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"Nein, ich werde kein Interview geben! Wieso zum Henker will jeder mit mir über dieses blöde Video sprechen?", fuhr ich die Pressefrau des Vereins an, die zwar nichts dafür konnte, dass sie mir diese Nachricht von der BILD übermitteln musste, der ich in diesem Moment aber am liebsten durch den Hörer hindurch den Hals umgedreht hätte. "Nochmal zum Mitschreiben: Es ist mir scheißegal, welcher Nachrichtensender oder welches Klatschmagain mich interviewen will. Ich werde mich zu dem Video und der ganzen Sache generell nicht äußern. Basta!" "Verstanden", erklang die eingeschüchterte Stimme am Telefon, bevor die Frau sich verabschiedete und auflegte. Ich seufzte genervt und schaute wieder auf mein Handy, wo in diesem Moment schon wieder eine WhatsApp auftauchte. Ich wischte sie sofort weg, öffnete aber trotzdem die App und ging zum ersten Mal heute auf den Chat mit Julian. Er hatte mir nichts zu dem Video geschrieben, sondern sich entschuldigt und das immer wieder. Ich spürte, wie meine Wut auf ihn mit jedem seiner Worte dahinschmolz. Schließlich kam ich zur letzten Nachricht:

"Es tut mir wirklich so unglaublich Leid, dass ich so ein Arschloch war😔 Du hast was besseres verdient, als meine schlechte Laune, Muffin. Bitte verzeih mir! Ich liebe dich♥️"

Ich lächelte ein wenig, dann schrieb ich ihm eine Antwort:

"Ich komme in einer halben Stunde nach Hause. Bist du da?"

Danach schloss ich WhatsApp wieder und steckte mein Handy in meine Hosentasche. Suchend lief ich durchs Haus und fand im Wohnzimmer schließlich, wonach ich suchte. Laura war zwar mittlerweile bei der Arbeit, aber Sven saß auf der Couch und Lennard krabbelte auf seiner Spieldecke herum. Mit einem vernehmlichen Räuspern machte ich auf mich aufmerksam und sofort schaute mein Bruder zu mir. Ein liebevolles Lächeln erschien auf seinen Lippen. "Hey Em. Gehts dir besser?" Ich nickte und setzte mich neben ihn. "Julian hat mir geschrieben und sich entschuldigt, deshalb fahre ich gleich nach Hause, damit wir nochmal reden können." "Du weißt, dass du auch jederzeit mit mir reden kannst, oder? Wenn irgendwas ist, kannst du immer zu mir kommen und ich hab jederzeit ein offenes Ohr für dich." Ich lächelte schwach und nickte. "Ja, das weiß ich. Danke." Ich drückte meinem Bruder einen Kuss auf die Wange, dann erhob ich mich und kniete mich neben Lennard, um mich auch noch von ihm zu verabschieden. Anschließend umarmte ich Sven nochmal, dann verließ ich das Haus, stieg in mein Auto und startete den Motor. Ich war mir nicht sicher, ob ich auf das Gespräch mit Julian mental vorbereitet war.

"Hi." "Hey, du bist wieder da. Ich hab mir total die Sorgen gemacht gestern Abend, aber Sven hat mir dann geschrieben, dass du bei ihnen bist und nicht irgendwo draußen in der Kälte." Ich nickte leicht und streifte mir die Schuhe von den Füßen, dann zog ich meine Jacke aus und hängte sie an den Haken. Julian folgte mir ins Wohnzimmer, wo ich mich aufs Sofa setzte, was der Blonde mir gleichtat. Vorsichtig griff er nach meiner Hand und sah mich verlegen an. "Es tut mir echt Leid, dass ich gestern so scheiße zu dir war. Ich war einfach schlecht gelaunt wegen der ganzen Sache mit meinem Fuß und dass die Mannschaft am Samstag so scheiße gespielt hat und ich weiß, dass das absolut nicht entschuldigt, wie ich mich dir gegenüber verhalten habe. Ich hoffe du kannst mir nochmal verzeihen und wenn du noch willst, dann hätte ich jetzt ein offenes Ohr für dich. Wenn ich mich richtig erinnere wolltest du mir gestern Abend eigentlich was erzählen." Er schenkte mir sein wunderschönes Lächeln mit dem Hundeblick, dem ich einfach nicht widerstehen konnte. "Ich hätte dir schon früher sagen müssen, dass ich mich irgendwie vernachlässigt und missverstanden fühle. Dann wäre das gestern nicht alles auf einmal aus mir rausgeplatzt und wir hätten vielleicht direkt in Ruhe reden können. Einigen wir uns darauf, dass wir in Zukunft solche Sachen gleich ansprechen?" Sofort nickte Julian, dann beugte er sich vor und küsste mich und ich erwiderte es voller Sehnsucht und Erleichterung. Als wir uns schließlich voneinander lösten, lächelten wir beide und ich spürte, wie mir warm ums Herz wurde. "Also, was war denn nun gestern Nachmittag?", erkundigte Julian sich ernsthaft interessiert und ich sah ihn fragend an. "Hast du nicht auch schon das Video gesehen, wie gefühlt jeder Mensch, den ich kenne?" "Ja, ich hab's schon gesehen, aber ich will dich nicht auf meinem Handy sehen, sondern von dir hören, was passiert ist." Also atmete ich tief durch und erzählte Julian dann detailliert von gestern Nachmittag. Als ich fertig war, sah mein Freund mich mit großen Augen an. "Wow, heftig. Gehts dir gut? Es war bestimmt nicht einfach für dich, über deine Mutter zu reden." Ich schluckte und nickte. "Ich vermisse sie jeden Tag und Ronja wird das auch tun. Aber als ich gestern auf dieser Brücke stand, da- keine Ahnung, da dachte ich für einen Moment-" Ich stockte und Julian sah mich aufmerksam an. "Was dachtest du?" Ich schluckte, bevor ich den Blonden durchdringend ansah. "Es war, als wäre meine Mutter bei mir gewesen. Ich hab ihr Parfüm gerochen und es war fast, als würde sie mir die Worte ins Ohr flüstern, die ich Ronja sagen sollte. Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber ich hätte schwören können, dass sie direkt neben mir gestanden hat." Während ich es aussprach, wurde mir erst bewusst, wie bescheuert das klingen musste, aber Julian schien das nicht so zu sehen, denn seine Miene blieb ernst. "Das klingt nicht verrückt. Es klingt so, als ob deine Mutter genau gewusst hätte, was zu tun ist, um Ronja davon abzuhalten, sich das Leben zu nehmen." Ich nickte schwach und spürte, wie mir Tränen in die Augen traten. "Ich kann nicht glauben, dass sie schon fast eineinhalb Jahre tot ist. Es kommt mir vor, als hätte sie mir gestern noch erzähtl, wen sie beim Einkaufen getroffen hat und gleichzeitig fühlt es sich so an, als sei eine Ewigkeit vergangen seit ich sie das letzte Mal gesehen habe." Ich wischte mir die Augen trocken und schenkte Julian dann ein schwaches Lächeln, das er liebevoll erwiderte. "Ich glaube ich weiß, was dich jetzt aufheitert." "Ach ja? Und was?", erkundigte ich mich neugierig und Julian grinste. "Der Tierarzt hat mich gestern noch angerufen und gesagt, dass wir Nala heute abholen und mit nach Hause nehmen können." Ich begann automatisch ebenfalls zu grinsen. "Echt jetzt? Das ist ja super! Können wir sofort fahren?" Julians Hündin Nala, die normalerweise mit uns zusammen in der Wohnung lebte, hatte eine Weile beim Tierarzt bleiben müssen, weil sie eine Zyste gehabt hatte, die man operativ entfernen musste. Im Anschluss hatte es ein paar Komplikationen gegeben und letztendlich war sie etwa zwei Wochen lang nicht mehr hier gewesen. Es freute mich umso mehr, dass wir sie jetzt wieder nach Hause holen konnten und Julian und ich fackelten nicht lange und fuhren sofort los. Während der Fahrt beobachtete ich meinen Freund, der konzentriert den Verkehr im Auge behielt. Da der Arzt ihm gestern wieder erlaubt hatte, ab heute selbst Auto zu fahren, hatte Julian diese Möglichkeit natürlich sofort ergriffen. Während ich ihn beobachtete, fielen mir die vielen Dinge auf, in die ich mich direkt am Anfang verliebt hatte. Die Haare mit der einen Strähne, die ihm immer ins Gesicht fiel und die er deshalb so sehr hasste, seine Grübchen, sein Grinsen, sein erwartungsvolles Lächeln und seine strahlend blauen Augen. Es hatte mich nie gewundert, dass er so viele weibliche Fans hatte und ich hatte mich erstmal daran gewöhnen müssen, dass er teilweise sehr komische Direktnachrichten bei Instagram bekam und manchmal kreischende Mädels auf uns zurannten, wenn wir gemeinsam durch die Stadt liefen. Als wir unsere Beziehung Mitte des Jahres öffentlich gemacht hatten, weil es schon einige Gerüchte gegeben hatte, hatten mir auch einige Hardcorefans fiese Nachrichten geschickt, aber die hatte ich erfolgreich ignoriert und mittlerweile bekam ich nur noch selten solche Texte und meistens Kommentare, wie süß Julian und ich doch seien und wie perfekt wir zusammenpassten. Meine Gedanken wurden unterbrochen, als wir das Tierheim erreichten und ich schaute Julian freudig aufgeregt an. "Also dann, lass uns unser Mädchen wieder nach Hause holen."

Plötzlich zwei Verehrer?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt