Kapitel 5

128 9 0
                                    

Die Sonne schien durch meinen Rollladen und warf kleine Punkte auf den Boden meines Raums. Der Wecker zeigte 8:23 Uhr an. Ich wälzte mich noch ein paar Mal durch mein Bett bis ich mich dazu entschließen konnte aufzustehen. Langsam machte ich mich fertig und ging runter in die Küche. Es war niemand zusehen, nicht meine Mutter und auch nicht mein Vater. Es war vielleicht auch besser so. Ich machte mir Kaffee und Müsli und ging wieder die Treppe hoch in mein Zimmer. Als ich auf der Mitte der Treppe angekommen war, lief mir meine Mutter entgegen. Sie sah auf die Stufen vor sich und hielt sich an ihrem viel zu großen und weiten Cardigan fest. Sie hatte geweint, ich konnte ihre rot geschwollenen Augen, in dem an sonst blassem Gesicht, erkennen. Zwar war ich gestern Abend nicht da gewesen konnte mir aber schon denken was passiert war. Mein Vater hatte wie immer zu viel getrunken und seine Wut an meiner Mutter ausgelassen. Zwar hat mein Vater mich noch nie geschlagen, dafür aber des Öfteren meine Mutter. Da sind seine Schreiattacken noch recht harmlos. Er schreit sie immer an, wenn er betrunken ist. An manchen Tagen redet er mit uns, aus uns unbekannten Gründen, nicht oder geht früher ins Bett und an den anderen Tagen redet er bei allem mit, egal ob er Ahnung von dem Thema hat oder nicht, und regt sich dann über jede Kleinigkeit in der Welt auf. Meine Mutter wird an diesen Tagen immer leise und redet dann nicht mit ihm, was ihn wiederum sauer macht. Manchmal streiten sie dann und schreien sich an oder meine Mutter geht in ihr Zimmer und liest oder schläft mit Tränen ein. Warum sie sich nicht trennen ist mir schleierhaft, aber mir soll es egal sein ich bin die Situation gewohnt und an diesen Tagen rede ich ebenfalls nur das nötigste mit meinem Vater und gebe auch immer deutliche Ja- und Nein- Antworten. Unser Verhältnis ist recht kühl, ich erzählte ihm noch weniger als meiner Mutter.

Wieder in meinem Zimmer angekommen setzte ich mich an meinen Schreibtisch und überlegte mir wie ich es den Vier heimzahlen konnte. Ich schnappte mir ein altes Buch mit karierten Blättern darin, zwar war das Buch nicht mehr komplett leer, da auf einigen Blättern schon etwas gezeichnet war, aber es war besser als nichts. Ich konnte mit meinen Zeichnungen besser ausdrücken was ich fühlte, als mit 100 Worten. Und wer weiß, vielleicht konnten mir meine Zeichnungen ja sogar helfen. Die Dinge sollten harmlos anfangen. Die Angst sollte sich steigern und der Wahnsinn in ihnen genauso. Wenn ich alles schnell hinter mich bringen würde, kann ich nur für einen Moment die Angst in ihren Augen sehen. Wenn ich aber alles etwas langsamer angehen würde, könnt ich die Angst jeden Tag sehen. Jeden Tag in der Schule und ich würde sehen wie sie sich in Kleinigkeiten reinsteigern, weil sie Angst haben jeden Moment könnte wieder etwas passieren. Ich musste mir also was einfallen lassen. Zum einen waren da Kim und Samira und zum anderen Sven und Justin. Den meisten Hass hätte ich eigentlich auf Sven haben müssen, aber ich wusste, dass er in der Gruppe von allen am wenigsten zu melden hatte und die Idee wahrscheinlich von Kim oder Samira kam. Sven hatte die Wette nur gegen Justin verloren und führte sie deshalb aus. Nein, die ersten an denen ich mich rächen wollte waren Kim und Samira. Zwar wusste ich noch nicht genau wie und blätterte ratlos durch mein Buch bis mir ein Bild ins Auge sprang. Das war es, das war die Idee. So würde ich es einer von ihnen heimzahlen. Es sollte Samira sein, bei ihr war der Effekt größer und es würde schlimmer aussehen als bei Kim. Ich musste mir nur noch alles beschaffen was ich brauchte und mir einen Plan ausdenken um die Sache möglichst unauffällig über die Bühnen gehen zu lassen. Sie sollten nicht direkt merken, dass ich dafür verantwortlich war, zwar konnten sie es sich denken, aber mit reinen Vermutungen und ohne Beweise konnte man niemanden anschwärzen. Ich schrieb meine Idee unter das Bild und klappte das Buch zu. Als ich aufstand um das Geschirr nach unten in die Küche zubringen klingelte mein Handy. Es war eine Erinnerung an einen Termin den ich gemacht hatte. Es handelte sich um einen Friseurtermin, damals wollte ich mir ursprünglich die Haare hell färben und Extensions rein machen lassen. Sven gefielen Mädchen mit hellen, langen Haare und ich wollte ihm noch mehr gefallen. Wenn ich jetzt so darüber nachdachte war ich froh, dass ich diese Idee jetzt nicht mehr umsetzten wollte. Ich hätte mich nur für ihn verändert und mein eigenes Ich dabei verraten, denn ich mochte meine dunklen Haare und ich mochte auch keine langen Haare haben. Dennoch wollte ich den Friseurtermin wahrnehmen. Es sollte keine Veränderung für Sven oder sonst wen sein, es sollte einfach nur für mich sein.

Ich stellte das Geschirr in die Spülmaschine und schnappte mir meine Tasche und verließ das Haus. Der Weg zum Friseur dauerte an die zehn Minuten, da ich etwas mehr in die Stadtmitte laufen musste. Ich wohnte wie Jonas auch am Stadtrand, nur etwas weiter weg von Jonas und hinter unserem Haus erstreckte sich auch schon der Wald. Als Kind hatte ich immer Angst, wenn der Wind durch die Bäume pfiff und alles knarrte und knackste. Es hörte sich immer an, als würde jemand aus dem Wald auf unser Haus zulaufen und als würde er jeden Moment an unserer Tür klopfen. Die Leute erzählten sich auch immer Gruselgeschichten über den Wald. Es war die Rede von Geistern, Werwölfen, Mördern und verlorenen Kinderseelen, die dort ihr Unwesen trieben. Ich hatte bestimmt schon alles Horrorgeschichten rund um den Wald gehört und konnte sie bestimmt schon auswendig. Mit der Zeit nahm die Angst dem Wald gegenüber langsam ab und heute finde ich es nur noch lustige, wenn ich solche Geschichten höre.

Ich erreichte den Friseur und drückte die Tür auf. Die Glocke über der Tür verkündete meine Ankunft und sofort kam eine junge Frau aus einem der hinteren Räume heraus. Sie begrüßte mich freundlich und deutete mir einen Platz an. Als sie mich fragte was ich den möchte, überlegte ich kurz und antwortete dann: „Ich hätte gerne die Haare etwas kürzer geschnitten, sodass sie ungefähr in der Mitte des Halses aufhören." Sie nickte, entschuldigte sich aber kurz, da sie noch eine andere Kundin habe und für diese noch schnell Farbe anmischen müsste, damit die Auszubildende weiter machen konnte. Ich versicherte ihr, dass ich damit kein Problem hatte und sie drehte sich um und lief direkt auf einen Schrank zu. Ich beobachtete im Spiegel was sie tat, so musste ich mich nicht umdrehen. In dem geöffneten Schrank standen gefühlt 100 kleine, schwarze Packungen. Es handelte sich um Haarfärbemittel. Gezielt griff sie in die vorletzte Reihe und zog eine Packung heraus auf welcher ein roter Punkt klebte. Sie mischte dir Färbung an und gab sie ihrer Auszubildenden. Lächeln kam sie wieder auf mich zu. Wir gingen zum Waschbecken und sie wusch mir die Haare nach dem nassschneiden und dem Haare föhnen entschuldigte sie sich kurz bei mir, da sie mal auf Toilette müsste.

Als sie in dem hinteren Raum verschwunden war erkannte ich meine Chance. Ich ging zu dem Schrank und öffnete ihn vorsichtig. Mit einem Blick überflog ich den Inhalt und griff dann nach einer weiterhinter stehenden Packung mit einem grünen Punkt darauf, ich nahm keine vordere Packung da nicht direkt auffallen sollte, dass eine Packung fehlt. Ich schloss den Schrank schnell wieder und ließ die Packung in der untersten Ecke meiner Tasche verschwinden und schmiss alles auf die Packung drauf, was noch in meiner Tasche zu finden war. Da außer mir niemand im vorderen Bereich des Laden war, musste ich mir auch keine Sorgen machen, dass mich jemand gesehen hatte. Es war nicht verwunderlich, dass kaum jemand hier war. Der Laden war wohl eher ein Ein-Mann Betrieb und man kann hier nur mit einem Termin kommen. Die Friseurin kam zurück und ich saß unschuldig auf meinem Stuhl. Nach insgesamt 50 Minuten war ich fertig und ich liebte das Ergebnis. Meine Augen glänzten vor Freude. Ich bezahlte und lief wieder nach Hause.

RevengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt