18. Kapitel (Teil 2)

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Der Blick, den ich von ihm kriege, ist einfach unbezahlbar. Seine Augen und den Mund hat er weit aufgerissen. Eine Mischung aus Schock und Unglauben. Vielleicht auch ein wenig Unsicherheit und Verzweiflung. Genau was ich erwartet hatte.

Ich grinse böse und hebe herausfordernd die Augenbrauen. „Worauf wartest du?“

„Bist du vollkommen bescheuert?! Ich werf doch jetzt kein Messer nach dir!“, ruft Terence wütend. Sein Ego ist angekratzt, ich habe ihn genau da getroffen, wo ich wollte.

„Ich dachte du kannst alles?“, provoziere ich ihn. „Los, du Held. Wenn du alles kannst, muss ich mir ja auch keine Sorgen machen.“ Ich schüttle meine nassen Haare aus dem Gesicht und verschränke die Hände hinter dem Rücken. Mittlerweile durchdringt das Licht der Sonne die Schatten des Waldes.

Annika und Jack schauen uns amüsiert zu. Sie wissen genauso gut wie ich, dass er dieses Messer nicht werfen wird. Terence scheint sich da nicht so sicher zu sein. Offensichtlich zieht er es ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Was kann schon groß passieren? Mit einem Messer im Kopf lässt es sich auch bestimmt toll leben...

Ich beobachte wie er mit sich selbst ringt. Und dann hebt er doch tatsächlich die Hand und holt aus. Jetzt wird mir ein wenig mulmig. Ich weiß, dass er nicht mit Messern umgehen kann. Ist sein Stolz ihm wirklich so wichtig, dass er riskieren würde, mich zu verletzen? Trotz meiner Zweifel bleibe ich stehen wo ich bin. Vielleicht setze ich zu viel Vertrauen in sein Urteilsvermögen...

Terence nimmt die Ausgangsposition ein. Seine Muskeln spannen sich an. Ich atme tief durch. Er sieht mir in die Augen. Und lässt den Arm wieder sinken. „Das ist doch verrückt!“, verkündet er und schmettert die Klinge wütend zu Boden. Dann rauft er sich die Haare. „Du würdest doch auch nicht auf einen von uns werfen!“

Diese Herausforderung nehme ich an. „Annika?“

Ohne zu zögern kommt meine beste Freundin auf mich zu und nimmt meinen Platz ein. Sie strahlt die gleiche Gelassenheit aus, dich auch ich an den Tag lege. Allerdings war meine in den letzten Minuten geheuchelt, wohingegen ihre durch und durch echt ist. Sie setzt ein Vertrauen in mich, dass nicht einmal meine Schwester aufbringen könnte.

Ich hebe das Messer auf, drehe mich zu ihr und hole aus. „Bereit?“

„Mach´s nicht so spannend, du Dramaqueen“, antwortet sie grinsend.

Und schon fliegt das Messer. Es trifft. Es trifft den Baum, keinen Zentimeter über ihrem Scheitel. Ich stehe da wie eine Eins und strahle vor Stolz. Ich kann wirklich nicht viel von mir behaupten, aber mit Klingen kann ich verdammt noch mal richtig gut umgehen.

Das will Terence aber leider nicht einsehen. „Das war einfach Glück! Und ihr beide habt sowieso einen Schaden! Wer wirft schon mit Messern auf seine Freunde?“

Ich werfe ihm einen Blick zu, dann Annika. Sie nickt, zieht die Klinge aus dem Baum und wirft sie mir zu. Ich fange sie, wirble herum und lasse sie fliegen. Terence hat gar keine Zeit um zu reagieren. Erneut treffe ich mein Ziel. Das Messer steckt bis zum Griff in der Erde. Genau zwischen Terrs Füßen.

Jetzt lächle ich nicht mehr. Ich starre ihn an, mein Blick eine einzige Warnung: Provoziere mich nicht. Und Terence hält den Mund. Kurz blitzt sogar etwas wie Respekt in seinen Augen auf. Ich schöpfe schon Hoffnung, dass wir diesen ganzen Blödsinn mit: „Ich bin der Größte – Nein, ich bin der Größte“ hinter uns lassen können, da schüttelt er den Kopf und dreht sich weg.

Ich seufze leidgeprüft und sehe zu Annika hinüber. Diese verdreht die Augen und zuckt mit den Schultern. Männer und ihre Egos. Welche Frau kennt das nicht?

Die letzte ErbinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt