9~ Ewige Liebe und andere Lügen

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Enrico war mein erster richtiger Freund, von dem ich dachte, dass es so bleiben würde.
Er nahm mich so, wie ich bin.
Zumindest die meiste Zeit.
Ich lernte ihn im Urlaub auf Capri kennen, als ich 18 war, wo wir uns lange unterhielten und feststellten, dass wir Beide in München wohnen.

Mit ihm zusammen fühlte sich alles richtig an, ich war unglaublich glücklich und zufrieden.
Auch, weil er mich liebte wie ich bin und ich ihn so, wie er ist.

Enrico war eigentlich Italiener, der auf Capri seine Familie besucht hat, wo er mehr oder weniger in meinen Tisch in einem kleinen Bistro, in welchem es tolle Pasta gab, hereingerannt war. Naja, die Tomatensoße versaute mir zwar mein neues T-Shirt von Mango, doch er wollte sich unbedingt mit mir zum Abendessen treffen.

Erst war es eine Wiedergutmachung, dann jedoch merkten wir, dass uns die Gemeinsamkeit gefiel.
Es war wunderschön mit ihm, jeden Abend trafen wir uns am Strand oder in Restaurants.

Als er an meinem letzten Tag vor der Abreise in dem selben Bistro wie am ersten Tag den Tisch mit Rosen dekorierte, war es um mich geschehen.

Wir flogen gemeinsam nach München, wo ich ihn meiner Mum vorstellte.

Jede Woche nach der Uni trafen wir uns, schlenderten durch die Stadt, gingen in Cafés oder trafen uns in seiner Wohnung oder bei mir.

Es war, als hätte ich mein ganzes Leben lang auf diese Zeit gewartet.

Nie hatte Enrico auf meine Figur geschaut, mich nie dafür kritisiert.

Ein halbes Jahr lang schwebte ich auf Wolke sieben. Es war die schönste Zeit, zu der ich aufblühte und eine Verbindung zu einem anderen Menschen spürte, wie nie zuvor.

Als ich an einem Mittwochvormittag, dicke Regentropfen prasselten auf das Kopfsteinpflaster vor der Universität, die Metro verließ, war ich guter Dinge. Heute war eine Prüfung, auf die ich tagelang gelernt hatte.
Mein erstes Semester ging bald vorüber und ich wollte es erfolgreich abschließen.

Jule, die ich damals bereits in mein Herz geschlossen hatte, wartete bereits völlig aufgelöst im Hörsaal, als ich hereinkam und meine Tasche auf den Stuhl neben ihr fallen ließ.

„Warum bist du so gut drauf?“

Ich konnte meine Freundin, die sonst nie etwas aus der Ruhe brachte, förmlich zittern sehen.

„Es ist die letzte Arbeit des Semesters. Danach sind Semesterferien und wir haben erst einmal wenig zu tun... Denk dran, unsere Reise nach Island steht an!“

„Naja, erst heißt es: Sitzenbleiben, sechs!“, witzelte sie etwas verängstigt.

„Das wird schon. Du hast doch mit mir gelernt und konntest alles. Das schaffst du ganz bestimmt.
Selbst wenn nicht, kannst du immer noch nachschreiben“,munterte ich sie auf und sie ließ sich auf den Stuhl plumpsen wie ein Kartoffelsack.

„Wetten ich kriege ein Blackout.“

„Denk gar nicht dran.“

„Klar bist du gut drauf. Du hast heute ein wunderschönes Date im Restaurant mit deinem Freund.
Meiner ist selbst mit lernen beschäftigt...“, brummte Jule.

Ich musste bei der Vorfreude auf heute Abend lächeln. Heute war unser 6 Monatiges. Für mich etwas besonderes, worauf ich mich freute.

Als die Bögen ausgeteilt wurden, konnte nichts und niemand meine gute Laune wegwischen.

Ich stand etwas zu früh auf Enricos Matte, weil die Prüfung schneller um war. Ich klopfte und als er mir überrascht öffnete, wollte ich gleich damit herausplatzen, wie gut die Prüfung lief.
Doch dazu kam es nicht, denn als ich mich an ihm vorbei schieben wollte, hielt er mich zurück.

„Was...?“, fragte ich verdutzt, doch er lächelte bloß nervös.

„Ich bereite alles für nachher vor“, sagte er schnell und Unruhe breitete sich in mir aus. Seit wann hielt er mich davon ab, seine Wohnung zu betreten? Wie er doch nur die Wohnung dekorierte oder so, wieso war er so nervös? Ich könnte ihm doch helfen! Vielleicht kriegte er das Essen nicht hin? Wäre nicht das erste Mal, dass ihm das Essen anbrennt, dachte ich und musst bei der Erinnerung an letzten Samstag lächeln.

„Ich helfe dir!“

Enrico wurde kreidebleich und mein Geduldsfaden riss in dem Moment, in dem ich mich an ihm vorbei schob und die halbnackte, schlanke junge Blondine erblickte, die mich erschrocken aus der Küche ansah.

Ich schaffte es rechtzeitig aus der Wohnung, bevor mir die Tränen nur so aus den Augen schossen.

„Lilac!“, rief mir Enrico verzweifelt hinterher, bevor ich, alle Stufen auf einmal nehmend, das Haus unter Tränen verließ.

Erst in der U-Bahn traf mich die Erkenntnis wie ein Messerstich, dass Enrico ein riesiges Arschloch war, das mich mit einer schlanken Frau betrogen hat.

Ich hatte mich damit getäuscht, dass ihn mein Gewicht nicht interessieren würde. Es hatte ihn interessiert.

Er hatte es mir nur nie gesagt sondern auf die harte Tour gezeigt.

Ich lehnte meinen Kopf erschöpft gegen die Glasscheibe der Metro und fühlte, wie alle Kraft aus meinen Gliedern wich...

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