Kapitel 2

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Als ich die Klasse betrat, waren bereits alle an ihrem Platz und auch die Lehrerin war bereits da. Sie stand vor der Klasse und begrüßte mich mit einem abwertenden Nicken. Ich erwiderte das Nicken und wollte gerade auf meinen Platz gehen als ich sah, dass bereits jemand auf meinem Platz saß. Es war ein Junge, vielleicht eins, zwei Jahre älter als ich. Er trug ein schwarzes T-Shirt, eine weinrote Jacke und eine dunkelbraune Hose. Er hatte dunkelbraune Haare, die an der Seite leicht abrasiert waren und sonst nach oben gestylt waren. Als er meinen Blick bemerkte schaute er zu mir hoch. „Sitze ich auf deinem Platz?", fragte er mich kaum hörbar. Ich nickte und wie auf Kommando rückte er einen Platz weiter hoch. Der Platz war ebenfalls frei, da ich in der letzten Reihe saß und dort sonst nur noch zwei andere Mitschüler saßen, welche sich aber neben dem Fenster niedergelassen hatten. Außerdem war ich sehr glücklich damit gewesen, dass niemand neben mir saß der mich ablenken konnte. Aber dieser Traum war gerade geplatzt, denn der Junge sah nicht so aus, als hätte er vor den Platz zu wechseln. Ich setzte mich auf meinen Platz und packte meine Sachen aus. „Ich bin übrigens Jonas.", ertönte seine dunkle Stimme neben mir, „Und wie heißt du?" Ohne ihn anzuschauen gab ich ihm Antwort: „Mara." Er nickte. „Ich bin neu hier. Wir sind erst vor drei Tagen hierhergezogen. Mein Vater hat hier eine neue Arbeitsstelle gefunden." Warum musste er mir den jetzt seine Lebensgeschichte erzählen? Ich hatte ihn ja nicht danach gefragt.

Ich nickte erneut. „Du redest wohl nicht gerne?", fragte er mich nun erneut. Seine Stimme war nun leiser und voll von Enttäuschung. War er enttäuscht darüber, dass ich nicht mit ihm rede? Da kaum jemand mit mir redete, war ich es nicht gewohnt mit Leuten, und vor allem mit fremden Leuten, aus dem nichts ein Gespräch anzufangen. Doch ich wollte nicht gemein sein und auch nicht arrogant wirken. „Es tut mir leid.", brachte ich leise und mitleidig hervor, „Ich bin es nicht wirklich gewohnt mich mit anderen so plötzlich ein Gespräch anzufangen. Bin eher ein Einzelgänger." Schmunzeln schaute er mich an: „Dann lass uns doch beide zusammen Einzelgänger sein.", obwohl es eher eine Frage war, brachte er den Satz mit so viel Überzeugen hervor, dass der fragende Aspekt verschwand. „Wenn man aber zusammen ist, dann ist man kein Einzelgänger mehr.", gab ich genauso schmunzeln zurück. „Hmm, dann sagen wir eben wir bilden ein einsames Duett. Klingt das besser?" Ich musste lachen, seine Idee klang einfach zu witzig. Verwirrt schaute er mich an. „Sorry.", gab ich immer noch lachend von mir, „Duett klingt mehr nach einer Musikgruppe. Außerdem bin ich nicht einsam.", meine Stimme wurde nun wieder ernster, „Nur, weil man alleine ist, heißt das nicht, dass man einsam ist. Ich will nur nichts mit diesem Kindergartendenken hier zu tun haben." Ich drehte mich mit erhobenen Kopf nun zu ihm um und konnte nun direkt in seine braunen Augen schauen. Er zog eine Augenbraue hoch und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück in den Stuhl: „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten du hältst dich für was Besseres." Nun zog auch ich eine Augenbraue hoch und beugte mich leicht zu ihm vor und gab mit gespieltem arrogantem Unterton von mir: „Und du weißt es besser?" Zufrieden nickte er und ich lehnte mich wieder zurück in meinen Stuhl. „Natürlich weiß ich es besser. Weil ich genauso bin wie du. Ich bin lieber für mich alleine, weil ich die angeblichen Probleme und das kindische Verhalten der Anderen einfach lächerlich finde." Stolz schaute er nun zu mir und ich musste grinsen. Ich bezweifelte zwar, dass er genauso war wie ich, aber ich verstand was er meinte. Er dachte wohl dasselbe wie ich und konnte verstehen was ich meine, und das war schon mal mehr als so manch andere konnte. Vielleicht hatte ich ihm Unrecht getan und er war doch ganz interessant. Ich war bereit ihm doch eine Chance zu geben, wer weiß vielleicht würde es eine interessante Freundschaft werden.

Wir redeten noch etwas, verglichen unsere Stundenpläne und stellten fest, dass wir außer Biologie und Chemie alle anderen Fächer gemeinsam hatten. Er fragte mich noch, ob ich ihm die Schule zeigen könnte, was ich später auch tat. Anscheinend kannte er noch nicht viele Leute, da er ausgerechnet mich fragte. Er schien aber auch allgemein nicht daran interessiert zu sein, neue Menschen kennenzulernen, zu mindestens nicht als wir durch die Gänge liefen. Also stimmte das mit dem Einzelgänger schon mal. Wir waren gerade auf dem Weg ins nächste Klassenzimmer, als eine Stimme ertönte. Es war die Stimme der Sekretärin, welche gerade eine Ankündigung vornahm. „Achtung! Achtung! Eine wichtige Durchsage. Die Schüler des Englisch Grundkurses bei Herr Adams haben heute die Aufgabe, den Unterrichtsstoff eigenverantwortlich zu erarbeiten. Vielen Dank für ihr Verständnis", und damit endete die Durchsage. Ich machte auf der Stelle kehrt und lief zum Ausgang. „Was heißt „die Aufgaben eigenverantwortlich zu erarbeiten"?, fragte mich Jonas, der mir trotzdem folgte. „Freistunde. Die Stunde fällt aus." „Heißt das ich kann jetzt Nachhause gehen?", fragte er erneut. Ich drehte mich um, lief aber rückwärts weiter: „Ich weiß nicht ob du das kannst, aber ich werde jetzt definitiv Nachhause gehen.", frech grinste ich ihn an. Nun musste auch er lachen und schüttelte leicht den Kopf. Wir verabschiedeten uns und gingen beide Nachhause. Eigentlich wollte ich mich nach der Schule noch mit Sven treffen, aber es regnete und ich hatte keine Lust im Regen auf ihn zu warten, also schrieb ich ihm schnell eine Nachricht, dass ich schon nach Hause gegangen bin und er nicht zu warten braucht.

Ich lief auf eine Bushaltestelle etwas weiter von der Schule entfernt zu, als ich plötzlich schnelle Schritte hinter mir hörte. Ich drehte mich um und sah in das schon rot angelaufene Gesicht von Lea. Sie stand auf die Knie gestützt und schwer atmend vor mir. Lea war auch in meinem Jahrgang ging aber in die parallel Klasse, in den Kursen, die wir zusammen haben sitzen wir meist auch nebeneinander. Sie war auch eher eine unauffällige Schülerin, galt aber bei den meisten Mitschülern, als Streberin und Lehrerliebling. „Was ist denn so wichtig, dass du mir nachrennen musst?", fragte ich sie nun etwas verwundert, da wir außerhalb der Schule nicht wirklich viel miteinander zu tun hatten. Doch sie musste erst noch ein paar Mal Luft holen bevor sie mir antworten konnte, es war leicht zu erkennen, dass Sport nicht ihr bestes Fach war. „Ich wollte dich nur fragen ob es stimmt das du mit Sven zusammen bist?", ich konnte ihr Erstaunen im Gesicht deutlich erkennen. "Ja, ich bin mit Sven zusammen, ab morgen ist es genau eine Woche. Warum bist du denn so erstaunt darüber?", ich schaute sie mit fragendem Blick an aber sie wich meinen Blicken aus. „Ähm.. also... ich finde es nur merkwürdig, dass er mit dir zusammen ist, obwohl er sonst immer bei Kim und Samira steht und sie dich bis letzte Woche noch geärgert haben." „Na und er hat sie eben geändert. Sven liebt mich! Du bist bestimmt nur eifersüchtig.", ich wurde lauter und ich merkte wie Hitze und Wut in mir hochstiegen. Ich wollte ihr nicht glauben, auch wenn ich wusste warum sie so erstaunt war. Ich war es ja selbst. "Nein! Glaub mir Mara, ich lüge nicht. Ich will nur nicht, dass er dich verletzt, du hast was Besseres verdient.", sie schaute mich mit unschuldigem und bemitleidendem Blick an, der mich wirklich zweifeln lies. Ich wusste, dass sie mir nichts Böses wollte, aber ich wollte ihr nicht zu hören. Vielleicht wollte ich die Wahrheit nicht hören, die Wahrheit die ich auch irgendwo tief in mir kannte. "Woher willst du wissen was ich verdiene, du bist genau wie die anderen, du gönnst es mir nicht und bist neidisch. Deine Hilfe brauch ich und will ich nicht!" Bevor Lea antworten konnte, hatte ich mich schon von ihr abgewandt und lief weiter. Ich war wütend. Wütend auf sie, weil sie mir sagte, was alle anderen auch dachten. Wütend auf Sven, der mir nie den Grund sagte warum wir zusammen sind. Wütend auf mich, weil ich wusste, dass ihre Zweifel berechtigt waren, denn das alles war zu schön um wahr zu sein. Der Bus kam angefahren und ich stieg klatsch nass vom Regen in den Bus ein und fuhr nach Hause.

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