Left hand free - Lesenacht

3.3K 150 39
                                    

Eine Weile lang fühlte es sich fast normal an, wie wir da zu zweit auf dem Sofa saßen und quatschten und Elly immer wieder Witze riss. Ich erfuhr ganz andere Aspekte aus ihrem Leben, als sie im Dirty Love von sich preisgegeben hatte. Im Dirty Love hatte sie nie von ihrer Familie geredet. Jetzt erfuhr ich, dass sie nicht nur eine ältere Schwester hatte, sondern auch noch einen Bruder, der letzten Sommer zum Militär gegangen war. Über ihre Eltern redete sie nicht viel, doch das bisschen was sie durchsickern lies, klang nach einer ähnlich dysfunktionalen Familie wie meiner, mit einem gleichgültigen Vater und einer kontrollsüchtigen Mutter.

„Wo ist deine Schwester eigentlich gerade?", fragte ich irgendwann.

Elly zuckte mit ihren Schultern. „Vermutlich bei ihrem Lover oder bei ihrem Sugar Daddy." Ich machte große Augen. Elly grinste schief. „Sie hat es drauf..."

„Machst du dir keine Sorgen um sie, wenn du nicht weißt, wo sie ist?"

„Nee, sie kann ganz gut auf sich aufpassen. Und die beiden behandeln sie auch gut, jedenfalls nach dem was sie so erzählt..." Ich nickte, während ich noch versuchte, das zu verarbeiten.

„Wissen die eigentlich voneinander? Der Lover und der Sugar Daddy?"

Elly lachte auf. „Um Himmels willen, nein! Aber sie ist auch sehr geschickt darin, dass die beiden nicht voneinander erfahren werden."

Wir redeten noch etwas über die möglichen Vorteile und Nachteile von Sugar Daddys und warum und unter welchen Umständen wir uns sowas eventuell oder gar nicht vorstellen konnten. Irgendwann bekamen wir Hunger und weil ich mich bei Elly nicht so sehr schämte, zuzugeben, dass ich gerade nur sehr wenig Geld hatten, filzten wir einfach den Kühlschrank und setzen Nudeln auf.

Ich blickte endlich mal wieder auf mein Handy und sah erschrocken, dass ich mehrere Nachrichten von Mary hatte.

Hey, wie geht's dir?

Liz?

Geht's dir gut?

Liz, melde dich! Ich geh gleich zu Mai!

Die letzte Nachricht war vor vier Minuten gesendet worden. Jetzt war es kurz vor sieben. Mit fliegenden Fingern fing ich an, zu tippen.

Geh nicht zu Mai!

Mir geht es gut, habe etwas zum schlafen gefunden, mach dir keine Sorgen 😊

Wie geht es euch?

Ein riesiger Stein fiel mir vom Herz, als Mary innerhalb weniger Sekunden antwortete.

Gott sei Dank! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!

Schuldbewusst antwortete ich ihr: Tut mir leid, ich habe die Zeit vergessen, ich schreib dir später nochmal.

Dann steckte ich mein Handy weg, ich wollte nicht unhöflich sein, wo Elly doch so lieb zu mir war und mich ohne große Nachfragen bei sich aufgenommen hatte.

Auch Elly hatte ihr Handy gecheckt. „Du, mein Dealer würde gleich kommen, stört dich doch nicht, oder?" Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste zwar nicht, wie ich gleich mit ihrem Dealer umgehen sollte, doch ich wollte nicht spießig wirken.

Ich war gerade dabei, die Zwiebeln für die Tomatensauce klein zu schneiden, als es klingelte. Elly ging zur Gegensprechanlage und öffnete dann die Wohnungstür einen Spalt.

„Zum Glück hatte er noch Zeit, heute vorbei zu kommen. Ich muss nachher noch arbeiten und ich weiß nicht, wie ich das ohne neuen Stoff hätte durchhalten sollen", meinte sie zu mir und ich verzog meinen Mund zu einem mitfühlenden Lächeln. Wenig später hörten wir Schritte auf der Treppe und Elly zog die Wohnungstür ganz auf.

„Hey, komm rein."

„Danke, was für ein Sauwetter...", antwortete eine Stimme und ich hätte fast das Messer fallen lassen vor Schreck.

Ich kannte diese Stimme! Ich kannte sie nur zu gut.

Im ersten Moment verfiel ich in eine Art Schockstarre. Ich konnte mich nicht bewegen, nur stumm und erfüllt von Schrecken vor mich hinstarren. Dann übernahm mein Instinkt.

Meine Hand packte das Messer fester. Die Wohnungstür fiel ins Schloss. Mein Stichwort. Wie ein Wirbelwind aus Zorn schoss ich in den kleinen Flur, stieß Elly beiseite und nagelte Ryan mit meinem Schwung an die Wand. Sofort setzte ich das Messer an seine Kehle.

„Beweg dich und ich schlitz dich auf wie einen Sandsack!", zischte ich ihn an. Er zuckte einmal zusammen, wollte die Hände heben, wohl unbewusst eine Abwehrhaltung einnehmen, doch der Druck des Messers gegen seinen weichen Hals ließ seine Hände wieder sinken. In seinem Gesicht wandelte sich Schock zu Erkennen zu Schrecken. Seine eisblauen Augen waren weit aufgerissen.

Elly schrie mich von der Seite an. Ihre Worte drangen erst nach einem Moment zu mir durch. „Scheiße, Liz, was machst du da? Das ist nur mein Dealer! Hör auf damit!" Die Panik ließ ihre Stimme schrill werden.

„Er gehört zu den Hounds", knurrte ich, „er hat mich gefoltert."

„Liz", hauchte Ryan. Ich verstärkte den Druck des Messers und er verstummte.

„Was redest du denn da?", kreischte Elly.

Ich hätte sie gern angeschaut, sie beruhigt, aber ich wagte es nicht, Ryan aus den Augen zu lassen. „Elly, ich sage nur die Wahrheit", sagte ich, so eindringlich ich konnte, „die Hounds haben mich mitgenommen vor einigen Wochen und er hat mich für sie gefoltert!"

„Hörst du dir überhaupt zu? Das klingt total schwachsinnig! Lass ihn los, verdammt nochmal!", zeterte sie weiterhin aufgebracht und versuchte, meinen Arm zu packen, um mich zurückzuhalten.

„Elly, lass das!", wurde auch ich laut. Obwohl ich wusste, dass das riskant war, wandte ich für einen kurzen Moment meinen Blick von Ryan ab und hob den geliehenen Hoodie an. „Siehst du die Brandnarbe über meinen Rippen? Das war er. Er hat eine brennende Zigarette an meiner Haut ausgedrückt, weil ich ihm nicht gesagt habe, was er wissen wollte!"

Schlagartig verstummte Elly und wich zurück. Schnell blickte ich wieder zu Ryan. Er hatte sich nicht bewegt, doch seine Augenbrauen waren kummervoll zusammengezogen, in seine Augen hatte sich so etwas wie Bedauern geschlichen. Wütend biss ich die Zähne zusammen.

„Was?", hauchte Elly nun. „Du hast sie wirklich gefoltert?", fragte sie nun an Ryan gewandt, ungläubig und mit tiefem Entsetzen. Sein Blick war Antwort genug. Trotzdem ließ er den Kopf ein winziges Stück sinken, die Andeutung eines Nickens.

„Ach du Scheiße!", fluchte Elly lauthals und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Dann schien ihr etwas einzufallen, ihre gerunzelte Stirn glättete sich. „Warte mal, aber hattet ihr beide nicht mal was miteinander?"

Fast hätte ich mir auf die Zunge gebissen. „Doch...", brachte ich heraus.


Tja, tut mir leid an alle die auf Panther gehofft hatten, ich hoffe, es gefällt euch trotzdem ;)

Kurz noch eine Warnung weil in diesem Kapitel recht locker über harte Drogen geredet wird und ich nicht weiß, wie alt ihr seid und mir nicht vorwerfen lassen möchte, mit dem Thema leichtsinnig umzugehen. Kokain ist eine harte, illegale Droge, bitte informiert euch, bevor ihr irgendwelchen Scheiß nehmt, zum beispiel hier https://www.drugcom.de/drogen/ oder hier https://mindzone.info/drogen/

Dark as midnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt