7. Kapitel

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Kälte durchströmt mich. Wo vorher Mitleid war, ist jetzt Wut. Und Hoffnungslosigkeit. Die Gefühle kämpfen gegeneinander. Doch schließlich gewinnt die Wut.

„Ist das dein Ernst? Du hast nichts Besseres zu tun als mir eine gestohlene Kette zu schenken? Mir. Derjenigen, die am Tag zuvor einen Menschen ermordet hat?“, schreie ich ihn an. Er zuckt zusammen. „Hattest du von Anfang an vor, mich den Hunden zum Fraß vorzuwerfen oder ist dir das auf halber Strecke eingefallen?!“

Das Echo meiner Stimme verklingt, während ich vergeblich auf eine Antwort warte. Die Hände zu Fäusten geballt. Bebend vor Zorn. Mein Herz schlägt schmerzhaft gegen meine Rippen. Mein Atem geht keuchend. Das Adrenalin schießt wie Säure durch meinen Körper. Die Sekunden vergehen. Er sieht nicht auf, zeigt keine Reaktion.

Durch zusammen gebissene Zähne zische ich: „Denn wenn du es nicht mit Absicht getan hast, dann bist du einfach nur dumm.“

Bei diesen Worten schaut Terence auf. Seine Augen glühen. Ich mache einen Schritt zurück. Die Wildheit in seinem Blick erschreckt und fasziniert mich gleichermaßen. Er richtet sich zur vollen Größe auf, jeder Muskel ist angespannt und kampfbereit.

„Du nennst mich dumm?“, knurrt er bedrohlich. Seine Stimme verursacht mir Gänsehaut. Er jagt mir keine Angst ein. Im Gegenteil, es ist frustrierend, dass er mich immer wieder verletzt und ich ihm dennoch kaum wiederstehen kann. Die schwarzen, störrischen Haare. Die dichten Wimpern. Die blasse, makellose Haut. Die verführerischen, vollen roten Lippen. Selbst rasend vor Zorn ist Terence Lavis noch wunderschön.

„Ich bin dumm? Wer von uns provoziert Ärger bei jeder Gelegenheit? Wer von uns ist vorlaut und leichtsinnig, in der Schule, auf dem Platz, vor Gericht? Du bist unvernünftig und unvorsichtig. Du machst dich über die Regierung lustig, ohne über die Konsequenzen nach zu denken. Du bist dumm.“ Die Worte klingen gepresst. Er versucht mühsam  nicht zu brüllen. Während er redet, huscht sein Blick immer wieder zur Tür. „Du bist dumm. Dir ist wahrscheinlich noch nicht einmal in den Sinn gekommen, dass die Wachen jeden Moment zurückkommen können. Wir kriegen beide Probleme, wenn sie unsere Unterhaltung hören. Wenn du mir also bitte leise Vorwürfe an den Kopf werfen könntest, wäre das äußerst reizend!“

Ich sehe ihn schweigend an. Natürlich hat er Recht. In den letzten Jahren, hatte ich mehr Glück als Verstand. Und mir ist tatsächlich nicht der Gedanke gekommen, dass wir leise sein sollten. Deshalb tun seine Worte aber nicht weniger weh.

„Er bezeichnet dich als dumm und du stimmst ihm auch noch zu?!“, ruft mein zweites Ich empört.

Ich schüttle den Kopf um das Miststück zu vertreiben. Ich brauche nicht noch jemanden, der auf mir herumhackt. Ich fühle mich elend. Nicht nur, weil er die Wahrheit gesagt hat. Vor zwei Minuten habe ich noch gehofft, dass wir vor meinem Urteil Frieden schließen könnten. Jetzt hoffe ich nur noch, dass er bald geht, damit ich mich in den Schlaf weinen kann. Und ich weiß auch, wie ich ihn loswerden kann.

Ich neige den Kopf und nehme ohne ihn anzusehen die Kette ab. Sie ist so zart, so unglaublich schön. Ich halte sie ihm hin und starre weiterhin auf meine Füße. Er soll nicht wissen, wie verletzt ich bin. Und enttäuscht und mutlos. Der Blütenanhänger baumelt träge zwischen uns hin und her. Obwohl ich sie erst seit einem Tag habe, vermisse ich schon jetzt das Gewicht der Kette. Ich kämpfe mit den Tränen, mein Hals ist wie zugeschnürt. „Nimm sie. Es ist besser wenn ich sie nicht länger habe“, flüstere ich.

Die letzte ErbinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt