Ich war nicht weit gefahren, da musste ich am Seitenstreifen anhalten, ich zitterte am ganzen Körper. Die Begegnung war mir zu viel, das Gefühl der Machtlosigkeit übermannte mich und ich konnte mit niemanden darüber reden. Nicht einmal mit meiner Mutter, denn sie hatte sich mir noch immer nicht anvertraut, ich konnte höchstens mit Unser darüber sprechen, aber das wollte ich nicht. Er machte sich schon zu viele Gedanken um Gemma, über den Club, über Charmings Zukunft. Ich glaubte nicht, dass dieser Typ mir was tun würde, sie hatten ihr Zeichen gesetzt, aber es war trotzdem ein schreckliches Gefühl. Am liebsten wäre ich auf ihn los gegangen, stattdessen musste ich so tun als hätte ich ernsthaft keine Ahnung davon wer er war. War das nicht ein Zeichen von Schwäche? Ich wollte nicht wie ein schwaches eingeschüchtertes Mädchen wirken. Unterschätzte ich ihn und vor allem Zobelle? Ich wusste es nicht.
Nachdem ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte fuhr ich zurück zum TM Gelände. Ich parkte den Wagen und warf den Schlüssel meiner Mutter auf den Schreibtisch, welche mich ziemlich skeptisch beäugte. „Alles klar?" Fragte sie und runzelte dabei ihre Stirn. Ich schaute durch das Fenster, durch welches man in die Werkstatt gucken konnte, „jap. Wo ist Dad?" Fragte ich als ich ihn nicht sah. „Er wollte irgendwas mit Piney erledigen", antwortete sie. „Piney ist wieder hier?" Fragte ich das offensichtliche. „Jap", antwortete sie genau auf dieselbe Weise wie ich es zuvor tat. Oh Gott ich war wirklich wie meine Mutter.
Sie stand vom Schreibtisch auf, stellte sich hinter mich und legte ihre Hand auf meine Schulter. Wenn sie das nicht getan hätte, dann hätte ich gar nicht gemerkt dass sie näher gekommen war, so sehr war ich in meinem Starren ins Leere vertieft. „Gibt's da was zu sehen?" Versuchte sie die, nicht vorhandene, Quelle meines Interesse herauszufinden. Ich schüttelte den Kopf, „aaaach nein, nicht wirklich." Wendete ich genervt über mich selbst meinen Blick wieder ab, ich war wirklich durch den Wind.
Sie legte nun noch ihre andere Hand auf meine Schulter, schaute mich eine Zeit lang einfach nur an und fing dann an meine Haarsträhnen fein säuberlich zu Sortieren. „Ich weiß es kommt nicht so rüber, aber ich bin froh dich hier zu haben", sagte sie plötzlich. Ihre Aussage überraschte mich so sehr, dass sie mir die Sprach verschlug. „Du bringst hier ein wenig Gleichgewicht rein", sprach sie weiter. Ich glaubte zwar eher dass meine Anwesenheit noch mehr Staub aufwirbelte, aber wenn sie das so empfand, sollte sie das mal tun. Plötzlich fing sie an mich zu mustern, „hast du meine Bluse an? Hattest du die gerade auch schon an?" Ich schaute an mir herunter, deswegen wollte ich eigentlich nur schnell den Schlüssel zurück bringen und wieder verschwinden. Ich stöhnte auf, „boooah jaaah." Konnte ich das schließlich schlecht verleugnen. Sie machte einen ziemlich fragendes Gesicht, „wieso trägst du die?" „Ich...alle meine T-Shirts sind in der Wäsche", war das die dämlichste Ausrede die ich finden konnte. Am liebsten hätte ich mich dafür selbst gehauen. „Okay", machte sie ziemlich große Augen, die mir verrieten, dass sie mir das nicht abkaufte, „wie auch immer. Mach die nicht kaputt." Erhob sie mahnend ihren Finger. „Eeeey, was glaubst du was ich damit mache? Durch Stacheldraht klettern oder was?" Zog ich ungläubig meine Augenbrauen zusammen. Manchmal gab sie mir das Gefühl ich sei noch immer ein kleines Kind.
Am späten Nachmittag fuhr ich nach Hause, ich war gerade dabei das Fahrrad in der Garage abzustellen und lief dabei an einem mir fremden Kleinwagen, welcher in der Einfahrt vor der Maschine meines Vaters parkte, vorbei. Er musste also zu Hause sein, inklusive Besuch. Na immerhin würde er dann auf keine falschen Gedanken kommen. Dennoch war ich ein bisschen genervt, hatte ich doch gehofft ein wenig ruhe zu bekommen.
Ich ging ins Haus und ließ meinen Rucksack von meinen Schultern gleiten, als ich die Stimme meines Vaters wahrnahm und kurz darauf, eine andere, mir aber unglaublich vertraute. Sofort formten meine Lippen ein Lächeln und ich rannte blitzartig ins Esszimmer. „PINEY!" Schrie ich voller Freude und der alte Mann schaffte es kaum vom Stuhl aufzustehen, da sprang ich ihm schon um den Hals. „Hey, hey, nicht so hastig ich bin ein alter Mann", sagte er mit so viel wärme. Wie ich das vermisst hatte. Ich drückte ihn lange, bis ich es endlich schaffte mich wieder von ihm loszureißen, anders konnte man es wirklich nicht beschreiben. Seine Nasenbrille war vollkommen verrutscht. „Ooooh", presste ich ein wenig belustigt heraus und richtete sie ihm wieder. „Schon gut, schon gut", sagte er und nahm meine beiden Hände, „lass dich mal ansehen." Nickte er mir zu, „du siehst richtig erwachsen aus." „Ich bin ja jetzt auch ein bisschen älter", zwinkerte ich ihm zu, löste darauf meine Hände von seinen und haute ihm leicht, mit dem Handrücken, gegen den Bauch, „und du versteckst dich nur noch in der Hütte habe ich gehört." „Tja...," grummelte er, „so ist das wenn man alt ist." Er warf meinen Vater einen Blick zu den ich nicht deuten konnte, ich fand ihn allerdings ziemlich seltsam. „Wie auch immer", fiel Dad nun dazwischen und stand ebenfalls auf, „ich habe ein kleines Geschenk für dich, Piney hat mir geholfen es zu besorgen." Klopfte er ihm lobend auf die Schulter. „Ehm...okay", überraschte mich das. „Wird dir sicher gefallen, Kleine", schaute Piney mich mit großen Augen an. „Jetzt wurde ich doch tatsächlich neugierig. „Folge mir unauffällig", versuchte Dad witzig zu sein und ging voraus. Als er in Richtung Garage steuerte hatte ich so eine kleine Vermutung, allerdings konnte ich mir das wiederum nicht vorstellen, das wäre zu krass.
Wir gingen in die Einfahrt und blieben vor dem stehen, was ich vermutet hatte. Der dunkelrote Fiat 500, welcher definitiv nicht Piney gehörte. Ich schaute die beiden Männer erwartungsvoll an. Bis mein Vater in seiner Hosentasche kramte und mir etwas zuwarf, den Autoschlüssel. „Ich würde mal sagen der gehört dir", lehnte mein Vater seinen Arm gegen den Wagen. Ich wusste überhaupt nicht was ich sagen sollte, also sprach er. „Hat 'ne Gasanlage, du bist ja so ein Umwelt Freak", sagte er locker als wäre es ein ganz normales Geschenk, „110 PS Sportedition. Sollte für dich reichen." „Verarscht du mich jetzt gerade?" War alles was ich heraus bekam. „Ist so gut wie neu, knapp 30000 runter, mehr nicht. Läuft alles auf meinen Namen. Du musst nichts bezahlen", ging er nicht wirklich auf meine Frage ein. „Ich...ääääh", stockte ich wieder und stieß Luft aus, „das kann ich nicht annehmen." „Solltest du aber, der Wagen ist schon bezahlt", sagte er. Und ich wusste genau von welchem Geld, das machte es nicht unbedingt leichter das Auto anzunehmen. „Weiß Mum davon?" Fragte ich weiter. „Nein, aber sie wird sicher nichts dagegen haben", antwortete er, grinste und kam etwas näher zu mir, „sieh es als Wiedergutmachung für die letzten Monate." „In denen ich mich nicht gemeldet habe", hob ich erstaunt meine Augenbrauen, „hat das Auto, vielleicht noch einen anderen Grund...hmm?" Konnte ich mir die Andeutung nicht verkneifen. Mein Vater zuckte mit den Schultern und vergrub seine Hände in den Hosentaschen, „nun ja, du hattest deine Gründe...ich versuche nur ein guter Vater zu sein." Er ging nicht wirklich auf meine Andeutung ein. „My Super Sweet Sixteen ist schon ein paar Jahre her und außerdem ist das Auto dafür ein bisschen zuuu klein", scherzte ich bevor ich äußerst skeptisch meine Arme verschränkte, „ich zahle dir das Geld zurück." Er schnaubte auf, „wenn du dich dann besser fühlst. Fahr doch erst mal eine Runde bevor du meckerst." Piney haute auf das Autodach, „das ist eine gute Idee. Dann kannst du mich gleich nach Hause fahren." Ich drehte mich zu ihm um, er schaute mich an als wollte er mir sagen nimm das Angebot einfach an, dann bewegte er sich rüber zur Beifahrertüre. „Worauf wartest du?" Rief er. Ich drückte auf den Türöffner und stieg gleich nach ihm ein. Etwas überfordert saß ich hinter dem Lenkrad. „Du musst den Wagen schon starten bevor er sich bewegt," warf Piney irgendwann ein. „Ich finde das ist ein unmoralisches Angebot", münzte ich das auf das Auto und stellte erst einmal alles ein bevor ich los fuhr. „Ich weiß ja nicht was da zwischen euch läuft, aber du solltest es einfach annehmen, das Leben ist zu kurz um trotzig zu sein", schaute er mich eindringlich an und lachte dann. Ich fuhr mit etwas zu viel Gas rückwärts aus der Einfahrt. „Jesus Christ, sachte", hielt er sich an der Armatur fest. „Soooorry", klang ich gequält, „ich bin fette Spritfresser gewöhnt."
Ich brauchte ein paar hundert Meter um mich sicher zu fühlen. Piney hielt sich derweil wie ein Opa, am Haltegriff fest, was ich ziemlich lustig fand. „Weißt du, andere Töchter kriegen kein Auto geschenkt wenn sie mit einer Anzeige nach Hause kommen," sagte ich als ich glaubte alles unter Kontrolle zu haben. „Ich habe von der Geschichte gehört", sagte er als ich ihn unterbrach, „halb Charming hat von der Geschichte gehört." War das natürlich vollkommen übertrieben, ich hielt es einfach für überflüssig, dass der Club darüber Bescheid wusste oder Unser. „Und was sagst du dazu?" Wurde ich etwas kleinlaut, seine Meinung war mir unglaublich wichtig, das war schon immer so und würde immer so bleiben. „Dass du nichts dafür kannst, du hast es nie anders gelernt. Wir waren alle keine guten Vorbilder, weder für dich noch für Jax. Jeder macht mal einen Fehler, nur sind die einen eben ein bisschen größer", seufzte er, „was soll's? So sehr man versucht vor seiner Familie wegzulaufen, anders zu sein als sie. So eher neigt man dazu ihre Fehler zu wiederholen." „Vielleicht hast du wirklich recht damit", stimmten mich seine Worte nicht wirklich froh, ich konnte sie allerdings nachvollziehen. „Tja, leider kann man die Vergangenheit nicht rückgängig machen", klang er resigniert. „Verschanzt du dich deswegen nur noch in deiner Hütte?" Hakte ich nach. „Mir ist das alles zu anstrengend. Da laufen ein paar ziemlich miese Dinge im Club. Jax ist verwirrt, Clay wird langsam übergeschnappt. Der Club ist auf keinem guten Fad", antwortete er mir darauf. Die ganze Sache schien ihn ziemlich zu belasten. „Deswegen die angespannte Stimmung zwischen euch?" Fragte ich leise. „Das hast du gemerkt?" Schaute er mich ein wenig überrascht an, „ich glaube da muss ich noch mal an meinem Pokerface arbeiten." Ich schmunzelte, „ich habe da ein Auge für." Ich konnte verstehen, dass er nicht über die Sache reden wollte und mit seinen Witzen ablenkte. Für ihn war es sicher nicht leicht zu sehen, wie sehr sich alles zum negativen wendete und er vollkommen machtlos dagegen war.
Wir standen gerade an der Ampel, als Piney plötzlich das Radio lauter drehte. Als ich den Song erkannte, zog ich ein ziemlich entgeistertes Gesicht. „Das ist nicht dein ernst dass du Nickelback lauter machst?" War ich fast schon empört darüber. „Wieso? Das ist ein guter Song", meinte er vollkommen ernst. „Soll ich vielleicht noch die Fenster runter machen, damit es auch jeder hört? Richtig peinlich." Lachte ich und fuhr los als es wieder grün wurde.
„*'Cause we all just wanna be big Rockstars and live in hilltop houses driving fifteen cars. The girls come easy and the drugs come cheap. We'll all stay skinny 'cause we just won't eat and we'll hang out in the coolest bars, in the VIP with the movie stars. Every good gold digger's gonna wind up there. Every Playboy bunny with her bleach blond hair and we'll, hey, hey, I wanna be a rockstar..." Sang ich den Refrain aus Spaß mit.
„Aber du kannst das Lied auswendig", warf Piney ein. „Jeder kann das Lied auswendig", lachte ich wie eine Irre, „ich wünschte ich wäre ein Rockstar." „Tja, dann könntest du die Karre sofort abbezahlen", lachte nun auch er. „Ey, ich will nichts von dem scheiß Waffengeld. Maaaaan", rechtfertigte ich mich und sang zwischendurch immer mal wieder Textpassagen mit. Ich wusste selbst nicht warum, es machte mir in diesem Moment einfach Spaß und es war einfacher als über all die schlechten Dinge nachzudenken. „Ich habe dein Gesinge echt vermisst", lauschte Piney mir. „Pass mal auf, wenn du irgendwann bettlägerig bist, dann bist du mir ausgeliefert und ich singe dir jeden Abend ein Ständchen und zwar von Nickelback", ärgerte ich ihn und fasste ihn dabei nicht gerade mit Samthandschuhen an, aber das war er von mir gewöhnt. Er lachte aus vollem Herzen, „das würde dir so passen."
Nachdem ich Piney abgesetzt hatte fuhr ich zurück nach Hause. Mein Vater schien gerade auf dem Sprung zu sein, nahm sich aber noch fünf Minuten für mich, „und wie gefällt dir der Wagen?" War ich noch nicht ganz ausgestiegen. Ich schlug die Türe zu und druckste ein wenig herum, „jaaaah. Ich muss zugeben, der ist schon geil, auch wenn das so 'ne süße Knutschkugel ist." Er Grinste, „willst du ihn behalten?" In angebrachte der Dinge dass ich mir hätte sowieso ein Auto zulegen müsste, wenn ich in Charming blieb, sonst kam man kaum dort weg, nickte ich, „ich werde dir das Geld trotzdem zurück zahlen." „Klar tu' dir keinen zwang an, wenn du die 12000 abstottern willst." „12000", wiederholte ich geschockt und erhob dabei meine Stimme, „bist du verrückt? Also ein alter Wagen hätte es auch getan." „Du kannst es dir ja noch mal überlegen", zwinkerte er mir zu. „Du weißt schon, dass ich Mum so oder so nichts davon erzählt hätte", sprach ich nun aus was ich schon die ganze Zeit vermutete. „Sieh es als Investition in die Zukunft dieser Familie", schob er mühselig sein Bike an dem Auto vorbei. Ich hatte absolut keine Ahnung was er damit sagen wollte. Ich schaute auf seine zittrigen Hände, lange würde er nicht mehr fahren können und irgendwie tat mir das sogar leid.
*Quelle: Nickelback - Rockstar
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the worst part is: there's no one else to blame [SOA] Juice x OC
FanfictionDie Geschichte beginnt in der 2. Folge der 2. Staffel. Während die Chapter Bobbys Entlassung aus dem Gefängnis feiern, findet Unser Gemma schwer misshandelt in einer alten Baubaracke und fährt sie nach Hause, aber das Haus ist nicht leer. Melina 'Mi...