elly ihr Zeug gebracht hatte, derselbe war wie der Jimmy, mit dem Marc zusammen gewohnt hatte?

„Warst du auch mal bei ihm? Bei Jimmy?", fragte ich weiter.

„Ja, schon, er hat mit so einem sehr gut aussehenden Typen zusammen gewohnt, der war aber nicht so oft da. Aber warum denn? Was ist los?", fragte Elly, immer noch deutlich verwirrt.

„Mein Bruder hat mit einem Jimmy zusammen gewohnt. Meinst du, du würdest den Mitbewohner von Jimmy wiedererkennen?", erklärte ich.

Elly überlegte kurz. „Ja, ich glaube schon."

Schnell holte ich ein Handy aus meiner Tasche und suchte ein Bild von Marc. Ich nahm das erstbeste, das ich sah. Ich hatte es noch in unserer Wohnung gemacht, Marc hatte mit Schürze am Herd gestanden und ich hatte diesen Moment einfach festhalten müssen.

Ich zeigte Elly das Bild und nach einem kurzen Moment nickte sie. „Jup, das ist der Mitbewohner von meinem Jimmy. Ich habe ihn aber noch nie in Schürze gesehen..." Sie sah mich an. „Meinst du, er ist in ihrer Wohnung?"

„Ich weiß es nicht", erwiderte ich. Aber endlich hatte ich etwas, einen Hinweis, an den ich mich klammern konnte, wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm.


So, das war auch schon der letzte Teil für heute. Was haltet ihr von den Entwicklungen? Ich hoffe, es hat euch gefallen, mir hat es jedenfalls sehr viel Spaß gemacht. Bleibt weiterhin gesund und zuhause, wir überstehen das :D

Dark as midnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt