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"Meldest du dich, wenn du in Hannover angekommen bist?", erkundigte Julian sich und ich nickte. "Mach ich. Aber jetzt musst du mich endlich in den Zug steigen lassen, sonst komme ich dort niemals an." "Am liebsten würde ich mitfahren, aber ich muss zu diesem blöden Fotoshooting und hab danach noch einen Termin mit den Physios." Aufmunternd lächelte ich meinen Freund an. "Morgen Abend bin ich doch schon wieder zurück und dann machen wir uns einen schönen Abend zu zweit, versprochen. Ich liebe dich." "Ich liebe dich auch, Muffin. Bis morgen Abend." Sanft küsste Julian mich zum Abschied, dann stieg ich mit meinem kleinen Trolli in den Zug und machte mich auf die Suche nach meinem Sitzplatz. Als ich diesen schließlich gefunden hatte, verstaute ich meine Sachen und ließ mich auf den bequemen Sitz fallen. Als ich aus dem Fenster sah, stellte ich fest, dass der Zug bereits losgefahren war und zog mein Handy aus meiner Hosentasche. Lena aus meiner Mannschaft hatte mir den Link zu einem Zeitungsartikel geschickt.

"Der Erste, der sich nicht ausschließlich um deine "Heldentat" dreht. Dachte du möchtest das vielleicht mal lesen. Ist echt süß geschrieben. LG Lena😊"

Mit gerunzelter Stirn klickte ich auf den Link und landete bei einem Artikel über Julian und mich. Gespickt war er mit Fotos von uns in meinem Lieblingsrestaurant, bei unserem Spaziergang danach und es gab sogar ein Foto von unserem Ausflug zum Weihnachtsmakrt letzten Freitag, wo wir unser einjähriges Beziehungsjubiläum gefeiert hatten. Auf allen Bildern grinsten wir uns verliebt an, auf dem vom Weihnachtsmarkt hatte Julian mir gerade ein Rentiergeweih aufgesetzt und ich strahlte breit, während ich an meinem Kinderpunsch nippte. Mein Blick fiel auf den Artikel, der dazugehörte.

So süß turteln Fußballer Julian Brandt und seine Freundin Emily Bender
Wie knuffig und herzerwärmend kann man eigentlich sein? Nationalspieler und Bayer Leverkusen-Star Julian Brandt (22) und seine Freundin Emily Bender (21) beweisen uns, dass man auch nach einem Jahr Beziehung noch wie frisch verliebt sein kann. Nachdem die beiden zuletzt seltener gemeinsam in der Öffentlichkeit zu sehen waren, haben sie das in den vergangenen Tagen nachgeholt. Egal ob im Restaurant, beim Spazieren im Park oder auf dem Weihnachtsmarkt, der erfolgreiche Fußballer konnte seine Augen kaum von der blonden Schönheit abwenden, die ebenfalls für Bayer Leverkusen kickt. Erst vor kurzem war Emily viel in den Medien, da sie eine 16-Jährige davon abhielt, sich mit einem Sprung von einer Brücke das Leben zu nehmen. Äußern wollte sie sich dazu zwar nicht, doch was sie mehreren Reportern vor wenigen Tagen trotzdem dazu sagte, könnt ihr in diesem Video sehen.
(Video)
Freund Julian Brandt äußerte sich ebenfalls nicht zu dem Vorfall, postete aber auf Instagram ein Foto von den beiden auf dem Weihnachtsmarkt, unter welchem deutlich wurde, wie stolz er auf Emily ist. Zitat: "Danke für ein Jahr Liebe♥️, ein Jahr Geduld🙈, ein Jahr Lachen😂, ein Jahr Weinen😢, ein Jahr du und ich👫. Du überraschst mich jeden Tag aufs Neue und bist einer der stärksten und engagiertesten Menschen, die ich kenne. Danke, dass ich Teil deines Lebens sein darf. Ich liebe dich♥️ Bei diesen Worten geht einem wirklich das Herz auf und wer noch nicht genug von diesem zuckersüßen Paar hat, für den haben wir im folgenden Video die schönsten Bilder von Julian und Emily zusammengestellt. Wir können es auf jeden Fall kaum erwarten, viele weitere knuffige Fotos und Liebeserklärungen von den beiden zu sehen!
(Video)

Die Videos schaute ich mir nicht an, aber der Artikel gefiel mir tatsächlich besser als die, die es zuletzt über mich gegeben hatte. Zwar verstand ich nicht, was für die Medien so spannend an Julians und meiner Beziehung war, aber wenn es wirklich Menschen interessierte, konnte ich nichts daran ändern. Ich tippte eine kurze Antwort an Lena, dann leitete ich den Link an Julian weiter und kramte aus meiner Tasche meine Air Pods, um Musik zu hören. Bevor ich sie mir ins Ohr stecken konnte, wurde ich allerdings aufgehalten, denn ein junges Mädchen kam mit großen Augen auf mich zu. "Hi, du bist Emily Bender, oder?" Ich nickte und bemühte mich um ein Lächeln. "Kannst du auf meinem Bayer-Trikot unterschreiben? Und können wir ein Foto machen?" Ich nickte. "Klar." "Super, danke." Ich unterschrieb auf dem Trikot, das sie vor mich auf den Tisch legte und anschließend machten wir ein Selfie. "Tausend Dank, echt. Ich will auch mal Profi werden und du bist mein Vorbild." Gerührt sah ich sie an. "Wow, danke, das freut mich. Ich wünsch dir ganz viel Erfolg." "Dankeschön. Ich wünsch dir auch noch viel Erfolg mit deiner Mannschaft." Mit diesen Worten verschwand sie und ich lehnte mich lächelnd im Sitz zurück und begann Musik zu hören.

"Frau Bender, Sie sind ja schon da! Eigentlich wollten wir es noch ein wenig schöner machen für Ihren Besuch!" "Oh nein, bitte machen Sie sich keine Umstände wegen mir. Mein Besuch ist genauso wichtig wie jeder einzelne Obdachlose, der durch diese Tür kommt. Am besten sagen Sie mir, wo ich meine Sachen abstellen kann und dann möchte ich gerne alle aus Ihrem Team wiedersehen." "Natürlich Frau Bender. Folgen Sie mir einfach." Ich seufzte grinsend. "Frau Wittmann, wann werden Sie mich endlich von Beginn an Duzen?" "Niemals", entgegnete die 50-Jährige lachend und ich schüttelte schmunzelnd den Kopf, bevor ich ihr folgte. Sobald meine Sachen untergebracht waren, traf ich das restliche Team und es war schön, einige bekannte Gesichter zu sehen, die ich bei meinen letzten Besuchen bereits kennengelernt hatte. Es gab aber auch zwei neue Mitarbeiter, die ich lächelnd willkommen hieß, bevor ich Frau Wittmann fragend ansah. "Also dann, ich bin ja nicht hier, um nichts zu tun. Wo kann ich helfen?" "Die Schlafräume müssen geputzt werden, der Papierkram muss auf den neusten Stand gebracht werden und das Mittagessen muss gekocht werden. Frank und Andrea fahren einkaufen, wir brauchen dringend neue Wasserflaschen und Müsliriegel. Sie können sich selbst aussuchen, was Sie machen wollen." "Ich kann gerne beim Putzen helfen und wenn es okay ist, würde ich einen Teil des Papierkrams übernehmen, um mir auch in dieser Hinsicht ein Bild machen zu können." "Alles klar, dann können Sie mit Anna und Marlene putzen gehen, während Thomas und ich uns um das Essen kümmern." "Perfekt." Zufrieden nickte ich und folgte Anna, einer der beiden neuen Mitarbeiterinnen. Wir holten die Putzsachen und machten uns dann an die Arbeit. "Ich mache meistens Musik an, wenn ich putze. Ist das okay für Sie?" Ich nickte lächelnd. "Bitte duz' mich, ich bin ja genauso alt wie du. Ich bin Emily. Und Musik klingt gut." Anna erwiderte mein Lächeln und zog dann eine kleine Box und ihr Handy aus ihren Hosentaschen. Während der nächsten zwei Stunden arbeiteten wir schweigend zur Musik, anschließend brachten wir die Putzsachen wieder zurück und ich erkundigte mich bei Anna, wie sie auf diesen Job gekommen war und wieso sie sich dafür entschieden hatte. Anschließend widmete ich mich zusammen mit Frau Wittmann eine Stunde lang dem Papierkram und stellte fest, dass hier wirklich peinlich genau Buch geführt wurde. Die Unterkunft in Hannover war definitiv in guten Händen und wir mussten uns keine Sorgen darum machen, was ich auch Frau Wittmann sagte. Als schließlich die ersten Leute zum Mittagessen kamen, half ich bei der Essensausgabe und unterhielt moch danach mit einigen Obdachlosen. Alle schwärmten von der Unterkunft und ein junger Mann erzählte mir, dass er tatsächlich vor ein paar Tagen einen Job bekommen hatte, nachdem das Team ihm geholfen hatte, sich zu bewerben. Sie hatten ihm auch einen Second-Hand-Anzug besorgt und mit ihm für das Vorstellungsgespräch geübt und bei den glänzenden Augen des Mannes ging mir das Herz auf. Als ich Frau Wittmann darauf ansprach, erzählte sie mir, dass sie mittlerweile immer Flyer in der Unterkunft auslegten, wenn ihnen irgendwo Jobangebote auffielen und dass sie versuchten, den Obdachlosen nicht nur eine Gegenwart, sondern auch eine Zukunft zu geben. Als ich schließlich um 14 Uhr meine Sachen packte, um zum Bahnhof zu fahren, war ich vollends begeistert und bedankte mich unzählige Male beim ganzen Team für ihre tolle Arbeit. Mit guter Laune und einigen Fotos vom Vormittag und Mittag im Gepäck machte ich mich auf den Weg nach Hamburg.

Plötzlich zwei Verehrer?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt