KAPITEL 4

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»Ich liebe diesen Ort.«, seufzte ich und streckte mein Gesicht der warmen Sonne entgegen. »Irgendwie erscheint es mir noch immer so unwirklich, dass ich so einen wundervollen Ort wie diesen praktisch direkt vor meiner Haustür habe.«

Vom Wasser her wehte ein warmer Wind herüber, der unsere Haare zerzauste und leise Worte in unsere Ohren flüsterte, die wie eine fremde Sprache klangen. Der helle Sand unter uns war warm und fein, sodass er durch unsere Finger rieselte, sobald wir ihn in die Hand nahmen. Und der Himmel hatte einen strahlenden Blauton angenommen, wie man ihn noch nicht gesehen hatte. Alles war perfekt und klang nach einem Sorgen freien Leben, das Liv und ich bereits seit zwei Stunden genießen durften. Dass es nicht von Dauer war, ließ ein drückendes Gefühl in meiner Brust entstehen. Ich wollte nicht, dass dieser Tag jemals endete und ich die Maske meines Alltags wieder aufsetzen musste, hinter der ich meistens all meine Emotionen verbarg, um die Fassade einer fröhlichen Everlyn aufrecht zu erhalten.

Liv schenkte mir eines ihrer strahlendsten Lächeln, das ihre himmelblauen Augen aufleuchten ließ, während ihre schulterlangen, braunen Haare in der warmen Brise wehten und es einem unmöglich machte, sie nicht anzusehen. Ein Wunder, dass Liv keinen Freund hatte. »Ich weiß ganz genau, was du meinst.«, sagte sie, »Ich wohne schon mein ganzes Leben lang hier und bin selbst jedes Mal aufs Neue überwältigt von diesem Anblick.«

Ich ließ meinen Blick über den Strand wandern und lächelte, ein echtes, lebendiges Lächeln, von dem ich selbst überrascht war, dass ich es noch besaß trotz all des Schmerzes, der in mir existierte. »Weißt du, das ist fast der einzige Ort, an dem ich mich...frei fühle.«, begann ich zögernd, »Ich habe das Gefühl, mich nicht verstecken zu müssen, kann meinen Gefühlen freien Lauf lassen, weil ich hier einfach nur ich sein kann. Klingt seltsam, oder?« Ich schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken zu vertreiben.

»Nein, Everlyn, kein bisschen. Mir geht es ganz genauso, vor allem nach Conleys Tod bin ich oft hier runtergekommen, um meinem traurigen Alltag entfliehen zu können. Der Strand ist eine ganz eigene Welt, in der man...vergessen kann.« Der Schatten, der bei dem Namen Conley über ihre Augen huschte, war genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war, aber er war da gewesen und ich hatte ihn gesehen. Es war eins dieser Themen, über die Liv nicht gerne sprach.

Vor ungefähr einem Jahr hatte Liv ihr Pferd bei einem schweren Reitunfall verloren, der nicht nur das Leben ihres Pferdes, sondern noch ganz andere Dinge gefordert hatte. Ich hatte sie zu der Zeit zwar noch nicht gekannt, weil ich noch völlig ahnungslos in Portland gelebt hatte, aber seit Liv und ich Freunde waren, hatte sie mir einiges darüber erzählt, auch wenn es ihr anfangs schwergefallen war. Mittlerweile schien sie den Verlust zwar einigermaßen überwunden zu haben, aber eine tiefe Wunde würde immer bleiben. Ich wusste nur zu sehr, wie das war. Nicht anders ging es mir mit Emmas Tod.

»Wie recht du hast.«, sagte ich nachdenklich und dachte dabei an die Zeit in Portland zurück. » Dort, in Portland, meine ich, gab es so etwas Schönes nicht...leider. Ich...ich glaube, nach ihrem...Tod hätte ich es gut gebrauchen können.« Eine klitzekleine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel. Schnell wischte ich sie fort, damit Liv nichts mitbekam. Ihrem Blick zu deuten, war ich zu langsam gewesen. Ich seufzte.

»Vermisst du die Zeit in Portland manchmal?«

Die Frage ließ mich abrupt zusammenzucken, während das Lächeln in meinem Gesicht in Sekundenschnelle verrutschte und zu einem schmalen Strich wurde, der einfror. Automatisch beschleunigte sich mein Herzschlag und Tausend Erinnerungen schossen in meinen Kopf. Ich hatte das Gefühl, er müsse platzen. Beruhig dich, Everlyn.

Liv wartete geduldig, drängte mich zu nichts. Ich nahm einen tiefen Atemzug und spürte sogleich, wie eine Last von mir abfiel. Vermisste ich...Portland? Diese Frage stellte ich mir wieder und wieder...keine Antwort. Ich wusste es nicht.

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