PROLOG

292 16 7
                                    

📍Portland, Oregon

10 Monate zuvor...

Morgen würde ich endlich weg sein, ein für alle Mal. Ich würde all das hier, mein Zuhause, meine Familie und meine Vergangenheit, hinter mir lassen und in eine kleine Stadt mitten im Nirgendwo ziehen, um dort neu zu beginnen. Es war das einfachste und gleichzeitig schwerste, was ich je tun würde. Aber ich brauchte diesen Tapetenwechsel mehr als alles andere, nach dem, was vor fünf Monaten passiert war. So lange war es her, dass Emma Langton, meine beste Freundin, sich das Leben genommen hatte.

Jede verdammte Ecke dieser Stadt erinnerte mich an sie. Überall flammten die kostbaren Erinnerungen an vergangene Zeiten auf und erdrückten mich, bis ich kaum noch atmen konnten. Früher hatte ich diese Stadt unfassbar geliebt, jetzt aber war sie der letzte Ort, an dem ich je sein wollte. Alles war so fremd, dass ich einfach nur noch wegwollte. Und das schönste war, dass es endlich möglich war. Es stand mir nichts mehr im Weg. Hier und jetzt konnte dieses Leben endlich enden und ein neues beginnen.

Es war erst wenige Tage her, dass mein Abschlussjahrgang seine Zeugnisse überreicht bekommen hatte und einen Schlussstrich hinter das Kapitel der Highschool gesetzt hatte. Noch nie war ich so froh gewesen, das Gebäude unserer nun ehemaligen Highschool zu verlassen. Denn es hatte Freiheit bedeutet. Etwas, das ich schon seit Monaten nicht mehr gefühlt hatte. Und die Hürde, die mich, Sky, Newton und Leo davon abgehalten hatte, die Stadt zu verlassen, war weg. Es hielt uns hier rein gar nichts mehr. Morgen würde ich zusammen mit meinen Freunden auf dem Weg nach Silverhaven sein, eine Stadt, die meilenweit von der Stadt unserer Kindheit entfernt war und von der ich vor wenigen Monaten nicht einmal gewusst hatte, dass sie existierte...bis Leo mit der Idee auf uns zu gekommen war. Es würde unser neues Zuhause werden, in dem glücklicherweise niemand uns und unsere Vergangenheit kannte. Da wäre niemand, der uns mitleidig ansah, kein Getuschel hinter unserem Rücken und vor allem keine Erinnerungen an Emma. Denn Silverhaven war nicht Portland, wo jeder zu wissen schien, was mit Emma geschehen war.

Als ich meinen Eltern vor Monaten davon erzählt hatte, dass ich an der University of Silverhaven studieren wollte, waren sie nicht begeistert gewesen, ihre einzige Tochter einfach so ziehen zu lassen. Wir hatten wochenlang gestritten, aber am Ende hatten sie meine Entscheidung doch akzeptiert, auch wenn ich mir durchaus bewusst war, dass wir uns langsam voneinander entfernt hatten. Meine Eltern hatte keine Ahnung, wie es sich anfühlte, seine beste Freundin zu verlieren und immer und immer wieder an sie erinnert zu werden, ganz egal, wo man hinsah. Ich liebte meine Eltern sehr, aber unsere Beziehung war in dem Moment in die Brüche gegangen, in dem ich von Emmas Tod erfahren hatte. Wie so fast jede zwischenmenschliche Beziehung, die ich gehabt hatte.

Es hatten nicht nur meine Eltern darunter leiden müssen, auch meine Noten waren rasant gesunken, sodass ich es gerade noch so geschafft hatte, meinen verdammten Highschoolabschluss zu bekommen, um Psychologie studieren zu können. Meinen Freunden war es ähnlich ergangen. Sogar unser Verhältnis untereinander hatte sich verändert, trotzdem hatten wir uns in Silverhaven eine gemeinsame Wohnung gesucht, um weiterhin beieinander zu sein, alte Gewohnheiten konnte man nicht so leicht abschütteln, selbst wenn man es wollte. Wir kannten uns so viele Jahre, Jahre, die uns miteinander verbanden und Emma hätte sicher nie gewollt, dass unsere Freundschaft an ihrem Tod zerbrach. Aber manchmal war der Schmerz größer, als der Wille, unsere Freundschaft aufrechtzuerhalten.

Jeder von uns hatte diesen verdammten Schmerz irgendwie anders verarbeitet. Während ich wochenlang mit niemandem geredet hatte, hatte Sky Dinge getan, die sie sich vorher niemals getraut hätte. Leo hingegen hatte sich in die Arbeit gestürzt und Newton hatte völlig dicht gemacht und bis zum Umfallen trainiert, er war nicht mehr wiederzuerkennen gewesen. Trauer machte seltsame Dinge mit Menschen, auch mit uns. Denn es hätte nicht mehr viel gefehlt und wir hätten unser Leben für immer zerstört, bis es plötzlich Klick gemacht hatte. Aufgeben war niemals eine Option.

LEAVE THE PAST BEHINDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt