Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, denn erst das Klingeln meines Handys holte mich wieder in die Gegenwart zurück. Ich schaute auf dem Display und erkannte, dass es Jonas war. „Hi was gibt's?", ich hatte wirklich keine Ahnung warum er mich anrief. „Hey alles gut bei dir? Du klingst so komisch." Natürlich fiel ihm das sofort auf, sowie ihm alles auffiel: „Ich bin nur gerade aufgewacht. Sonst ist alles gut." „Achso, dann ist ja gut. Ich wollte dir nur mitteilen was ich gestern herausgefunden habe." „Was herausgefunden?", es war früh am Morgen und er warf mir irgendwelche Neuigkeiten an den Kopf. „Na was über Kim und Samira. Ich war gestern Abend mit den Jungs was trinken." „Welchen Jungs?", ich wusste schon wieder nicht von was er redete. „So früh am Morgen ist wohl noch nicht so viel mit nachdenken bei dir.", während Jonas ins Telefon lachte spielte ich schon mit dem Gedanken aufzulegen. „Ich versuch's dir langsam zu erklären. Ich war gestern Abend mit den Jungs vom Fußball Verein was trinken. Naja und nach 4-5 Biers und ein paar anderen Sachen haben sie mir halt die eine oder andere Sache erzählt." Ich brummelte etwas das einer Zustimmung ähnlich war und ließ ihn weitererzählen. Ich war einfach noch zu müde. „Dann hat einer erzählt, dass er mal was mit zwei Mädchen gleichzeitig hatte und, dass diese sogar miteinander befreundet waren. Der Hammer aber ist, dass eine der beiden bewusst was mit ihm angefangen hat, obwohl sie wusste, dass er mit ihrer Freundin zusammen war." „Und diese Freundinnen waren Kim und Samira?" „Hey es klappt ja doch mit dem nachdenken. Er war mit Kim zusammen und hatte nach zwei Wochen auch was mit Samira angefangen. Das lief dann vier Wochen so weiter bis er eine andere gefunden hat und beide abserviert hat. Heute hatte er zu beiden keinen Kontakt mehr, aber gibt trotzdem noch gerne mit der Story an." „Wie armselig. Aber egal mit der Story können wir was anfangen. Hast du noch was rausgefunden?" „Nicht mehr viel. Die Story war die beste des Abends. Du gehst doch schon länger auf diese Schule hast du nie was mitbekommen?" „Ich bin vielleicht gerade mal einen Monat länger an der Schule als du. Da ist noch nicht wirklich so viel spektakulär passiert. Nur das übliche: Mobbing von Schülern und Lehrern, eine angebliche Erpressung eines Lehrers für bessere Noten aber sonst nichts." „Naja jetzt haben wir ja erstmal etwas. Dann schauen wir mal weiter." „Genau, ich meld mich dann nochmal bei dir.", und mit diesen Worten legte ich auf und ließ mich zurück ins Bett fallen. Bis jetzt hatte ich keine Idee was ich mit dieser Story anfangen sollte. Ich beschloss erstmal duschen und frühstücken zu gehen. Mit leerem Magen lässt sich nicht so gut denken. Ich verließ mein Zimmer und schaute mich kurz auf dem Flur um, aber es war niemand zu sehen und auch nichts zu hören. Ich duschte und machte mich schnell zurecht, um was zu frühstücken. Aber auch in der Küche war niemand zu sehen. Alles sah so aus wie gestern Abend. Mit meinem Müsli in der Hand marschierte ich die Treppe wieder nach oben und setzte mich an mein Fenster. Die Bäume schwankten leicht im Wind und ein paar Vögel zogen am Himmel ihre Kreise. Es sah alles so friedlich aus. Und trotzdem wusste ich: Wenn ich aus der Tür treten werde, wird mich der Wahnsinn schon freudestrahlend erwarten und mich mit sich nehmen.
Was ich jetzt mit Samira und Kim machen sollte wusste ich nicht genau. Mir fiel nichts Aufregendes ein, nichts womit ich ihnen Angst machen konnte. Einfach nur deprimierend. Ich wollte nicht einfach nur zu Kim gehen und sagen: „Hey Kim wusstest du eigentlich, dass Samira parallel zu deiner Beziehung mit deinem Freund eine Affäre hatte?". Zu unspektakulär. Wenn ich mehr Zeit habe um darüber nachzudenken, würde mir bestimmt etwas Besseres einfallen oder vielleicht ist Jonas bis dahin auch etwas eingefallen.
Da ich aber im Moment nicht wusste was ich mit mir anfangen sollte, packte ich in meinen Rucksack mein Zeichenblock und ein paar Stifte und machte mich auf zum See. Auch wenn ich an diesen Ort momentan keine guten Erinnerungen hatte. Bevor ich das Haus verließ überlegte ich noch kurz ob ich eine Nachricht für meine Eltern hinterlassen sollte, entschied mich aber dagegen, da es sowieso keinen der beiden interessieren würde.
Mit Musik in den Ohren lief ich zum See, setzte mich ins hohe Gras und schaute auf den See. Es schwammen zwar ein paar Enten quer über den See, aber sie waren kein interessantes Motiv, das ich hätte zeichnen wollen. Sie waren zu friedlich und süß für diesen Ort mit dem ich im Moment nur schlechtes verband. Ich fing an zu zeichnen was mir in den Sinn kam, zuerst nur ein Pentagramm, dann noch eine Gestalt die sich mehr und mehr entwickelte. Nur die Augen entwickelten sich nicht, denn es gab sie nicht. Die Augen sind das Tor zur Seele, aber jemand der auf einem Pentagramm sitz und aus Wut und Hass gezeichnet wurde soll auch keine Seele besitzen.
Die Zeit verstrich und aus einem Bild wurden zwei wurden drei und vielleicht auch vier, wenn mich nicht jemand unterbrochen hätte. „Seit wann sitz du hier?", unterbrach mich Jonas. Ich musste mich nicht mal umdrehen um herauszufinden, dass es Jonas war der hinter mir stand. Seine Stimme würde ich sogar im Schlaf erkennen und außerdem konnte sich niemand so leise anschleichen wie er. „Was machst du hier? Oder stalkst du mich wieder?" Er lachte kurz und setzte sich neben mich und sofort klappe ich meinen Zeichenblock zu. „Zeig doch mal her was du gemalt hast." Ich hasste es, wenn jemand gemalt sagte: „Sag nicht gemalt ich bin kein kleines Kind mehr. Das heißt gezeichnet." „Tut mir leid, ich wollte dich nicht kränken. Aber ernsthaft, darf ich mal sehen was du alles gezeichnet hast? Ich mach mich auch nicht drüber lustig." Ich hätte gekränkt sein sollen, dass er das gesagt hatte aber irgendwie war es auch süß. Ich gab ihm meinen Block und schaute wieder auf den See. Ich wollte ihn nicht anschauen wie er meine Bilder begutachtete und unbewusst mit seiner Mimik bewertete. Erst jetzt viel mir auf, dass es langsam dunkel wurde. Die Enten waren verschwunden und das einzige was man hörte war das Umschlagen der Seiten meines Zeichenblocks. „Die Bilder sind der Hammer. Du bist wirklich gut.", erklang nun Jonas überraschte Stimme. „Danke.", entgegnete ich kurz und nahm meinen Block wieder entgegen. „Kannst du auch was von uns malen?" Wie konnte ich nur glauben, dass das Thema Zeichnen für ihn abgehakt war. Ihm war es ja auch nicht peinlich, mir schon. Ich bin es nicht gewohnt für etwas gelobt zu werden. „Was meinst du mit uns?", fragte ich still nach. „Uns. Du und ich. Oder ist dir das zu unangenehm?", sein provozierender Unterton war nicht zu überhören. Ich drehte mich zu ihm: „Was soll denn daran unangenehm sein? Es ist nur, nicht das du dann enttäuscht über das Ergebnis bist." Lächelnd legte er seine Lippen auf meine und küsste mich. Er unterbrach den Kuss zwar hielt mich aber nah an sich gedrückt und flüsterte mir ins Ohr: „Wie könnte ich denn von dir enttäuscht sein.", um dann da weiter zu machen wo er aufgehört hatte.
Er lehnte seinen Kopf auf meine Schulter und schaute mir zu wie ich zeichnete. Das ich mega nervös dadurch wurde interessiere ihn nicht sonderlich, sondern entlockte ihm nur ein „süß". Es dauert gefühlt eine Ewigkeit, was auch daran lag, dass ein entsprechendes Gewicht auf meiner Schulter lastete, welches die Bewegung meines Armes doch etwas einschränkte. „Fertig? Es sieht wirklich gut aus. Das darfst du behalten, das nächste will dann aber ich haben." „Das nächste, wer sagt denn, dass ich nochmal eins zeichne?", fragte nun ich eher sarkastisch. „Für mich doch bestimmt oder etwa nicht?", und bevor ich antworten konnte küssten wir uns wieder. Ich merkte erst als er mich in den Arm nahm wie warm er war und wie kalt ich war. Es war dunkel geworden und am Himmel konnte man die ersten Sterne sehen. Wir waren noch am See bis die Sonne komplett untergegangen war, dann packte ich meine Sachen und machte mich auf den Weg nach Hause.
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Revenge
Mystery / ThrillerDurch eine Wette gedemütigt, verletzt und ausgenutzt. Rächt sich Mara an ihren vier Klassenkameraden. Sie sollen den selben Schmerz erfahren den sie selbst verspürt hatte. Doch was als harmloser Streich begann gerät mehr und mehr außer Kontrolle und...