mit Gottes Hilfe

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Die Jungs würden die Zeit bis zur Anhörung wie vermutet im Gefängnis von Stockton verbringen. Gestern Mittag teilte Alley, die Anwältin des Clubs, uns die Nachricht mit. Noch um einiges Schlimmer war, dass die Kaution insgesamt auf eine halbe Millionen Dollar gesetzt wurde. Das Geld was wir auf die Schnelle auftreiben konnten, reichte vielleicht gerade so für Clay und Jax, aber im Club hieß es alle oder keiner, irgendwie auch verständlich. Meine Mutter hatte Elliott Oswald um das Geld gebeten, doch er lehnte ab und selbst das konnte ich verstehen. Denn wenn bis zur Anhörung auch nur einer von ihnen wieder Straffällig werden würde, würde er seinen gesammten Besitz verlieren. Ihm war das Risiko einfach zu groß und somit war die Möglichkeit sie dort heraus zu bekommen fast unlösbar geworden.
Mein Vater hatte sich ein Handy besorgt und Opie angerufen. Er sagte wir sollen uns keine Sorgen machen, er machte allerdings auch deutlich dass sie dringend Schutz brauchten, wenn das auch so bleiben sollte. Das beruhigte mich absolut nicht und es würde mich nicht wundern wenn er Opie irgendwas aufgetragen hätte um alles voran zu treiben, aber davon erwähnte er verständlicherweise nichts.

An diesem Morgen musste ich wegen einer Krankmeldung auf der Urologie einspringen. Der Frühdienst kam mir ganz gelegen, denn unter den Umständen hätte ich meine paar freien Tage sowieso nicht genießen können. Gerade hatte ich meinen Dienst beendet, als ich auf dem Weg zur Umkleidekabine war, dabei kam ich an der kleinen Krankenhauskapelle vorbei und schaute beim vorbeigehen eher zufällig durch die zwei Fenster in den Türen. Ich glaubte nicht richtig gesehen zu haben, darum ging ich noch einmal drei Schritte zurück um mich zu vergewissern. Tatsächlich, meine Mutter kniete auf den Boden vor dem Altar und schien zu beten. Das hatte ich wirklich noch nie gesehen, ich zögerte einen Moment ehe ich eintrat. Sie drehte sich im selben Moment um.
„Du musst sehr verzweifelt sein wenn du Gott um Hilfe bittest." Machte ich ein ziemlich dummes Gesicht und setzte mich in die vorletzte Reihe. Sie stand auf und ging rüber zu den Kerzen, um eine anzuzünden, das Bild war wirklich sehr befremdlich für mich. „Es kann in unserer momentanen Situation nicht schaden ein paar Gebete zu sprechen", sagte sie knapp, aber ernst und zündete eine weitere an, bevor sie zu mir rüber kam und sich neben mich setzte. Dafür hatte ich nur einen ablehnenden Seufzer übrig. „Ich werde nochmal mit Elliott reden", sagte sie zu mir, während sie starr nach vorne schaute, „er muss uns einfach helfen." „Du kannst den Mann nicht dazu zwingen", schob ich meine Augenbrauen zusammen. Sie stellte sich alles immer so schrecklich einfach vor, aber so war es nun mal nicht. „Wenn er uns nicht hilft, solltest du lieber anfangen ein paar Stoßgebete auszusenden, denn lange werden sie dort ohne Schutz nicht überleben", schaute sie mich noch immer nicht an. „Glaub mir Mum ich weiß das und mich lässt das auch nicht kalt, ich sage dir nur, dass du ihn nicht zwingen kannst den Club das Geld zu geben. Wir müssen gucken ob es irgendeine anderen Möglichkeit gibt", legte ich ihr nah. „Die gibt es nicht", presste sie stur heraus. „Jaaa", verzog ich genervt mein Gesicht. Wenn sie sich irgendwas fest in den Kopf gesetzt hatte, wollte sie das auch genauso durchsetzen, einen anderen Weg gab es nicht und zugegeben mir fiel auf Anhieb auch nichts besseres ein. Dennoch hatte er schon einmal Nein gesagt. Was sollte ihn also plötzlich umstimmen?

Wir saßen eine Weile schweigend nebeneinander, sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und ich meine Hand auf ihren Oberschenkel. „Vielleicht habe ich mich getäuscht", sagte sie plötzlich und unglaublich leise. „Wobei?" Fragte ich nach. Es kam äußerst selten vor dass meine Mutter sich einen Fehler eingestand. „In dir", antwortete sie knapp und noch bevor ich etwas darauf entgegnen konnte sprach sie weiter, „vielleicht wärst du doch 'ne gute Old Lady für Juice, für den Club." Ich lehnte mich etwas zur Seite, so dass sie ihren Kopf von meiner Schulter nehmen musste und schaute sie böse an, „ich glaube das einfach nicht. Jetzt wo er im Knast ist gibst du uns indirekt deinen Segen? Andere Mütter würden laut RENN' WEG schreien!" Ich schüttelte ungläubig mit den Kopf, „das kann doch echt nicht wahr sein. Gehen wir mal davon aus, Oswald bezahlt die Kaution, schön und gut, aber was ist dann mit der Anhörung in ein paar Monaten? Dann wandert er für, sagen wir mal wenn's gut läuft, zwei Jahre in den Knast. Ich bin nicht bereit darauf zu warten." Ärgerte ich mich unheimlich über ihre Worte, auch wenn sie es womöglich gut meinte, ich schaute sie fast schon fassungslos an, „innerhalb von 48 Stunden hast du deine jahrelang verinnerlichte Meinung darüber einfach mal geändert? Aus welchem Grund? Das würde mich mal brennt interessieren." Sie legte ihre Hand auf meine Wange und fixierte meinem Blick, „ich sehe wie du dich bemühst." Ich unterdrückte mir einen weiteren Seufzer und neigte stattdessen enttäuscht meinen Kopf gen Boden, „das soll deine Antwort sein?" „Nein", sagte sie direkt dagegen, fasste mit ihrer Hand unter mein Kinn und hob es an, so dass wir uns wieder ansahen, „es ist anders als damals, anders als die Male die du zwischenzeitlich hier warst. Du hast dich verändert du siehst klarer, kommst den Club sogar näher, auch wenn es dir schwer fällt. Ich weiß nicht ob die schrecklichen Dinge die passiert sind der Grund dafür sind, aber ich weiß dass du stark bist, du wirst das durchstehen und ich werde dir dabei helfen. Tara wird dir helfen, der Club." Das was sie sagte erheiterte meine Stimmung in keinster Weise, eine Mischung aus Ärger und Schwermut übernahm das Kommando in meiner Gefühlswelt. „Bin ich nicht Mum. Meine Gedanken machen mich verrückt, nicht zu wissen was da passiert, nichts von ihnen zu hören...nichts von Juice zu hören, bis auf ein ziemlich fragwürdiger Anruf von Dad, dass es langsam eng wird. Ist ja wirklich SEHR beruhigend. Ich bin dafür nicht gemacht, das geht einfach nicht", redete ich mich vollkommen in Rage, was dazu führte das meine Atemfrequenz beschleunigte, so viele Worte zu wenig Luft. „Doch das bist du Liebes. Mir geht es genauso...", machte sie eine kurze Pause um einen Arm um mich zu legen, „der springende Punkt ist, man sieht es uns nicht an und das zeugt von wahrer Stärke. Wir machen weiter und lassen uns nicht unter kriegen...niemals." Sagte sie mir ins Ohr, ihre Stimme beruhigte mich. „Es ist nicht gut wenn man alles in sich hinein frisst", stieß ich irgendwann aus, mit einem Blick in die Leere. Dieses mal legte Gemma ihre Stirn auf meine Schulter und strich mit ihrer Hand meinen Oberarm herunter, sie flüsterte leise, „dann rede mit mir."

Ich nahm meine Beine hoch auf die Bank, zog sie nah an mich heran, ich spürte wie kurz darauf mein ganzer Körper verkrampfte, weil ich versuchte meine Gefühle zu unterdrücken. Mir fiel es nicht leicht über diese zu sprechen, stattdessen versuchte ich es immer so gut es ging zu vermeiden, aber ich hatte es ja schon selbst erkannt, es brachte nichts, irgendwann würde es doch nur herausplatzen und womöglich noch viel schlimmer für mich als in diesem Moment.
„Mama", hauchte ich fast tonlos, hilfesuchend wie ein kleines Kind, konnte ich mir gerade noch so das Weinen verkneifen. Diesmal war ich es die ihre Näher suchte, ich krümmte mich zusammen und lehnte mich an sie, während sie noch ihren anderen Arm um mich legte. „Ich kann nicht so sein wie du", presste ich schwermütig heraus. „Das verlangt doch überhaupt niemand", entgegnete sie mir darauf und drückte mich noch etwas fester. „Jaaa...aber sonst ist es unmöglich daran kaputt zu gehen", erhob ich meinen Kopf und schaute sie mit wässrigen Augen an, „es wird von Jahr zu Jahr schlimmer und sag mir nicht dass es irgendwann wieder besser wird, ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Donna, Luann, Chibs...du Mum. Was ist das für eine Scheiße die hier läuft? Wo ist da noch Platz für irgendwas schönes?" Die Hoffnungslosigkeit machte mir zu schaffen, ich sah kein Licht am Ende des Tunnels. Sobald die eine Sache überwunden war, kam direkt der nächste Rückschlag, es brauchte ein Wunder all das wieder ins Lot zu bringen. „So darfst du das nicht sehen Melina", nahm sie mein Gesicht in ihre beiden Hände, „so ist es nicht, wir kriegen das wieder hin. Vertrau mir, das haben wir bisher immer." Ich nickte schwach, obwohl mich ihre Worte nicht wirklich beruhigten, sie konnte mir immer wieder sagen, dass wir das schon irgendwie schafften, das bald alles wieder gut werden würde, aber mein Glaube daran war verloren. Sie strich mir mit ihren Fingern durch die Haare, wie sie es oft tat und sprach weiter, „sei für Juice da wenn er wieder kommt. Mach dir keine Gedanken um Clay und Jax, ich kümmer' mich darum. Du wirst merken wie stark du bist." „Wenn er zurück kommt", sagte ich leise, mehr zu mir selbst als dass es für die Ohren meiner Mutter bestimmt war und stellte meine Füße wieder auf den Boden ab. „Wird er", klang sie durchaus überzeugt davon. Sie rieb mir noch einmal bestärkend mit der Hand über den Rücken, während meine Gedanken über ihre Worte kreisten. Vielleicht hatte sie recht, vielleicht würde es wirklich funktionieren, aber zu welchem Preis? Das war unabsehbar. „Ich liebe dich", gab Gemma mir einen Kuss auf die Wange und flüsterte mir anschließend ins Ohr, „vergiss das nie." Ich nickte leicht und schaute sie wieder an, „ich dich auch Mum."

Wir saßen noch eine ganze Weile in der kleinen Kapelle bis uns die Realität, in Form eines störenden Geräusches einholte. Ich nahm ein klopfen wahr, keines als würde jemand gegen eine Türe klopfen, sondern es klang eher danach als würde etwas anstoßen. Ich drehte mich um und sah wie sich zwischen beiden Kapellentüren ein Spalt bildete und langsam ein Rad und das Gestell eines Rollators zum Vorschein kam. „Oooooh", stöhnte ich mitleidig und stand sofort auf um die Türe aufzuhalten. „Vielen Dank", krächzte die Stimme des alten Mannes, während er eintrat. Es war ausgerechnet ein Patient von der Urologie, er blickte mich an und ich schenkte ihm ein Lächeln. „Na, sind Sie immer noch da", warf er einen Blick auf die Armbanduhr und schaute mich anschließend mit großen Augen an „sie haben mir doch vor einer Stunde gesagt dass sie Feierabend machen." Meine Lippen formten ein entschuldigendes Lächeln, dabei war ich höchsten mir selbst eine Entschuldigung schuldig. Normal war es ja nicht, ständig im Krankenhaus herumzuhängen und so richtig wusste ich gar nicht was ich ihm darauf entgegen sollte. Meine Mutter kam mir zur Hilfe, „ich habe sie ein wenig im Beschlag genommen." Zwinkerte sie mir zu und schob mich anschließend durch die Türe in den Flur, „aber wir verschwinden jetzt." „Dann mal husch husch nach Hause", rief er noch zwischen den Türspalt und ich schaffte es gerade noch mich mit einem freundlichen Bis morgen zu verabschieden. „Gerettet", sagte meine Mutter mir leise ins Ohr. Ich schmunzelte, „der ist eigentlich ganz lieb."
Wir gingen etwas ziellos den Flur runter. „Was willst du überhaupt hier? Bist doch nicht zum beten ins Krankenhaus gekommen", fragte ich sie als wir am Treppenhaus ankamen. „Ich will nach Chibs sehen. Jetzt wo er wieder wach ist, braucht er sicher ein paar frische Sachen", antwortete sie und deutete auf die große Tasche die sie bei sich führte, welche mir vorher gar nicht so aufgefallen war. „Das trifft sich gut, ich wollte auch nach ihm sehen, ich zieh mich schnell um dann können wir zusammen gehen. Ich habe irgendwie das Gefühl ich stinke nach Pisse, zumindest habe ich den Geruch in der Nase", lehnte ich mich gegen die Türe die zum Treppenhaus führte, so dass sie auf ging. „Ich wollte es dir nicht sagen aaaber ja das tust du", hob sie ihre Augenbrauen. „Tja, bleibt nicht aus", zuckte ich mit meinen Schultern. „Ich warte im Keller auf dich", sagte sie und ging dann zum Aufzug. „Booooah du bist so faul", grinste ich kopfschüttelnd und ging anschließend sie Treppen runter. Ich brauchte mich nicht groß zu beeilen, ich war sowieso schneller als der blöde Aufzug.

the worst part is: there's no one else to blame [SOA] Juice x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt