KAPITEL 12

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Als ich am nächsten Tag in Los Angeles wieder aus dem Flugzeug stieg, wurde ich direkt von der gewohnten, schwülen Luft Kaliforniens empfangen, die mir ausnahmsweise ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte, weil ich endlich wieder Zuhause war. Dort, wo Newton und meine Freunde auf mich warteten. Ich konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen, dass ich plötzlich gar nicht mehr schnell genug wegkommen konnte. In einem kleinen Anfall aus Überschwänglichkeit fiel ich daraufhin beinahe die Treppe hinunter, die aus dem Flugzeug führte, ehe ich schließlich mit meinem Rucksack in der Hand an der Gepäckabholung vorbeirannte, zu der ich dank meines Handgepäcks nicht musste, und dabei über das Gepäckstück eines älteren Mannes stolperte, der mich daraufhin grimmig anschaute und meine Entschuldigung nur mit einem leisen Murren annahm.

Ich ging weiter und konnte mir das Grinsen einfach nicht verkneifen, weil diese unglaubliche Tollpatschigkeit ein Teil von mir war, der mich schon viel zu oft in Schwierigkeiten und meine Freunde zum Lachen gebracht hatte. Ich wusste, wenn Newton gesehen hätte, was gerade passiert war, hätte er mir sein typisches Grinsen geschenkt und mich für die nächsten Monate mit dieser Geschichte geneckt, bis er wieder etwas Neues finden würde. Diese simple Tatsache brachte mich so sehr zum Lächeln, dass ich es nicht schaffte, aufzuhören. Ich hasste es, wenn er etwas fand, mit dem er mich wochenlang ärgern konnte, aber in diesem Moment hätte ich alles getan für einen seiner dummen Sprüche, dass ich mich unwillkürlich fragen musste, wie man einen einzigen Menschen so sehr vermissen konnte.

Ich beschleunigte meine Schritte und kam der großen Empfangshalle des Flughafens immer näher. Immer wieder wich ich Menschen mit Koffern, Taschen oder Rucksäcken aus, schlängelte mich durch die Masse und versuchte, den lauten Geräuschpegel und große Treiben des belebten Flughafens auszublenden. Los Angeles war eine unglaubliche Stadt, aber ich wäre vermutlich lieber irgendwo auf einer einsamen Insel gestrandet, als mich durch die riesige Menschenmasse an diesem Flughafen schieben zu müssen. Einige Herzschläge später war ich der Masse endlich entkommen und betrat einen Bereich, in dem es wenigstens etwas ruhiger war: die Empfangshalle, die mich mit einer einzigen Tür von meinem Auto trennte. Ich atmete geräuschvoll auf, schulterte meinen Rucksack und war fest entschlossen, endlich den Flughafen zu verlassen, als plötzlich mein Name ertönte. Ich blieb mit klopfendem Herzen stehen und drehte mich in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Erst dachte ich, mich verhört zu haben, aber als meine Augen seine fanden, erfüllte mich plötzlich eine wohlige Wärme.

Er war hier. Newton war hier, in Los Angeles am Flughafen, um mich abzuholen. Noch immer geschockt, registrierte ich, dass er das weiße T-Shirt mit dem Logo seiner Lieblingsband trug, das ich ihm vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte. Auf seinen Lippen saß ein lässiges Grinsen, als er langsam auf mich zu schlenderte und seine schokoladenbraunen Augen funkelten, wobei sie mich nicht eine Sekunde aus den Augen ließen. Er sah müde aus, als hätte er nicht viel geschlafen in der vergangenen Nacht, aber er war noch immer mein Newton, der mir in Portland gefehlt hatte.

Ich erwiderte seinen Blick und wurde in der nächsten Sekunde von einem freudigen Kribbeln erfasst, ehe mir ein klitzekleiner Freudenschrei entwich. In der nächsten Sekunde ließ ich meinen Rucksack auf den weißen Boden fallen und rannte Newton entgegen. Mit einem breiten Grinsen sprang ich in seine ausgebreiteten Arme. Sein Geruch nach Meerwasser und Zitrone umfing mich. Dann drückte er mich an seine harte Brust und umschloss mich mit seinen Armen. Ich seufzte leise und ohne es wirklich zu wollen, ließ ich mich noch ein Stückchen mehr in seine Umarmung gleiten, die ich seit unserem Telefonat herbeigesehnt hatte. Als Newton ein leises Brummen von sich gab, lächelte ich in seine Halsbeuge. In seinen Armen zu liegen, fühlte sich an wie nach Hause zu kommen.  Das hatte es schon immer und ich wusste, egal was passieren würde, diese Tatsache würde sich niemals ändern.

Als Newton mich einige Herzschläge später wieder auf dem Boden absetzte, hätte ich beinahe frustriert aufgestöhnt, weil ich seine Nähe plötzlich vermisste. In der letzten Sekunde schaffte ich es, mir auf die Unterlippe zu beißen, um jegliche Geräusche zu vermieden. Sein Duft umhüllte mich noch immer, während ich den Blick hob. Die Intensität seines Blickes raubte mir fast den Atem.

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