30~ Writing thoughts

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"Lilac, kann ich mal bitte mit dir sprechen?", fragt Frau Ribbeck am Ende der Vorlesung am Freitagnachmittag. Henry gibt mir einen Kuss und verspricht, vor dem Saal auf mich zu warten. Als ich bei Frau Ribbeck ankomme, lächelt sie mich an. "Schön seht ihr zusammen aus, du und Henry Mellark." "Danke", sage ich, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll.

"Also, worüber ich eigentlich mit dir reden wollte...", Frau Ribbeck mustert mich prüfend, "ist dein Projekt. Ehrlich gesagt war ich etwas enttäuscht." Ich starre auf den Boden, weil ich nicht weiß, wie ich sonst reagieren soll. Klar, es überrascht mich ziemlich. Ich habe es oft erlebt, dass ich unzufrieden mit meinen Texten war, Frau Ribbeck jedoch war immer zufrieden. Sie hat an mich geglaubt. Dass sie enttäuscht ist versetzt mich in Scham. Ich warte darauf, dass sie weiterredet, was sie nach einer kurzen Pause auch tut. "Lilac, eine Studie beweisen kannst du. Der Text war sehr emotional geschrieben. Aber als du das erste Mal gesagt hast, mit welchem Thema du dich befassen wirst, hatte ich gehofft, dass dein Text in eine andere Richtung geht. In eine positive Richtung. Ich war mir sicher, dass du dem Text dieses gewisse Etwas geben würdest, indem du dich mit dem Ergebnis selbst überraschst. Der Text ist so vorhersehbar, nicht so, wie ich es erhofft hatte. Ich weiß, dass du vielleicht mit machen Themen zu kämpfen hast. Aber sieh in Henrys Augen, wenn er dich ansieht. Du hättest Grund genug, deiner Studie gründlich zu widersprechen."

Ich bin sprachlos und weiß nichts zu entgegnen, da mich die Worte irgendwie gerührt haben.

"Aber sollten wir die Studie nicht beweisen?"

"Lilac, du bist intelligent. Von dir hätte ich erwartet, dass du als eine der ersten merkst, dass es ein Trick war. Eine Studie kann man einfach nicht so beweisen. Was, wenn man im Laufe eines Experiments zum Beispiel feststellt, dass man mit der Haypothese falsch lag?"

Frau Ribbeck hat Recht, ich habe mich damals so sehr von meinem Zorn lenken lassen, dass icj die ganze angestaute Wut nur aufs Papier bringen wollte. "Wenn du nicht mehr über Mr. darcy als Person schreiben willst, dann schreibe darüber, was deine Art Begegnung mit ihm in dir verändert hat. Ich gebe dir noch bis Montag. Du hast ein Wochenende, um die beste Arbeit zu schreiben, die ich je von dir gelesen habe. Okay?"

"Ein Wochenende?", ich reiße die Augen auf. Wie soll ich das schaffen? Wie soll ich in zwei Tagen eine Arbeit schreiben, die mich an ein Stipendium bringt? Das ist beinahe unmöglich...

"Du bist ehrgeizig. Ich weiß, dass du das schaffst. Und jetzt solltest du vielleicht bald anfangen", zwinkert mir meine Professorin zu, als ich mich auf den Weg aus dem Hörsaal mache. Wie in Trance verlasse ich den Raum und renne fast in Henry hinein. "Alles okay?", fragt er zweifelnd. Ich nicke schnell und küsse ihn dann zum Abschied. "Ich weiß wir wollten ins Kino. aber ich habe gerade eine zweite Chance bekommen. Ist es okay, wenn dich daran arbeite?"

Mein Freund schmunzelt und bringt mein energiegeladenes Ich mit einem Kuss zum Schweigen.

"Geh nur. Ich komme dann um zehn mit einer Pizza vorbei!"

"Du bist der beste", sage ich gerührt und kann mein Glück kaum fassen. Dann legt er beide Arme um mich und ich fühle mich wie das glücklichste und schönste Mädchen der Welt. Zum ersten mal in meinem Leben fühle ich mich wirklich wie eine Lilie.

Lilac #freeyourbody ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt