Shadows of the past

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Etwa eine Woche nachdem auch Mary zu uns ins Safe House gekommen war, rief Agent Bushner an. Wir sollten demnächst unsere offizielle Aussage machen, noch nicht vor Gericht, nur im Rahmen des FBI, alles ganz entspannt. Trotzdem bekam ich Bauchweh. Mary, Marc und ich sollten einzeln und nacheinander zum FBI gefahren werden, ich bereits am nächsten Tag, Marc und Mary am Tag darauf.

In dieser Nacht konnte ich besonders schlecht schlafen. Unruhig wälzte ich mich von einer Seite auf die andere, meine Gedanken kreisten in meinem Kopf. Ich fragte mich, wie das am nächsten Tag ablaufen würde, ob Bushner und McMahon mir die Fragen stellen würden, ob alles aufgezeichnet werden würde. Immer wieder schlief ich für einige Minuten ein, nur um von einem Verhör zu träumen, an dessen Ende ich wieder in den Knast gesteckt wurde, weil ich nichts Wichtiges gewusst hatte, und wieder aus dem Schlaf hochzuschrecken. Ein anderer wiederkehrender Traum in dieser Nacht war, dass die Hounds unser Safe House stürmten. Als ich das erste Mal in der Nacht aus dem Traum hochschreckte, lag ich ganz still im Bett, kaum fähig zu einer Bewegung, der festen Überzeugung im dunklen Zimmer hinter mir stünde ein Hound, der mich, sobald ich mich bewegte, töten würde. Ich wusste nicht genau, wie lange ich dort lag, bis ich mich langsam, ganz langsam, traute, mich auf den Rücken zu rollen, den Kopf vorsichtig zu Seite zu drehen und erleichtert aufzuatmen, als ich erkannte, dass mein Zimmer leer war.

Gegen sechs Uhr morgens gab ich auf, stand auf und stellte mich unter eine heiße, wohltuende Dusche. Als ich mir danach mit noch feuchten Haaren ein Brot mit Marmelade beschmierte, war ich die erste und einzige in der Küche. Einerseits genoss ich die Stille und dass ich mal für mich allein war, andererseits konnte mich so auch niemand von meinen düsteren Gedanken ablenken. Ich aß mein Brot zu Hälfte, dann legte ich es wegen mangelnden Appetits wieder auf den Teller und spielte stattdessen mit meinem Handy rum. Es war noch dasselbe, wie vor dieser gewissen Reihe betrüblicher Ereignisse, was bedeutete, dass mein gesamter Chatverlauf mit Ryan noch drauf war. Ich wusste nicht, was mich dazu bewegte, als ich den Chatverlauf öffnete. Die letzte Nachricht war von mir an ihn gewesen, an dem Freitagvormittag, als er schon wieder nicht in die Schule gekommen war und ich am frühen Abend von den Hounds aus der Wohnung geschleift worden war.

Warum bist du schon wieder nicht in der Schule? hatte ich geschrieben. Inzwischen wusste ich, warum er nicht dort gewesen war. Er hatte zusammen mit den anderen Hounds nach Marc gesucht und nach den 10 Kilo Koks, die verschwunden waren. Nebenbei fragte ich mich, ob sie das Koks inzwischen eigentlich gefunden hatten, aber eigentlich war es mir egal. Ich scrollte hoch, zu Zeiten, die zwar nicht gut aber immerhin besser gewesen waren und stieß auf ein Bild, das Ryan mir geschickt hatte. Wir hatten einen Ausflug gemacht, zum Kunstmuseum und hatten uns die alten Künstler angeschaut. Das Bild war vor der beeindruckenden Fassade des Museums aufgenommen worden, Ryan hatte einen Passanten gefragt. Es war irgendwann im Januar oder Februar gewesen und man sah mir deutlich an, wie verfroren ich gewesen war. Ryan hatte seinen Arm um mich gelegt und obwohl wir eigentlich zur Kamera hatten schauen sollten, war sein Blick auf mich gerichtet und ein zartes Lächeln umspielte seinen Mund.

Unwillkürlich traten mir Tränen in die Augen, als ich jetzt das Bild betrachtete. Scheiße, es war echt eine gute Beziehung gewesen, jedenfalls soweit ich das bei meinen geringen Erfahrungen beurteilen konnte. Wie hatte das alles so schnell so kaputt gehen können? Ich wischte mir einmal verärgert über meine Nase und drängte die unwillkommenen Tränen zurück. Ryan hatte mich verraten und heute würde ich ihn verraten. Obwohl es vermutlich nur fair war, fühlte ich mich mies deswegen.

Plötzlich ploppte unterhalb von Ryans Namen ein online auf. Als wäre ich bei etwas Verbotenem ertappt worden, zuckte ich zusammen und tippte dann fieberhaft auf die ‚Zurück'-Taste. Als ich meinen Hauptbildschirm wiedersah, atmete ich erleichtert auf.

„Was machst du denn da?", hörte ich plötzlich jemanden fragen und blickte auf. Marc stand in der Tür, das Gesicht zu einem irritierten Ausdruck verzogen. Ich schüttelte den Kopf.

„Ist egal." Mit einem Blick zur Uhr fügte ich hinzu, „wieso bist du denn schon so früh wach?"

Er zuckte mit den Schultern, kam zu mir und setzte sich neben mich. „Ich dachte, vielleicht hättest du beim Frühstück gern ein bisschen Gesellschaft." Sein Blick fiel auf das kümmerliche halbe Marmeladenbrot. „Keinen Hunger?"

Ich schüttelte den Kopf. „Kein bisschen. Ich glaube, ich bin zu nervös."

Marc sah mich verständnisvoll an. „Das wird schon irgendwie. Ich meine, ist ja nicht so, als ob wir die gefährlichste, größte kriminelle Organisation Philadelphias an das FBI verraten würden."

„Wer ist denn die Größte?", fragte ich beunruhigt. Marc rollte mit den Augen.

„Liz, das war Ironie. Ich kenn zumindest niemanden, der mächtiger ist." Meine Schultern sanken nach unten.

„Scheiße", fluchte ich leise, aber dennoch inbrünstig. „Du bist ja mal so gar keine Hilfe." Gespielt vorwurfsvoll sah ich ihn an. Er hob beschwichtigend die Hände, doch seine Mundwinkel zuckten.

„Ich habe nie behauptet, hilfreich zu sein."

Mit einem Stöhnen ließ ich meinen Kopf in meine Hände sinken. „Hilfe, ich habe einen Idioten als Bruder." Als würde es mir in diesem Moment einfallen, hob ich den Kopf wieder von den Händen und sah Marc an: „Gibt es dafür eigentlich Selbsthilfegruppen oder muss ich erst eine gründen?"

Er schlug sanft nach mir und ich wich mit Leichtigkeit aus. Meine Augen verengten sich leicht, als ich ihn betrachtete. Wenn wir so zusammen rumalberten, fühlte es sich fast wieder so an, wie es früher gewesen war, konnte ich die zwei letzten Jahre und besonders die letzten Monate fast vergessen.

Unsere Zweisamkeit wurde von Mai unterbrochen, die in die Küche kam, ohne ein Wort die Kaffeemaschine anstellte und sich dann erst umdrehte und uns ansah.

„Na, bereit?", fragte sie mich und zog eine Augenbraue nach oben. Ich zuckte etwas hilflos mit den Schulten, was Mai allerdings auch nicht weiter zu tangieren schien.

„In einer Viertelstunde geht es los", meinte sie nur. Erneut verunsichert blickte ich Marc an, während ich unter dem Tisch meine Hände zu Fäusten ballte, damit sie nicht anfangen konnten, zu zittern.


Hey Leute, habs heute doch noch geschafft, nen Kapitel zu schreiben. Ich hoffe, es gefällt euch. Voten und kommentieren nicht vergessen ;)

Dark as midnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt