Ich verließ die Schule und erst da fiel mir auf wie ruhig der Tag heute gewesen war. Es gab kein gehässiges Gelächter und auch kein Geläster, was vielleicht auch daran lag, dass weder Kim noch Samira heute da waren. Dementsprechend wusste auch niemand was Samira gestern zugestoßen war und ob sie noch lebte. Dass Kim heute nicht kam konnte ich verstehen und mich interessierte es brennend was sie jetzt vorhatte. Vertuschen konnte sie die Situation ja schlecht, aber ich war mir sicher, dass da noch was kommen würde. Den Hass, der sich in ihren Augen gespiegelt hatte kann man nicht so einfach wieder verdrängen.
Für mein Samira-Kostümbrauchte ich neben den passenden Klamotten eigentlich nur eine blonde Perücke,wobei eigentlich müsste sie ja grün sein. Da Halloween noch nicht lange vorbeiwar konnte man eigentlich in den meisten 1€-Laden noch Perücken, Kostüme undKunstblut kaufen und das war auch das Erste was in meinen Einkaufskorbwanderte. Ich fand zwar keine blonde Perücke dafür aber eine weiße, also entschlossich mich dazu noch gelbe Sprühfarbe mitzunehmen und Perücke einfach umzufärben.Allerdings musste ich mich mit dem Ansprühen beeilen, da der Geruch der Farbemich sonst umhauen würde. Hoffentlich reichen 6 Stunden aus bis der Geruchverschwunden ist. Ich kaufte auch noch eine Leggins und ein Hautenges Oberteil,bei dem man aufpassen musste, dass beim büken nichts rausfiel. Keine Ahnung wie Samira in solchen Klamottendurch die Gegend laufen konnte. Ich hatte schon beim Anprobieren permanent dasGefühl, dass jeder als sieht. Aber das Kostüm müsste ich ja zum Glück nur kurztragen. Ich bezahlte und machte mich auf den Weg zu mir nach Hause um diePerücke umzufärben. Doch auf dem Weg zu mir klingelte mein Handy und ich konntemir schon denken wer das war. Und um ehrlich zu sein hatte ich mich schon sehrauf den Anruf gefreut. Hatte aber auch Angst, dass es nicht so gut funktionierthat oder sogar im schlimmsten Falle gar nichts geklappt hat, wie ich es mirvorgestellt habe. „Hi hat alles geklappt?" „Das war der Hammer. Sven ist vollkommen ausgerastet und am Ende sogarpanisch losgerannt.", seine Stimme war von Freude erfüllt. „Er zähl mal bitteetwas genauer was passiert ist.", immerhin wollte ich alles im Detail wissen.„Ich hab mich gleich nach dem Sportunterricht an Svens Fersen gehängt und binihm gefolgt, die Bluetooth-Box hatte ich zuvor schon in seinem Rucksackplatziert, so dass er sie nicht sehen konnte. Und dann ging es los, ich hab dieMusik angemacht und sofort hat er reagiert. Die Stimmen waren aber auch echtunheimlich, vor allem die Flüsternden. Sven hat sich immer wieder umgedreht undgeschaut ob da noch jemand war. Dann hat er sich die Ohren zugehalten undeinmal laut geschrien. Ich bin dann besorgt zu ihm gegangen und hab gefragt oballes in Ordnung ist. „Hörst du sie nicht?", hat er mich gefragt und ich fragtenur was er den meint. „Die Stimmen. Sie reden mit mir.", er war da schon fertigmit den Nerven. Ich hab nur mit dem Kopf geschüttelt und ihn dann gefragt wassie denn sagen. „Sie werden kommen und sich an mir rächen. Sie werden michholen kommen. Ich kann ihnen nicht mehr länger entkommen. Er hat sogar Tränenin den Augen gehabt. Und der Höhepunkt war dann der Schluss, da hättest du michauch gerne vorwarnen können. Bei der letzten Stimme ist mir echt das Blut inden Adern gefroren, dieser schreckliche Schrei klingt mir jetzt noch in denOhren und ich bin auch kurz zusammengezuckt. Zum Glück hat sich Sven aucherschrocken und ich meinte zu ihm, dass er mich mit seinem plötzlichen Zuckenrichtig erschreckt hatte. Danach ist er völlig durchgedreht hat mich nochdreimal gefragt ob ich nichts gehört habe und dann ist er losgerannt, wie voneiner Tarantel gestochen. Im letzten Moment konnte ich ihm noch dieBluetooth-Box aus dem Rucksack ziehen." „Okay dann hat ja alles geklappt. Hast du noch gesehen wohin er geranntist?" „Nein, der ist wie ein bekloppterüber die Straßen gerannt. Fast hätte ihn eine Autofahrerin erwischt. Aber einsmuss man dir lassen, die Stimmen waren echt unheimlich. Vor allem als die fünfStimmen durcheinandergeredet haben. Woher hattest du den Schrei am Ende" „Auseinem Horrorfilm genauso wie das Geflüster. Hat er eigentlich den Zettel vorhergelesen?" „Ja. Er hat ihn gleich imReligionsunterricht gefunden und gelesen." „Gut, dann hat ja alles geklappt. Wir fangen ihn heute Abend im Park ab,wenn er vom Fitnessstudio nach Hause läuft." „Woher weißt du, dass er ins Fitnessstudio geht?" „Ganz einfach, weil er jeden Tag um dieselbeZeit die Menschheit wissen lässt, dass er ins Gym geht #fitness #gesundesleben.Das ist halt der Nachteil, wenn man alles mit jedem im Internet teilenmuss." „Nicht schlecht, du Stalkerin.Hast du heute Abend dann dein hübsches Kostüm schon an?" „Ja, aber hübsch ist daran nichts. Wir treffenuns um sechs im Park. Sven müsste um sieben dann kommen." „Okay, dann bis heute Abend.", und damitlegten wir beide auf. Glücklicher Weise war ich nun fast Zuhause angekommen undkonnte schon von weitem das Geschrei hören. Es erforderte nicht viel um zuerkennen, dass es mein Vater war, der wieder betrunken war. Meine Mutter hörteman nicht, aber was sollte sie auch machen. Ich wünschte mir oft, dass sie sicheinmal wehren würde, aber körperlich war sie meinem Vater deutlich unterlegenund die Polizei rufen wollte sie auch nicht. „Das ist eben in manchen Ehen so,da lebt man sich zwar auseinander aber bleibt trotzdem zusammen. Das verstehstdu in deinem Alter noch nicht.", sagte mir meine Mutter immer wieder wenn ichsie auf meinen Vater ansprach. Und sie hatte Recht. Ich versteh es nicht wiesie sich von meinem Vater so behandeln lassen konnte und einfach ihn nichteinfach verlässt. Aber egal wie oft ich ihr das sagte es änderte sich nichts.Ich blieb draußen stehen und sprühte die Perücke ein, legte sie dannvorsichtig, ausgebreitet über einen Eimer und versteckte diesen hinter einemBusch. Nun ging ich ins Haus und auf direktem Weg nach oben in mein Zimmer. Ichschaute weder ins Wohnzimmer noch in die Küche, ich würde eh nichts anderessehen als sonst auch. Dass Geschreie kann man mit der Zeit auch einfachausblenden. Ich setzte mich an den Computer und schaute was Facebook undInstagram Neues zu bieten hatten. Und da war sie. Die Todesanzeige von Samira. „Unsere Kämpferin hat nun leider ihrenletzten Kampf gegen ihre schweren Verletzungen verloren. Du wurdest uns aufbrutale Art und Weise genommen und wie vermissen dich in jeder Sekunde unseresLebens. Wir werden dich nie vergessen und wünschen uns für dich, dass du nun aneinem besseren Ort bist. In Liebe Mama & Papa", sie war also dochgestorben. Mehr stand in der Anzeige nicht, dafür aber in der nächsten. Unbekannte haben eine 19- Jährige im Park amSonntagabend niedergestochen. Das Opfer verstarb 5 Stunden später aufgrund derschweren inneren Verletzungen. Bei Hinweisen wenden sie sich bitte umgehend andie nächste Polizeibehörde. Die Kommentare waren überwiegend von besorgtenEltern, die Angst hatten, dass sich die Welle der Gewalt ausbreiten würde undihr Kind das nächste Opfer sein würde. Welle der Gewalt fand ich zwar starkübertrieben, wundern tut es mich aber nicht. Immer wenn etwas passiert, dassvorher eher selten vorgekommen ist wird daraus ein riesiges Drama gemacht. Aufjeden Fall wird das Thema Gewalt die nächsten Wochen die Gespräche aller beherrschenund hundert pro taucht auch die Polizei wieder bei uns in der Schule auf. Eswar schließlich kein Hexenwerk herauszufinden, dass Justin und Samirabefreundet waren. Das kann ja noch heiter werden, aber das soll mir für heuteegal sein. Die Zeit bis zum Abend verbrachte ich wieder mit zeichnen und Musikhören. Kurz vor fünf zog ich mich um und schminkte mich, dass Kunstblut würdeich später noch auftragen, nicht das mich jemand auf dem Weg in den Park siehtund den Notarzt ruft. Ich packte schließlich noch die Perücke ein und machtemich auf den Weg in den Park.

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Revenge
Misteri / ThrillerDurch eine Wette gedemütigt, verletzt und ausgenutzt. Rächt sich Mara an ihren vier Klassenkameraden. Sie sollen den selben Schmerz erfahren den sie selbst verspürt hatte. Doch was als harmloser Streich begann gerät mehr und mehr außer Kontrolle und...