11. Kapitel

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Als ich aufwache, ist es bereits hell. Das merke ich an der Art, wie sich die Sonnenstrahlen in mein Gehirn bohren, sobald ich die Augen öffne. Stöhnend schließe ich sie wieder. Ich schmecke Blut. Meine Lippen sind rissig, trocken und aufgesprungen. Aber das ist nichts im Vergleich zu meiner Schläfe. Und meinem Rücken. Und meinen Rippen. Und generell allem. Ich weiß nicht einmal mehr wie es sich anfühlt, wenn der Körper voll einsatzfähig ist.

Ich liege wieder auf dem Bauch. Mein Rücken wird von einer sanften Briese gekühlt. Dafür ist mein Nacken so steif und verdreht, dass er sicher abbricht, wenn ich mein Gesicht vom Boden hebe. Ich liege mit der verletzten Schläfe nach unten da. Tut gut. Ja, wirklich. Wen stört es schon, wenn Kiefernnadeln in einer Platzwunde stecken.

Ich habe Hunger, fällt mir auf. Und Durst, versteht sich. Aber was wäre das Leben ohne diese kleinen unwichtigen Dinge, die sich Grundbedürfnisse nennen.

Ich kann nicht richtig atmen. Meine Lippen kann ich kaum öffnen, ohne dass sie anfangen zu bluten. Meine geprellten Rippen erledigen das Übrige.

Ich höre leise Stimmen. Hört sich an als würden sie sich streiten. In einem Anfall von Masochismus hebe ich erneut meine schweren Augenlieder und lasse mein Gehirn einfach weiter vor Schmerzen brüllen. Alles was ich sehe ist verschwommen. Wie durch einen milchigen Nebel sehe ich zwei Personen ein paar Meter entfernt stehen. Eine ist groß mit dunklen Haaren. Terence. Definitiv. Die andere ist klein mit langen blonden Haaren, zumindest schließe ich das aus diesem Heiligenschein-Leuchten. Eine Frau. Sie fuchtelt mit den Armen herum, als wollte sie einem Argument mehr Nachdruck verleihen. Und ich kenne nur eine, die dabei so energisch ist.

Annika.

Ich muss den Namen wohl laut gesagt haben, denn auf einmal wenden die beiden den Kopf und sehen mich an. Jetzt ist es wohl zu spät, um zu lauschen. Annika kommt gleich zu mir und kniet sich neben mich.

„Geht es dir gut? Brauchst du irgendwas?“, fragt sie ganz besorgt. Als wäre nichts gewesen.

„Wie wäre es mit einer Pistole und zwei Patronen?“, knurre ich sie an. Meine Stimme ist ganz rau und kratzig. Ich schaue sie an und alles was ich empfinde ist Bedauern. Die Kraft für meine Wut habe ich schon lange aufgebraucht. Sie hat mich so sehr verletzt.

„Als könntest du mit einer Waffe umgehen“, kommentiert Terence, der hinter mir steht, sodass ich ihn nicht sehen kann.

„Terr, zieh Leine!“, ruft Annika aufgebracht. „Du bist hier echt nicht hilfreich!“

„Hilfreich bei was?“, krächze ich.

„Dich davon zu überzeugen, dass wir auf deiner Seite sind“, antwortet er an ihrer Stelle.

Ohne es zu wollen, muss ich lachen. Mein ganzer Körper wird durchgeschüttelt und meine Tränen werden vom Waldboden aufgesaugt. Obwohl es höllisch weh tut, kann ich nicht aufhören. Mein Lachen klingt hysterisch, komplett wahnsinnig um ehrlich zu sein. Es ist einfach so absurd. Glaubt er ernsthaft, dass ich ihm das abkaufe? Annika ist vielleicht ein bisschen naiv was ihn betrifft. Aber ich habe in den letzten Tagen viel gelernt.

Die letzte ErbinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt