2 Monate später
"Das kann nicht dein verdammter Ernst sein!" "Oh doch, und wie das mein Ernst ist! Du bist Profifußballer verdammt! All die Verantwortlichen sagen uns ständig, dass wir es nicht mit Alkohol und irgendwelchen Drogen übertreiben sollen und was tust du? Du machst ständig die Nächte durch, entweder im Club mit haufenweise Alkohol oder beim Fortnite zocken mit unzähligen Energydrinks! Wo ist dein verdammtes Verantwortungsbewusstsein, Julian?" "Alter, wieso machst du denn jetzt schon wieder so ein Fass auf? Du übertreibst wie immer maßlos, Emily! Ich mache nicht jede Nacht durch und ich bin auch kein Alkoholiker!" "Das hab ich nicht gesagt", widersprach ich sofort, aber mein Freund zog bloß die Augenbrauen zusammen. "Es klang aber so. Ich bin erwachsen und du bist nicht meine Mutter, kapiert? Ich weiß selbst, was das Beste für mich ist und deine Spießereien gehen mir sowas von auf die Eier!" Sprachlos starrte ich ihn an, aber der Blonde war jetzt voll in Fahrt. Nichts schien mehr übrig zu sein von dem liebevollen Mann, der mich noch zu Beginn des Jahres auf Händen getragen hatte. "Ganz ehrlich Emily, ich verstehe dich nicht. Mal bist du so, dann wieder so. Mal lachst du über meine Witze, dann verdrehst du die Augen und nennst mich kindisch. Erst willst du ein Jahr lang nicht mir schlafen, dann ständig und dann wieder gar nicht. Kapierst du deine Logik überhaupt selbst?" "Du behauptet von mir, ich würde ein Fass aufmachen und jetzt haust du mir diese ganzen Sachen an den Kopf? Sag mal, geht's noch? Was ist aus unserer Absprache geworden, über alles zu reden?" "Mit dir kann man über nichts reden!", warf Julian mir an den Kopf und es fühlte sich an, als hätte er mir eine reingehauen. Wir stritten uns bei weitem nicht zum ersten Mal in unserer Beziehung und wie oft wir uns allein in den letzten sechs Wochen in die Haare bekommen hatten, wusste ich schon gar nicht mehr. Ich war mir auch schon gar nicht mehr sicher, wie wir wieder in diesen Negativtrend geraten waren. Nach Julians Rückkehr aus dem Trainingslager in Florida hatten wir genauso viel geturtelt, wie in unserem gemeinsamen Urlaub davor, hatten uns viel Zeit für einander genommen, waren mehrfach ausgegangen und ich hatte meine dämliche Eifersucht wegen der Physiotherapeutin vergessen. Es hätte nicht schöner sein können, aber dann hatte sich das Blatt gewendet. War es, als Julian nach der ersten Niederlage der Rückrunde abends Frusttrinken gegangen war und sich am nächsten Tag an nichts erinnern konnte, weil er es so übertrieben hatte? Oder war es, als ich immer öfter aus der Wohnung verschwand, weil seine Anwesenheit mich nur noch nervte? Vielleicht war es auch passiert, als ich ihn dabei beobachtet hatte, wie innig er tatsächlich mit Kira war. Aber nicht nur mit ihr. Bei allen möglichen Events, auf denen wir gemeinsam gewesen waren, hatte er mich fast die ganze Zeit ignoriert und mit irgendwelchen Frauen geflirtet. Wenn ich ihm sagte, dass mich das störte, nannte er mich schelmisch eine Spießerin und versicherte mir im selben Atemzug, dass ich mir keine Sorgen machen musste, weil er nur mich liebte. War ich naiv gewesen, weil ich ihm das geglaubt hatte? Bewiesen nicht jeder Streit und alles, was wir uns dabei gegenseitig an den Kopf warfen, dass wir im Grunde kaum noch eine Beziehung führten?
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als es klirrte. Erschrocken zuckte ich zusammen und schaute neben mich auf den Boden, wo Glasscherben und Blumen in einer kleinen Wasserlache lagen. Mit großen Augen starrte ich Julian an, der meinen Blick angriffslustig erwiderte. "Hab ich jetzt endlich wieder deine ungeteilte Aufmerksamkeit? Oder muss ich dafür nach England ziehen?" Seine Anspielung auf Bernd zeigte mir, wie verletzt er eigentlich war, aber ich war viel zu erschüttert von der Tatsache, dass er gerade eine Vase nach mir geschmissen hatte, um jetzt auf seinen Stolz und sein Ego einzugehen. Mein Blick fiel auf meine zitternden Finger und bei meinen folgenden Worten hörte ich auch meine Stimme leicht wackeln. "Wie konnte es nur so weit kommen? Seit wann schreien wir uns so laut an, dass die Nachbarn uns hören und versuchen uns gegenseitig mit Worten und Taten weh zu tun?" Aber Julian interessierte sich nicht für meine verzweifelten Worte oder die Tränen, die eine nach der anderen meine Augen verließen. Stattdessen sah er mich höhnisch an. "Nein, nein, so werden wir das jetzt nicht enden lassen, nicht schon wieder! Immer fängst du an zu flennen und ich gebe nach, aber ich bin nicht derjenige, der Schuld an diesem Streit ist. Du hast mit den ganzen scheiß Vorwürfen angefangen!" Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte und mir fehlte schlichtweg die Kraft, diesen Streit fortzuführen. Also tat ich das, was ich seit neustem immer tat, wenn unsere Auseinandersetzungen einen gewissen Punkt erreicht hatten: Ich kapitulierte. "Du hast Recht, tut mir Leid. Ich höre auf mich einzumischen." Zufrieden sah Julian mich an. "Schön, dass du endlich zur Vernunft kommst. Wir sehen uns morgen früh." Mit diesen Worten ließ er mich im Wohnzimmer stehen und ich hörte nur noch, wie er die Wohnungstür hinter sich zuschlug, dann brach ich bitterlich weinend zusammen. Meine Knie versagten und ich fiel einfach auf den Boden. Durch den Teppich wurde mein Sturz nicht allzu schmerzhaft, aber ich bekam sowieso kaum noch etwas mit. Heiße Tränen liefen mir übers Gesicht und ich kauerte mich wie ein Baby zusammen, in der Hoffnung, dass das alles nur ein schlechter Traum war und ich gleich aufwachen würde. Aber dem war nicht so. Es vergingen Stunden oder vielleicht auch nur Minuten, dann verstummte ich. Kein Schluchzen war mehr zu hören, mein Körper bebte nicht mehr, stattdessen starrte ich mit leerem Blick auf meine Knie. Irgendwann richtete ich mich auf und kam wacklig auf die Beine. Mein Kopf dröhnte und meine Augen schmerzten, aber all das ignorierte ich. Die Vase fiel mir wieder ein und wie ferngesteuert lief ich in die Küche, um einen Handbesen und ein Kehrblech zu holen. Wie in Trance kehrte ich die Scherben auf und war bereits aufgestanden, als ich eine weitere entdeckte. Schnell bückte ich mich und hob das Glas auf, welches mir sofort wieder aus der Hand rutschte. Ein Schmerzenslaut blieb aus, stattdessen beobachtete ich fasziniert das Blut, das auf den Boden tropfte. Ein lautes Klopfen riss mich unsanft aus meiner Trance und ich stellte alles auf dem Wohnzimmertisch ab, um die Wohnungstür zu öffnen. Als ich die Person erkannte, spürte ich meine Mundwinkel leicht nach oben wandern. "Hi. Wir waren verabredet, hast du das vergessen?", erkundigte Niklas sich lächelnd, dann fiel sein Blick auf meine Hand und er riss erschrocken die Augen auf. "Oh mein Gott, du blutest!" "Die Vase- die Vase ist-", stammelte ich unbeholfen und erst jetzt schien dem Dunkelhaarigen meine schlechte Verfassung aufzufallen. "Ganz ruhig, wir kriegen das wieder hin. Lass uns in die Küche gehen und das ganze Blut abspülen, ja?" Ich nickte und ließ mich von Niklas zum Spülbecken führen. Als das Wasser auf meine Wunde traf, zischte ich leise, aber mehr sagte ich nicht. Mittlerweile war Niklas oft genug in der Wohnung zu Besuch gewesen, um zu wissen, wo sich der Verbandskasten befand und so hatte ich innerhalb kürzester Zeit einen Verband um meine Hand und sah den Dunkelhaarigen dankbar an. Er erwiderte meinen Blick besorgt. "Was ist denn passiert?" "Mir ist die Vase runtergefallen und ich hab mich beim Aufheben an einer Scherbe geschnitten." Forschend musterte Niklas mich. "Das ist alles?" Ich nickte und versuchte überzeugend zu wirken, denn ich wollte um jeden Preis verhindern, dass Niklas und ich über Julian sprachen. Das kam immer öfter vor, weil ich vor Niklas meine Gefühle schlecht verstecken konnte und er sich immer erkundigte, was vorgefallen war, wenn ich nach einem Streit mit Julian mal wieder schlecht drauf war. Angestrengt versuchte ich zu lächeln, aber Niklas strich mir bloß sanft über die Wange. "Du musst mir nichts vorspielen, Emily. Wir bleiben heute Abend einfach hier und machen einen ruhigen." Ich schüttelte schwach den Kopf. "Ich will nicht hierbleiben, ich muss mal wieder raus. Lass uns irgendwohin gehen." Überrascht starrte Niklas mich an, aber er eröffnete keine Diskussion, sondern nickte bloß. "Also schön, wie du willst. Was wollen wir machen?" "In irgendeinen Club feiern gehen. Ich war ewig nicht mehr aus." Kurz zog der Dunkelhaarige die Augenbrauen zusammen, dann seufzte er ergeben. "Ich bin eigentlich nicht so der Typ für einen Club, aber was tue ich nicht alles, damit es dir besser geht. Möchtest du dir noch was anderes anziehen?" Ich nickte und schaffte es, leicht zu grinsen, auch wenn es nicht echt war. "Gib mir fünf Minuten."
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Plötzlich zwei Verehrer?
FanfictionFortsetzung von Plötzlich zwei Brüder? Seit fast einem Jahr sind Emily und Julian zusammen und scheinen glücklich zu sein. Doch der Schein trügt, denn immer öfter geraten die beiden in Streit. Emily ist zunächst überzeugt, ihre Beziehung noch retten...