21. Kapitel (Teil 1)

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Ich werde von grellem Sonnenlicht geweckt. Meine Augen sind verklebt und auf meinen Wangen spüre ich das getrocknete Salz der Tränen, die ich vergossen habe.

Mein Kopf und auch der Rest meines Körpers tut (wie immer in letzter Zeit) weh. Meine Rippen sind von meinem gestrigen Sturz offensichtlich nicht besonders begeistert. Mein rechter Knöchel und beide Knie sind ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden. Ansonsten bin ich mit einigen Kratzern und Schürfwunden gut davongekommen. All das registriere ich innerhalb von wenigen Sekunden.

Noch bevor ich die Augen öffne, höre ich wieder die Stimme in meinem Kopf: „Du fügst dir schneller Wunden zu, als sie heilen können. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich eine ernsthaft entzündet und du an Blutvergiftung stirbst.“

„Dann wäre wenigstens dieses Chaos vorbei“, stelle ich nüchtern fest.

„Wenn du eine Lösung für unser Problem hast, immer her damit“, höre ich eine vertraute tiefe Stimme direkt neben mir.

„Wie kann es sein, dass du immer dann in der Nähe bist, wenn ich mit mir selbst rede und du der Letzte bist, der es hören sollte. Wie machst du das, Terence?“, frage ich seufzend, die Augen immer noch geschlossen. Ich weiß, dass sich der Schmerz in meinem Kopf verdreifacht, sobald ich sie öffne.

„Ich denke, es liegt nicht an mir sondern an dir. Vielleicht will dein Unterbewusstsein mir sagen, was du wirklich denkst?“, schlägt Terence vor. „Wenn du richtig wach wärst, würdest du dich bewusst dagegen entscheiden.“

„Kannst du nicht einfach die Klappe halten und mich in Ruhe lassen?“, murre ich schlecht gelaunt.

„Also hatte ich recht“, triumphiert er. Ich kann das Grinsen auf seinen Lippen förmlich hören. „Was stört dich mehr? Dass ich wie immer recht hatte oder dass ich dich nicht in Ruhe lasse, bis du mir sagst, was du vorhin gemeint hast.“

Ohne nachzudenken reiße ich die Augen auf, um ihn böse anzustarren, und bereue es sofort. Das grelle Licht bohrt sich brutal in mein Gehirn und mir schießen Tränen in die Augen. Ich blinzle und versuche etwas anderes als gleißendes Licht zu erkennen.

Während sich das Stechen auf ein dumpfes Dröhnen und Pochen reduziert, klärt sich auch langsam mein Sichtfeld. Über mir ziehen reinweiße Wolken über einen taubenblauen Himmel. Die kahlen Äste der umstehenden Laubbäume wirken wie Risse in einem alten Ölgemälde. Wunderschön.

Aber leider viel zu hell für mein überstrapaziertes Hirn. Ich setzte mich langsam auf und beiße mir dabei auf die Zunge, um nicht laut aufzustöhnen. Mein Kopf dreht sich, mein Nacken ist steif und mein Rücken verspannt. Die Verbrennung von der Kohle ist auch wieder aufgeplatzt, das merke ich an dem klebrigen Gefühl zwischen meinen Schulterblättern.

Ich sitze gebeugt da und versuche meine Augen mit meinen Händen zu kühlen, die fast immer kalt sind, wie die einer Leiche. Meine Klamotten und Haare sind vom Nachtnebel klamm. Mir kommt es so vor, als hätte sich eine Schicht aus Feuchtigkeit auf meine Haut gelegt, die mir immer weiter Körperwärme entzieht.

Gleichzeitig fühlt es sich an, als würde ich von innen heraus gefrieren. Seit Jack gestern seine Ansprache beendet hat, breitet sich eine seltsame Taubheit und Kälte in mir aus, die mir zugleich Angst und Erleichterung verschafft. Angst, weil ich dieses Gefühl nicht kenne und es immer mehr Besitz von mir ergreift. Erleichterung, weil ich bei dem Gedanken an meine Schwester und was ihr zustoßen könnte, nicht mehr in Panik verfalle. Zumindest nach meinem Aussetzer gestern. Die Albträume von heute Nacht konnte ich zur Seite schieben, ohne noch einmal darüber nachzudenken. Sie sind noch da, irgendwo in einer dunklen Ecke meines Gehirns. Aber sie lähmen mich nicht mehr.

Die letzte ErbinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt