32~ Doubledate

90 16 4
                                    

"Hier sind wir!", ruft Jule durch den ganzen Kinosaal, als Henry und ich uns hineinzwängen. Hab ich ihn gerade angerempelt? Wie peinlich. Doch er lässt sich nichts anmerken und raunt mir zu: "Ich hoffe Cedric mag mich!" Sanft tätschele ich ihm die von der Kälte des ersten Novembertages rosige Wange. "Klar wird er das. Wer tut das nicht?" Das Glück zeichnet sich so deutlich auf seinem Gesicht ab, dass ich mich immer noch daran gewöhnen muss, dass Henry mich liebt. Dass er mich besonders findet. Dass ihn eines meiner Komplimente so glücklich macht.

Wir steuern auf das Paar zu, welches mittlerweile den ganzen gang versperrt, um uns Plätze freizuhalten. Ein älteres Paar ärgert sich und wirft mir ein: "Die Dicke versperrt den Weg!", an den Kopf. Bevor die Worte wie Messerklingen in mich einschneiden können, dreht sich Henry mit einem süffisanten Grinsen zu den Beiden um. "Sie haben aber auch noch nie von Anstand gehört oder? Dass eine junge Frau mehr Courage besitzt als zwei alte Schachteln wie Sie ist bemerkenswert!"

Das Paar schnappt entrüstet nach Luft, während ich am liebsten im Erdboden versinken würde. Henrys Show war zu gut. Zu intelligent. Denn jetzt starrt uns jeder an. Besser gesagt mich. Aber Henry wirft ihnen einen so bösen Blick zu, dass ich ihm nicht böse sein kann. Im Gegenteil, ich bin stolz auf ihn und auf sein großes Mundwerk, welches mich ehrlich überrascht hat. "Ich habe Effi Briest gelesen", erklärt Henry sein Vokabular. Grinsend lasse ich mich neben meine Freunde sinken. Cedric klatscht Henry ab. "Das war nicer Shit!"

Auch mich klatscht er ab und ich sehe darin, dass ich ihm ein bisschen leidtue wegen vorher. Aber er verkneift sich zum Glück jeglichen Kommentar, worüber ich wirklich froh bin. Jule knufft mich aufmunternd in die Seite und zwinkert Henry zu. "Das war der Wahnsinn!", worauf Cedric ihr zustimmt und den Arm um sie legt. "Er mag mich!", flüstert Henry mir stolz ins Ohr und die Spannung ist gebrochen. "Sonst hätte ich Schluss gemacht", grinse ich böse, "Cedrics Meinung ist mir sehr wichtig." In Henrys Augen blitzt der Schalk, als er mir einen forschen Kuss gibt. 

"Du Biest!" 

Die Zeit verfliegt fast bis zum nächsten Montag. Das ganze Wochenende lang versucht Henry, mich zu beruhigen. Je näher der Anfang der neuen Woche rückt, werde ich immer nervöser. Am Sonntag ist mein Geburtstag, weshalb ich nicht mehr an die Uni denke, sondern den Tag zum ersten Mal in meinem Leben mit Henry feiere. Morgens ruft Mum an und wünscht mir alles Gute, ehe sie vorsichtig nachfragt, wie es mit Henry läuft.

"Gut", grinse ich verschlagen, weil ich mich darauf freue, sie sprachlos zu machen. "Wir sind ein Paar!" Mums Gesicht fällt in sich zusammen, ehe sie so laut kreischt, dass ich schnell die Balkontür schließe. "Das freut mich so für dich! Er ist wirklich supersüß." Ich lache. "Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals mit dir über Jungs reden würde. Also positiv." Mum schüttelt den Kopf. "Klar wusste ich, dass das irgendwann passieren würde. Jungs sind nicht alle gleich, Lilac. Ich hatte als Teenager schreckliche Akne. Deinen Dad habe ich mit achtzehn kennengelernt, als ich noch mitten darin steckte. Ich hätte niemals gedacht, dass er mich lieben würde. Doch das hat er."

Sprachlos starre ich das zarte Gesicht meiner Mum an. Nie hat sie mir Fotos von ihrer Jugend gezeigt. "Lilac, ich kann verstehen, dass du manchmal Angst hast, nicht allen zu gefallen. Das haben viele Menschen. Aber vergiss dabei bitte nie, dass du dich mit diesen Zweifeln nur selbst belügst." Dann strahlt sie schon wieder total aufgeregt. "Also wirklich, Lilac, das ist eine Überraschung!" Taylors Kopf schiebt sich ins Bild und er gratuliert mir lächelnd. "Sag mal, stimmt das was ich da gehört habe? Du hast einen Freund?" In dem Moment höre ich, wie Henry aus dem Schlafzimmer kommt, wo er nach einer langen Filmnacht eingeschlafen ist. Schnell lenke ich das Gespräch auf ein anderes Thema. "Danke für die Glückwünsche!" 

Mum kapiert es sofort. "Wir kommen dann heute Abend mit den Geschenken vorbei, das ist doch okay oder?" 

"Klar!" In dem Moment schiebt Henrys Kopf sich hinter mir ins Bild. Seine Haare stehen wild in alle Richtungen ab und er trägt nur Boxershorts und ein Schlafshirt. Mum fallen die Augen fast aus dem Gesicht. "Hey, Henry!", sagt sie dann wieder gefasst. Ich würge das Gespräch schnell ab und klappe dann den Bildschirm herunter. "Musste das sein?", frage ich ihn drohend. Wie sieht das jetzt für Mum aus, Henry halb angezogen hinter mir stehend? 

"Hab ich gern gemacht", grinst er dreckig, "jetzt wirst du deine Mutter nie mehr los!" 

Ich stöhne auf und vergrabe das Gesicht zwischen meinen Händen, während er die Hände sanft meinen Rücken hinabgleiten lässt. "So, und jetzt Happy Birthday! Komm, hopp, wir haben viel zu tun!" "Was soll das denn heißen?", frage ich gedämpft in meine Hände. "Tja, Jule, Cedric und ich haben uns was überlegt!", sagt Henry nicht ohne Stolz. Das hebt meine Stimmung und lenkt sie von dem inneren Bild in meinem Kopf, einer hitzig diskutierende Mum über mein nicht vorhandenes Sexualverhalten,  ab. "Wie süß", sage ich grinsend und küsse ihn. "Danke, Henry." 

Lilac #freeyourbody ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt