Interrogation

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Das Blut rauschte in meinen Ohren. Wie erstarrt blickte ich auf die drei Bilder vor mir und ich hatte das Gefühl, die beiden Polizisten vor mir konnten in meinem Gesicht lesen wie in einem Buch. Sie hatten den hellen Teppich fotografiert, immerhin hatten sie gewartet, bis die Sanitäter Mary rausgebracht hatten. Der flauschige, cremefarbene Teppich war ruiniert, besprenkelt von rotem Blut, das große Flecken bildete. Marys Blut...

Auf dem rechten Bild war das schwarz umrandete Loch abgebildet, die Stelle, wo sich zuvor die Haustür befunden hatte, bevor die Hounds sie in die Luft gesprengt hatten. Unwillkürlich wollte ich mir an die Brust fassen, als würde ich die Druckwelle, die uns nach hinten geschleudert hatte, erneut spüren.

Doch es war das mittlere Bild, das mich erst richtig aus der Fassung brachte. Sie hatten die Leiche von Mr. Parker fotografiert. Von leicht schräg oben und einem Abstand, dass man sowohl gut sein Gesicht, als auch die klaffende Wunde in seiner Brust sehen konnte. Meine Nasenflügel blähten sich, als ich verzweifelt versuchte, einzuatmen. Meine Kehle schnürte sich zusammen, meine Lungenflügel weiteten sich, aber ich bekam einfach keine Luft. Mr. Parkers blaue Augen starrten mich an. Sie waren gebrochen, es war kein Leben mehr in ihnen, doch sie waren trotzdem noch so blau, wie Eis. Meine Hände krampften sich unkontrolliert zusammen, als es mich überrollte. Ich erinnerte mich an das Gewicht der Waffe in meiner Hand, das schwarze Glänzen der Waffe, so unheilbringend, so tödlich, ich erinnerte mich an den Staub und den Rauch in dem Haus, ich schmeckte den Geschmack der Furcht auf meiner Zunge und plötzlich saß ich nicht mehr auf dem Stuhl auf dem Polizeirevier, plötzlich kniete ich wieder hinter dem Sofa, zielte auf Ryans Vater, der im Begriff war meine Schwester umzubringen. Ich schrie, Mary fiel, ich schoss.

Ich fand mich hinter dem Stuhl stehend wieder, meine beiden blutbefleckten Hände umklammerten die Lehne aus Aluminium und ich starrte die beiden Männer vor mir mit aufgerissenen Augen an. Meine Knie zitterten und ich fühlte mich, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Ich blinzelte mehrmals schnell hintereinander, was den jungen Polizisten veranlasste, aufzuspringen und einen unsicheren Schritt in meine Richtung zu machen. Glaubte er, ich würde ohnmächtig werden oder wollte er mich davon abhalten, aus dem Raum zu fliehen?

Ein wenig frische Luft wäre aber vielleicht tatsächlich ganz gut. Möglicherweise konnte es helfen, damit ich mich wieder wie ich fühlte. Ich blickte auf meine Hände herab und versuchte, sie von der Stuhllehne zu lösen. Im ersten Moment bewegten sie sich kein Stück und ein Anflug von Panik wallte in mir hoch, doch dann zuckte mein linker Daumen und es ging auf einmal ganz einfach.

Der junge Polizist setzte sich wieder hin. Ich rieb mir verlegen mit dem Daumen über einen Flecken getrockneten Blutes auf dem Handrücken meiner rechten Hand. „Könnte ich...", wollte ich fragen, doch es kam nur ein hohes Flüstern heraus. Ich räusperte mich schnell, spürte aber, wie mein Kopf rot wurde. „Könnte ich vielleicht kurz auf die Toilette?", fragte ich dann, immer noch recht leise, aber dafür mit etwas festerer Stimme. „Ich würde mir gerne die Hände waschen..."

Der junge Polizist – wie hieß er nochmal? – blickte fragend zu seinem älteren Partner. Der hatte mich die ganze Zeit mit unbewegter Miene beobachtet. Nun schüttelte er den Kopf.

„Wären Sie so gut, sich wieder zu setzen und sich kurz zu konzentrieren?", fragte er mich höflich, aber unnachgiebig, „danach können Sie gerne die Toilette aufsuchen."

Ich schluckte trocken. Immer noch recht aufgewühlt setzte ich mich wieder hin, vermied es dabei aber möglichst, die Bilder anzuschauen. Stattdessen blickte ich auf meine Hände, die in meinem Schoß ruhten. Das schien dem älteren Polizisten, Miller, jedoch nicht zu gefallen und er räusperte sich so lange, bis ich ihn ansah.

„Ich sehe, dass die Bilder Sie etwas aufregen. Versuchen wir es doch mit einer ganz einfachen Frage zu Beginn." Seine Stimme klang ruhig, doch irgendwie traute ich der Ruhe nicht so ganz. Ich nickte leicht, weil er mich erwartungsvoll ansah.

„Was haben sie in dem Haus gemacht?", fragte Miller. Ich überlegte. War das etwas, womit ich mich belastete? Es war nicht mein Haus gewesen und ich kannte den Eigentümer nicht. War das dann automatisch Hausfriedensbruch? Ich wusste es nicht. Beklommen schwieg ich. Ein Ausdruck von Verärgerung huschte über Millers Gesicht, nur für den Bruchteil einer Sekunde. Es hatte sich so schnell wieder im Griff, dass ich mir nicht sicher war, ob es wirklich da gewesen war oder ob ich es mir nur eingebildet hatte. Miller beugte sich leicht nach vorn, was mich dazu brachte, mich automatisch um die gleiche Strecke nach hinten zu lehnen.

„Ihnen ist klar, dass Sie in Schwierigkeiten stecken, nicht wahr?", fragte er lauernd. Unwillkürlich nickte ich. Im nächsten Moment schlug Miller mit seiner flachen Hand auf den Tisch. Ich zuckte zusammen und wäre fast schon wieder aufgesprungen.

„Verdammt, Mädchen, Sie haben jemanden umgebracht. Das haben sie noch am Tatort zugegeben. Sie sollten uns nicht anschweigen, sondern unsere Fragen beantworten, damit wir entscheiden, ob wir Sie wegen Mordes anklagen!", seine Stimme war laut geworden. Eingeschüchtert zog ich die Schulten bis zu meinen Ohren hoch.

„Bekomme ich keinen Anwalt?", fragte ich leise. Durften sie mich befragen, wenn ich keinen Anwalt dabei hatte, wenn sie mich wegen Mordes anklagen wollten? Miller seufzte.

„Okay, machen wir einen Deal", sagte er, nun wieder ruhig, „du erzählst uns, was passiert ist, wir zeichnen nichts auf und wenn wir beschließen, dich anzuklagen, bekommst du einen Anwalt." Ich runzelte die Stirn. Funktionierte das so? Weil ich es nicht besser wusste, zuckte ich schließlich mit den Schultern und nickte. Miller machte ein Zeichen in Richtung der Kamera, die in der oberen rechten Ecke des Verhörraums hing und die ich erst jetzt bemerkte. Im nächsten Moment erlosch die kleine rote Kontrollleuchte an der Kamera.

„Also, wie bist du in das Haus gekommen und was ist dann alles passiert?", fragte mich Miller. Ich biss mir auf die Unterlippe, dann begann ich zu erzählen.

Dark as midnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt