Livs Reaktion zu urteilen, als sie mir die Wohnungstür öffnete, war nicht zu übersehen, dass es mir überhaupt nicht gut ging. Denn das erste, was sie tat, war, mich in eine feste Umarmung zu ziehen, die mir ein wenig Trost spendete, auch wenn mein Herz noch immer vor Schmerzen schrie. Doch Olivia Parker war einer dieser Menschen, die es sofort schafften, dass man sich besser fühlte, egal wie aussichtslos die Situation auch war.
Nachdem wir uns aus der Umarmung gelöst hatten und ich meine stummen Tränen getrocknet hatte, ließ ich mich von Liv in die Küche ziehen, wo sie mir eine Tasse Kaffee in die Hand drückte. Aber selbst der Kaffee schaffte es heute nicht, mich zum Lächeln zu bringen. Dann gingen wir ins Wohnzimmer, ehe ich mich zusammen mit Liv auf die weiße Couch setzte, in der man drohte zu versinken. Mit zitternden Händen führte ich meine Tasse an den Mund und nahm einen Schluck, als ich Livs besorgten Blick auf mir spürte und mir unwillkürlich erneut Tränen in die Augen stiegen. Warum musste es so sehr wehtun? Sich anfühlen, als würde man meine Organe in ihre Bestandteile zerlegen und mich langsam und qualvoll ausweiden?
»Was ist los, Süße?«, fragte Liv leise, während sie behutsam eine Hand auf meinen Arm legte. Die unerwartete Berührung ließ mich zusammenzucken. »Du siehst aus, als hätte dir jemand einen fiesen Schlag in den Magen verpasst und dich anschließend völlig hilflos zurückgelassen.« Ich spürte, wie ein hysterisches Lachen meine Kehle hinaufsteigen wollte, doch ich unterdrückte es. Liv sollte nicht sehen, wie sehr sie mit ihrer Bemerkung ins Schwarze getroffen hatte. Denn das, was Newton mit seinen Worten in mir angerichtet hatte, tat viel mehr weh als ein Schlag in den Magen. Er hatte mich verletzt, doch der Schmerz schien größer zu sein, als alles, was ich seit Emmas Tod gefühlt hatte.
»Liv?« Meine Stimme klang fremd in meinen Ohren, aber Liv nickte nur aufmunternd und schien es mir nicht einmal übel zu nehmen, dass ich ihre Frage nicht beantwortet hatte. »Meinst du, ich kann für ein paar Tage bei euch wohnen?«
Einige Sekunden sah ich Verwirrung in ihren himmelblauen Augen, dann riss sie überrascht die Augen auf und strich über meinen Arm. »Aber natürlich, Ever. Du bist hier immer willkommen.«, erwiderte sie, »Aber Gott, du machst mir Angst. Was ist passiert, dass du es nicht länger aushältst in eurer Wohnung zu bleiben, Süße?«
Ich schluckte hart und murmelte ein leises »Danke.«, während ich einen weiteren Schluck von meinem heißen Kaffee nahm, um Zeit zu schinden. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie ich meiner Freundin am besten beibringen sollte, was passiert war. Gab es überhaupt einen Weg, um diese Sache am besten zu erklären? Aber ich wusste, um Liv zu erklären, was los war, musste ich am Anfang anfangen, egal wie schmerzhaft das war. Liv musste die ganze Geschichte kennen, nicht nur einen Bruchteil.
»Heute ist ihr Geburtstag.«, flüsterte ich kraftlos und umklammerte mit meinen Händen die Tasse. Sie gab mir Halt, auch wenn ich die aufsteigenden Tränen nicht verdrängen konnte. Durch meinen verschleierten Blick sah ich Trauer, die sich in Livs Augen widerspiegelte. Und das, obwohl sie Emma nie gekannt hatte.
»Oh Everlyn«, erwiderte sie traurig und nahm mich in den Arm, »Du glaubst gar nicht, wie unfassbar leid mir das tut. Es ist einfach nur schrecklich.« Als sie mich einige Herzschläge später wieder losließ, stellte ich meine leere Kaffeetasse auf den Holztisch und zog ein weißes Kissen auf meinen Schoß, um das Zittern meiner Hände zu verstecken. Ich schaffte es nicht, meiner Freundin ins Gesicht zu sehen. Zu groß war die Angst, dass Liv womöglich sah, wie kaputt und gebrochen mich dieser Tag wirklich gemacht hatte.
»Das brauch es nicht, Liv. Es ist ja nicht deine Schuld, dass Emma nicht mehr hier ist.«, sagte ich leise, »Es tut schrecklich weh, dass sie für immer weg ist, aber es ist nicht ihr erster Geburtstag, den sie nicht mehr erleben kann. Und der Schmerz, den ich heute fühle, ist vermutlich kein Vergleich zu dem, was ich letztes Jahr an ihrem Geburtstag gefühlt habe.« Nein. Dieses Jahr schien der Schmerz sogar noch viel größer zu sein. Schuld daran war eine einzige Person, von der ich gedacht hatte, dass sie mein Seelenverwandter war, nicht irgendein Kerl, der mir das Herz aus der Brust reißen würde.
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LEAVE THE PAST BEHIND
Romance»Wir sind voll von Chaos, aber genau deswegen liebe ich uns zusammen so sehr.« Als Everlyn Monroe zusammen mit ihren Freunden ihre einst so geliebte Heimat Portland verlässt, hat sie nur ein Ziel vor Augen, das sie um jeden Preis erreichen möchte: e...