17. Kapitel

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Die Klamotten, die meine Freundin für mich herausgesucht hat, bestehen aus einer Stoffhose mit Tarnmuster, einem weißen Top und einer schwarzen Kaputzenjacke. Bequem, warm und weit geschnitten. So wie ich es mag (und brauche, wenn wir noch länger hier draußen unterwegs sind). Das Einzige, was noch fehlt, sind Socken und Schuhe.

Nachdem ich mich umgezogen habe, macht Annika Anstalten, sofort wieder zurück zu gehen, doch ich halte sie auf. Wir haben die ganze Zeit geschwiegen, aber jetzt will ich etwas von ihr wissen: „Was ist das mit Jack?“

Sie schaut überall hin, nur nicht zu mir. „Was meinst du?“, weicht meine beste Freundin aus, als wisse sie nicht, was gemeint ist.

Ungeduldig verdrehe ich die Augen. „Du willst mich doch verarschen! Wieso bist du gerade so ausgeflippt? Nur weil er anzügliche Witze macht?“

„Weißt du eigentlich wie es ist, neben dir immer unsichtbar zu sein?“, schreit sie mich plötzlich an. Ich befürchte, dass dieses Gespräch in eine ganz andere Richtung verläuft, als ich erwartet habe.

„Was?“, frage ich verwirrt und überrascht. Ich weiß weder worauf sie hinaus will, noch wo diese Wut auf einmal herkommt.

„Oh tu doch nicht so unschuldig!“, zischt Annika erbost. „Du weißt ganz genau was ich meine! Ständig kleben dir irgendwelche Typen am Arsch. Egal wo du bist, was du anhast oder wie du sie behandelst; sie haben immer nur Augen für dich! Neben dir bin ich unsichtbar!! Du hast dir Terence gekrallt, der mit Abstand der beliebteste Kerl im Dorf ist. Und jetzt wo wir aus diesem Höllenloch raus sind?! Jetzt schnappst du dir den nächsten! Wie wär´s wenn du dich einfach mal auf einen beschränkst, Roxan?“ Während ihrer ganzen Tirade fuchtelt sie wild mit den Armen.

Aber sie ist nicht die Einzige, die wütend ist: „Sag mal, geht’s noch?!“, rufe ich. „Ich kann nichts dafür, dass die Typen in unserem Dorf einen Schlag haben! Was soll ich deiner Meinung nach tun? Mir mit ´nem Messer das Gesicht zerfetzen?! Als nächstes: Terence und ich haben rein gar nichts miteinander!“ An dieser Stelle schnaubt sie verächtlich. „Und noch etwas: Ich will nichts von Jack, genauso wenig wie er was von mir will. Er ist mein Gefährte, nicht mehr, nicht weniger.“

„Da ist es schon wieder!“, brüllt sie. „Dieses Wort. Gefährte. Gefährte, was zur Hölle soll das heißen?!“

„Das erklärt er dir besser selbst“, gebe ich zurück. „Mir glaubst du doch kein Wort.“ Dann kommt mir noch ein Gedanke: „Wie kommst du eigentlich darauf, dass sie Interesse an mir haben? Vielleicht haben sie nur gestarrt, weil sie darauf gewartet haben, was ich als nächstes anstelle.“ „Und außerdem weiß ich, dass sie dich angestarrt haben“, hänge ich in Gedanken noch an, sage es allerdings nicht laut. „Du bist viel schöner als ich. Und klüger, begabter, netter und lustiger.“

„Hör endlich mit diesem Mist auf! Wie viele Beweise brauchst du noch?! Terence, Jack, mein Vater...“, dann verstummt sie plötzlich und atmet scharf ein.  Ich zucke zusammen. Das tat weh. Annika versucht zurück zu rudern: „Entschuldige. Das war nicht so gemeint.“

Ich hebe abwehrend die Hände, kann ihr aber nicht in die Augen sehen. „Schon gut“, sage ich kalt. Dann drehe ich mich um und stapfe zur Lichtung. Ich höre, wie Annika mir nacheilt, drehe mich aber nicht um.

Die letzte ErbinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt