Am nächsten Morgen wache ich schweißgebadet auf. Nach wenigen Sekunden sitze ich praktisch senkrecht im Bett. Die Sonnenstrahlen der frühen Herbstsonne fallen in mein Zimmer und tauchen es in ein romantisches Gold. Die Schönheit der goldenen Herbstsonne jedoch schafft es auch nicht, die Albträume der vergangenen Nacht abzuschütteln.
Der Traum handelte von Mr. Darcy und mir, davon, wie er eines Tages vor meinem Fenster steht und mir ein Lied singt, wie in romantischen Filmen. Doch als ich es aufmache und den Kopf herausstrecke, fragt er mich entgeistert, wo meine Schwester Lilac sei. Als ich ihm sage, dass ich es bin, fällt ihm die Kinnlade vor Entsetzen herunter und er rennt praktisch weg.
Ich reibe mir erschöpft über die Schläfen und will eigentlich gleich wieder weiterschlafen, aber heute habe ich eine Vorlesung, die ich nicht verpassen darf. Der Traum der letzten Nacht ist nicht gerade die Motivation dazu, Mr. Darcy irgendwann die Wahrheit zu sagen. Am liebsten würde ich es nie tun. Ich gehe ins Bad, dusche, mache mich fertig und bringe es dann über mich, mich auf die Waage zu stellen. Ich habe zwar nicht abgenommen, aber meine Laune ist eh im Eimer, sodass ich dem keine weitere Beachtung schenke. Als ich das Badezimmer verlasse, greife ich schnell nach meinem Handy, ehe ich ohne Frühstück die Wohnung verlasse. Ich bin ohnehin viel zu spät dran. Auf dem Fahrrad komme ich ziemlich ins Schwitzen, sodass ich mich ziemlich unansehnlich fühle, als ich die Uni betrete. Henry, der bereits im Hörsaal sitzt, ist total in sein Handy versunken und schreibt irgendjemandem. Wem er wohl schreibt? Einer Frau, die er irgendwo kennengelernt hat?
Ich lasse mich neben Jule fallen, die mir einen Platz freigehalten hat. Sie hebt fragend eine Augenbraue, als ich fast wieder einschlafe.
„Ich hab verschlafen und keinen Kaffee getrunken“ , nuschle ich als Erklärung. Jule grinst mich kopfschüttelnd an, worauf ich ihr die Zunge rausstrecke und mich auf den Vortrag vorne konzentriere, den Frau Ribbeck zum Besten gibt. Das erinnert mich natürlich sofort wieder an mein Projekt, welches ich noch nicht fertig habe... Und an Mr. Darcy. Meine Konzentration ist sofort wieder verflogen und ich krame mein Handy vorsichtig aus der Tasche. Ich erwarte nicht wirklich, dass er mir geschrieben hat, allerdings stoße ich einen überraschten leisen Laut aus.
Er hat mir nicht nur geschrieben, nein, er schreibt in genau diesem Moment. Jule beugt sich neugierig zu mir und starrt dann auf die drei Punkte. Ich weiß, dass er hier Literatur studiert, das hat er mir geschrieben. Und klar, es gibt nicht gerade wenige Vorlesungen, in denen er in diesem Moment sitzen könnte und die Wahrscheinlichkeit, dass er hier in Kreativem Schreiben sitzt und mir schreibt, ist gering. Doch Jule scheint das gleiche zu denken wie ich, den ihre Augen suchen den Hörsaal neugierig ab. Auch ich lasse meinen Blick durch den Saal schweifen. Klar, es gibt mehrere Jungs, die ein Handy in der Hand haben, sie sprenkeln den Saal wie Farbtupfer. Ich bleibe an einem schwarzhaarigen Typen hängen, der eine Brille trägt und den Kopf in seiner Handinnenfläche abgestützt hat, während er schreibt. Ich deute mit dem Kopf auf ihn.
„Isaac?“, fragt Jule neugierig, „Hm, ich weiß nicht. Ich dachte er ist schwul.“ Ich lasse den Blick weiter über die Studenten schweifen, streife einen blonden, hochgewachsenen Typen mit Bart, der sein Handy allerdings weglegt, als mein Display immer noch anzeigt, dass Mr. Darcy schreibt. Auch der mit den roten Locken eine Reihe weiter hinten legt das Handy vorzeitig aus der Hand. Dann wäre da noch der braunhaarige mit der Cap auf dem Kopf, der zwar ein Handy in der Hand hält, allerdings aussieht, als würde er schlafen. Als die Nachricht eintrifft, bleibt mein Blick an Henry hängen, der ebenfalls in sein Handy vertieft ist. Kurz flackert dieser Gedanke in mir auf, dass er es sein könnte. Doch es ist so absurd, dass ich ihn wieder verwerfe. Nein, Henry muss mittlerweile Wind davon bekommen haben, was für ein Projekt ich mache.
Er würde seine Zeit doch nicht damit verschwenden, mir einen Streich zu spielen. Doch direkt hinter ihm sehe ich einen Typen, der ebenfalls auf sein Handy schaut. Wartend. Irgendetwas sagt mir, dass er es sein könnte. Ich habe ihn noch nie bewusst gesehen, vielleicht weiß er ja gar nicht, dass ich die Lilac bin, die auf Tinder angemeldet ist. Er hat dunkelblonde Haare, die ihm wild in die Stirn fallen und einen grauen Pullover an. Auf seinem Schoß liegt ein Buch, dessen Titel ich nicht erkennen kann. Ich stupse Jule an, die ihn sofort mustert und dann grinst.
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Lilac #freeyourbody ✔️
Romantik« Du kannst 130 Kilo wiegen, Haare auf den Zähnen haben oder reden wie ein Lexikon auf zwei Beinen und ich würde trotzdem hier mit dir in der Herbstsonne sitzen und nichts lieber wollen als das. » ✨ ✨ ✨ ✨ ✨ ✨ ✨ ✨ ✨ ✨ ✨ ✨ Die 19-Jährige Lilac ist fr...