Laster

212 1 0
                                    

Die Fahrt dauerte nicht lange, vor der Einfahrt stieg ich vom Motorrad ab und drückte Juice den Helm in die Hand. „Danke für's fahren," druckste ich ein wenig herum und fügte kleinlaut hinzu, „auch wenn es nicht ganz freiwillig war. Will dich nicht in Schwierigkeiten bringen." Er seufzte, „tust du nicht, war ja Clays Entscheidung." Es war einen Moment still zwischen uns, ich wusste nicht so richtig was ich sagen sollte, geschweige denn was ich wollte. „Hmm", presste ich heraus, „willst du mit rein kommen?" Ich kramte in meiner Umhängetasche nach dem Hausschlüssel um seine Reaktion auf meine überaus dämliche Frage nicht sehen zu müssen. Er zögerte ziemlich mit seiner Antwort, „ich weiß nicht...es ist nicht so dass ich nicht will, aber das ist Clays Haus." „Ja schon klar", verzog ich etwas peinlich berührt meinen Mund. „Außerdem sollst du schlafen", merkte er noch an. „Ich kann sowieso nicht schlafen", sagte ich erst einmal dagegen und wurde dann etwas hektisch, „naja wie auch immer, man sieht sich." Drehte ich mich um und ging schnellen Schrittes zur Haustüre, noch bevor ich den Schlüssel in das Schloss steckte, hörte ich das Motorengeräusch. In dem Moment wäre ich am liebsten in Grund und Boden versunken, ich drehte den Schlüssel schnell um und rannte in das Haus.

„Peinlich, peinlich, peinlich", fluchte ich vor mir her und warf den Schlüssel auf den Wohnzimmertisch. Der Vogel beäugte mich mal wieder. „Sei froh dass du ein Vogel bist", sagte ich und haute mir anschließend mit der flachen Hand gegen die Stirn, „du spinnst doch Millie." Ich kramte mein noch immer leeres Handy aus der Tasche und suchte anschließend in der Reisetasche nach meinem Ladekabel, welches ganz unten unter den Socken versteckt war. „Na also", schloss ich es an schaltete es aber nicht ein. Im selben Moment erschrak mich ein lautes Klopfen, ich schob verwirrt meine Brauen zusammen und ging langsamen Schrittes zur Haustüre. Etwas zögerlich öffnete ich diese einen Spalt und wunderte mich über das was ich da sah, Juice. „Hi", lächelte er ein bisschen verlegen, „ziemlich peinlich oder?" „Willst du jetzt doch rein kommen?" Kam ich mir total bescheuert vor als ich die Frage stellte. „Naja...ich dachte wenn du sowieso nicht schlafen kannst", zuckte er mit den Schultern. Ich öffnete die Türe komplett und deutete somit an dass er rein kommen konnte.

Er ging vor ins Wohnzimmer und ich trabte wie eine lahme Ente hinterher, und als er stehen blieb tat ich das ebenfalls, mit einem gewaltigen Sicherheitsabstand. Er drehte sich um und hob seine Brauen, „tja...irgendwie komisch hier zu sein." „Wem sagst du das", wusste ich mal wieder nicht was ich sagen sollte, „ehm...du kannst dich hinsetzten, willst du was zu trinken haben?" Deutete ich auf's Sofa. Er nickte lediglich und ich wusste nicht ob das Nicken auf das Sofa bezogen war oder auf etwas zu trinken, wollte aber auch nicht noch einmal nachfragen und ging ein paar Meter weiter zu der offenen Wohnküche.

Aus dem Kühlschrank nahm ich eine Colaflasche und stellte sie auf den Tresen ab. Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen und fischte anschließend zwei Gläser aus dem, für mich viel zu hoch angebrachten, Hängeschrank und stellte sie ebenfalls auf den Tresen. „Willst du üb...", drehte ich mich um und erschrak, denn Juice stand direkt hinter mir. Meine ganze Grübelei darüber was ich überhaupt zu ihm sagen sollte hatte mich so sehr abgelenkt, dass ich gar nicht bemerkte dass er näher gekommen war. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldigte er sich und antwortete gleich auf meine nicht zu Ende gestellte Frage, „Cola ist ok." „Gut", sagte ich knapp und wollte mich wieder zum Tresen umdrehen als er mich zu sich zog und in den Arm nahm. Seine Nähe tat mir unglaublich gut, ich fühlte mich sofort geborgen und sicher. Es war ein schönes Gefühl welches mein Herz nicht nur zum rasen brachte, sondern auch erwärmte. Sein Geruch war mir nach all der Zeit noch immer vertraut als wäre er nie weg gewesen, hier wollte ich bleiben in seinen Armen und all das vergangene vergessen, aber mir war bewusst dass das einfach nicht möglich war.

„Ich merke doch das irgendwas nicht stimmt", nuschelte er leise in meine Haare, aber ich verstand trotzdem jedes Wort. Meine Augen füllten sich mit Tränen, ich wollte nicht weinen das war ein Zeichen von Schwäche, ich musste stark sein, für meine Mutter. Ich schluckte einmal und löste mich dann ziemlich unsanft aus seiner Umarmung. Er starrte mich erwartungsvoll an, als müsste ich ihm was sagen, aber selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich meine Lippen in diesem Moment nicht auseinander bekommen. Es kostete mich eine menge Kraft meine Tränen zu unterdrücken. „Ist es wegen Gemma? Ihr geht es doch gut, es war nur ein Autounfall." Fragte er und versuchte dabei meinen Blick einzufangen, aber meine langen dunkelbraunen Haare fielen wie ein Schutzschleier in mein Gesicht. Als er den Namen meiner Mutter aussprach kam ein erneuter Schub, ich spannte meine Muskeln so sehr an, dass mein ganzer Brustkorb schmerzte und ich einige Sekunden lange überhaupt nicht atmete, bis die Luftnot ein großes Schluchzen herausplatzen ließ. „Gott Millie, red' doch mit mir", hörte ich Verzweiflung in seiner Stimme. Ich gab zu ich war nicht einfach und mir tat es unglaublich leid, dass er sich nun Gedanken machte. Ich atmete tief ein und wieder aus und zwang mich zu lächeln, ehe ich den Haarschleier hinter meine Ohren strich und wieder zu ihm aufschaute. „Es ist alles in Ordnung, das mit meiner Mutter war einfach ein bisschen zu viel", sagte ich damit nicht viel, aber zumindest die Wahrheit. Er sah mich mit traurigen Augen an und ich wich seinem Blick aus indem ich mich umdrehte und endlich die Cola einschüttete. Noch einmal brauchte ich einen Moment um mich endgültig zu fassen, ehe ich ihm sein Glas in die Hand drückte und mit meinem schon vor zum Sofa ging. Ich nahm erst mal einen großen Schluck, das Kribbeln der Kohlensäure tat fast weh, in meinem Hals. Juice zögerte einen Moment bis er sich zu mir setzte. Ich war froh dass er nicht weiter nachfragte, obwohl ich wusste dass er sich nun alle möglichen Gedanken über mich machte, das tat mir unglaublich leid, aber ich konnte ihm schließlich schlecht die Wahrheit sagen.

the worst part is: there's no one else to blame [SOA] Juice x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt