unerwarteter Besuch

124 2 0
                                    

Ich hatte mittlerweile mein Handy zurück erobert, weil Chucky was bei CaraCara zu erledigen hatte. Mein Vater saß zusammen mit Chibs und einem Typen namens Happy, aus dem Tacoma Chapter, an der Bar, während meine Mutter irgendwas in der Küche erledigte und ich mich ernsthaft fragte wie ich meine zukünftigen Wochenenden in diesem Rattenloch verbringen sollte, denn ich ging unheimlich gerne feiern. Das stellte mich vor einem unlösbaren Rätsel. Ich beobachtete Chibs, fragte mich ob er mir weiter helfen konnte. Andererseits wollte ich ihn nicht mit dem Thema belästigen, ich sollte endlich lernen diesen ganzen Mist auf sich beruhen zu lassen, wenn das doch alles nur so einfach wäre. Mein Kopf sagte mir schon lange, dass es nicht funktionieren würde, mal abgesehen davon, dass vor allem Jax ein riesen Problem damit hatte, wo ich doch immer dachte mein Vater sei das wahre Problem. Das alles machte mich wahnsinnig. Ich spielte mit dem Gedanke Chibs auf dem Klo abzufangen, ich wollte schließlich nicht dass irgendwer was mitbekam, vor allem meine Mutter nicht, die ihre Augen überall hatte. Genau in diesem Moment schaute sie mich an als könnte sie meine Gedanken lesen. Ich könnte es mir natürlich auch einfach machen, Juice eine SMS schreiben, er solle sich irgendwo mit mir treffen, aber die Blöße wollte ich mir nicht geben, zuerst musste ich herausfinden wo wir standen.

Sack kam auf mich zu, er wirkte etwas hektisch „draußen steht so'n blondes Mädel mit 'nem Caddy, sagt sie kennt dich." Ich überlegte einen Moment, „hä?" Ich kannte niemanden der einen VW Caddy fuhr. Ich stand von der Couch auf und folgte ihm nach draußen, natürlich kassierte ich dabei wieder prüfende Blicke meiner Eltern. Ja, ich hatte auf jeden Fall vor mit Sack in irgendeine Ecke zu verschwinden, damit er es mir so richtig besorgen konnte. Meine Familie war einfach nur gestört. Als ich nach draußen trat traute ich meinen Augen nicht. Es war Brenda, die gegen der Motorhaube lehnte, ihre Arme waren verschränkt und sie wirkte sauer. „Das ist 'ne Freundin von mir", klärte ich Sack auf. Ich freute mich unheimlich sie zu sehen, wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen, aber sie sah ziemlich angepisst aus. Vorsichtig ging ich auf sie zu, sie schob ihre Sonnenbrille hoch, meine Lippen formte ein beschwichtigendes Lächeln. Darauf hin konnte sie ihre böse Fassade nicht länger aufrecht erhalten, erwiderte mein Lächeln und kam mir entgegen. Sie nahm meine Hand, zog mich zu sich und drückte mich so feste wie sie es noch nie getan hatte. Ich war fast geneigt zu weinen, so glücklich war ich sie wieder zu sehen, aber ich riss mich zusammen. „Wenn du nicht zu mir kommst, muss ich eben zu dir kommen", flüsterte sie mir leise ins Ohr, „was machst du hier nur?" Wir lösten die Umarmung und sie schaute mich von oben bis unten an, „Scheiße, wie siehst du aus?" Ich verzog meinen Mund, „bin einfach nur müde." „Eeey, ich sollte müde sein, ich habe verdammte vier Stunden fahrt hinter mir, mit einer jammernden Katze auf der Rückbank", fuhr sie sich durch die Haare. Meine Augen wurden groß und mein Mund war leicht geöffnet, „Murphy?" Sie hob ihre Brauen und nickte, „niemand hatte kurzfristig Zeit auf ihn aufzupassen. Du kannst die doch alle vergessen, wenn man mal was hat." Sofort rannte ich zum Caddy und presste mein Gesicht gegen die Scheibe, da lag er meine Murphy und unsere Blicke trafen sich. Ich schob die hintere Türe auf und kroch ins Auto. Er stieß ein helles Miau aus und rappelte sich langsam auf, er lag in seinem Körbchen, Murphy brauchte noch nie eine Transportbox. „Mein Häschen", piepste ich leise und streichelte ihn sanft über den Kopf, das liebte er am meisten. Dann nahm ich das 10 Kilo Tier, mit etwas Mühe, hoch. „Ich glaube der muss schon seit Stunden pinkeln", rief Brenda mir belustigt zu. „Boooooaaaaah", stieß Sack aus, „das ist keine Katze, das ist ein Bär." „Ein süßer kleiner Tiger Bär", wurde meine Stimme schlagartig höher, während ich meine Nase an seine schmiegte. „Sack nimmst du ihn?" Lief ich auf ihn zu. Er hob seine Hände, „ey, was soll ich mit dem Biest machen?" „Geh' mal mit ihm ins Grüne bitte. Seine Blase ist ganz voll", knetete ich den Bauch meines Katers. Der Blonde schaute mich entsetzt an, „das kannst du fühlen? Baaah...das ist doch kein Hund mit dem man Gassi geht. Was wenn die weg läuft?" „Tu' es einfach", rollte Brenda mit den Augen und ich überreichte ihn meinen wertvollsten Besitz. „Der würde niemals weg laufen", versicherte ich ihm und bat ihn dann noch um etwas, „könntest du Chucky anrufen, dass er Katzenstreu und'n Klo besorgt?" „Ja", stöhnte er, wegen dem Gewicht des Katers, „man kann der nicht wenigstens laufen? Der ist voll schwer." Setzte er Murphy wieder ab, „los komm lauf...du bist ja lahm wie eine Schnecke..." Ging das den ganzen Weg bis zum Rasen so.

„Wer ist das?" Fragte Brenda als Sack außer Hörweite war. „Der Prospect", antwortete ich und stieß danach auf ein dummes Gesicht. „Bitte? Was soll das sein? Sons of Anarchy? Du hast mir ja erzählt, dass dein Vater in 'nem Motorradclub ist...aber...was sind das hier für verrückte Leute?" Wirkte sie etwas überfordert. Ich atmete schwer, „wo soll ich da anfangen? Warum bist du überhaupt hier?" Versuchte ich es erst einmal mit einer Gegenfrage. „Ääääh...lass mich überlegen", stemmte sie ihre Hände in die Hüpfte, „weil du fast seit einem Monat verschwunden bist ohne jegliche Erklärung und ständig Briefe von einem Anwalt und dem Krankenhaus eintrudeln. Ich mache mir ernsthaft Sorgen. Also schnappte ich mir den Caddy meiner Eltern und fuhr in dieses Drecksloch, so wie gute Freundinnen es tun und am Sonntag wirst du schön mit mir zurück fahren und auf der Fahrt hast du dann genügend Zeit mir alles haarklein zu erzählen." Holte sie erst mal tief Luft nachdem sie das alles herunter ratterte, „und jetzt brauche ich einen Drink. Ist das hier 'ne Kneipe?" Deutete sie auf das Schild über der Clubhaustüre. „Naja...wenn du eine brauchst, dann ist es eine", nuschelte ich. Es war wohl eher der größte Kulturschock der ihr jemals unter kommen würde.

Gerade als wir reingehen wollten, hörte ich wie Maschinen auf das TM Gelände bogen, fast gleichzeitig drehten wir uns um. Es waren, Bobby, Jax und Juice. „Was ist das denn?" Hielt Brenda sich vor lachen die Hand vor dem Mund, „erzähl mir nicht dass die immer mit diesen Lederwesten herumfahren. Ich lach mich tot." „Peinlich oder", musste auch ich etwas beschämt zugeben, nur konnte ich nicht wirklich darüber lachen, „so ist das halt wenn man in 'nem MC ist. Das ist die heilige Kutte." „Alter...ich kann nicht mehr", biss sie sich auf die Unterlippe.
Ich beobachtete Juice dabei wie er seinen Helm und seine Handschuhe auszog, er stieg von seinem Bike und unsere Blicke trafen sich, wie so oft in den letzten Tagen, aber das änderte rein gar nichts, sondern machte alles nur noch schlimmer. Unerwartet packte Brenda mich am Arm und zog mich näher zu sich. „Scheiße Millie, du willst mich ja wohl verarschen", sagte sie in mein Ohr. Ich schaute sie verwirrt an, ich hatte absolut keine Ahnung wovon sie Sprach. „OH MEIN GOTT! Ich flippe gleich aus. Du stehst auf den Kerl mit dieser schrecklichen Frisur", lachte sie mir laut ins Ohr und ihre Stimme wurde etwas höher, „das ist doch nicht dein ernst?" „WAS? NEIN MAN...wie kommst du darauf?" Klopfte mein Herz automatisch schneller, weil ich mich ertappt fühlte. War es etwa so offensichtlich? Einfach nur peinlich. „Ich kenn' dich Millie, so hast du noch keinen Mann angeschaut", kriegte sie sich kaum noch ein, „und ich dachte immer du seist asexuell." „Was? Hör' auf dich lustig zu machen", verkrampfte mein Gesicht ein wenig. „Ey...hast du Tomaten auf den Augen, der hat verdammte Tribal Tattoos...auf dem KOPF!" Fuchtelte sie wild mit ihren Händen vor meinen Gesicht herum. Ich machte einen leidenden Ausdruck, „ja ich weiß..."

Jax und Bobby kamen auf uns zu, während Juice direkt ins Clubhaus verschwand, er warf mir lediglich einen verstohlenen Blick zu und Brenda musterte ihn den ganzen Weg lang total auffällig. „Hey...", sagte Jax und schaute Brenda fragend an. „Jax das ist meine Freundin Brenda, Brenda das ist mein Bruder", machte ich die beiden miteinander bekannt. Er reichte ihr die Hand und Brenda nahm diese etwas skeptisch entgegen. Sie schaute sich ihn ganz genau, von oben bis unten, an. Ich konnte ihr ansehen, dass er ihr rein optisch gefiel, obwohl sie gar nicht auf solche Typen stand. „Schön dich endlich mal kennen zu lernen", sagte er. „Ebenfalls", entgegnete sie knapp. „Hallo schöne Frau...ich bin Bobby", kam er gleich dazwischen, eigentlich wollte ich ihn vorstellen. Sie nahm das nickend entgegen und zwang sich ihn anzulächeln.
„Wieso kommst du den weiten Weg hierher?" Schob Jax sich eine Kippe in den Mundwinkel und hielt ihr die Schachtel hin, sie nahm eine heraus, „naja...irgendjemand muss Millie ja ins wahre Leben zurück holen." Er reichte ihr das Feuerzeug nachdem er sich seine Kippe anzündete und wirkte äußerst überrascht über ihre klare Antwort. Sie nahm einen tiefen Zug und gab ihm das Feuerzeug zurück, „danke." Ich sah Jax an, dass er ihr absolut nicht über den Weg traute. Er sah in ihr eine Bedrohung, jemand der vielleicht ärger machte, sich in die Familie einmischte, allerdings machte er gute Miene zum bösen Spiel. „Vielleicht sollten wir alle erst mal was trinken", deutete er in Richtung Eingang. Ich fragte mich wie meine Mutter auf sie reagieren würde, wenn Jax ihr schon nicht traute. Für sie war Brenda wohl die ultimative Bedrohung, jemand die mich ihr wegnehmen wollte. „Pass auf, meine Mutter ist da drin, du solltest solche Aussagen also besser für dich behalten", warnte ich sie leise. „Ich habe keine Angst vor deiner Mutter", stellte sie sofort klar. Natürlich hatte sie das nicht, Brenda hatte vor niemanden Angst. Allerdings hatte sie es auch noch nie mit Leuten wie meiner Familie zu tun.

„Willst du auch was?" Fragte Jax als er hinter die Bar ging und lachte dabei, weil er meine Antwort schon kannte. „Nee lass mal", konnte ich noch immer keinen Alkohol sehen. Ich stellte Brenda meinen Vater vor, der ganz angetan von ihr war, natürlich war er das, sie war blond, groß und hübsch. Auch die anderen Jungs wirkten begeistert, vor allem Bobby, ich war heilfroh dass Tig nicht da war. Ich mochte ihn aber er war kein Typ auf den Brenda unbedingt treffen musste.
„Ist das dein ernst? Juice?" Sagte sie mir leise ins Ohr als ich seinen Namen nannte. Ich rollte mit den Augen und ging nicht weiter darauf ein. Meine Mutter kam zu uns rüber, gab meinem Vater einen Kuss und schaute sich Brenda dann ganz genau an. „Mum das ist meine Mitbewohnerin Brenda", warf ich ein bevor sie auf falsche Gedanken kommen würde. „Gemma", sagte sie knapp und hielt ihr die Hand hin. Sie durchbohrten sich gegenseitig mit ihren Blicken und ich fragte mich wie man bloß so voreingenommen sein konnte. Nun gut, ich hatte Brenda einige Geschichten über meine Mutter erzählt, dass sie nicht besonders scharf darauf war sie kennenzulernen, war nachzuvollziehen. Meiner Mutter hingegen, hatte ich nur Gutes über sie erzählt, aber vielleicht sah sie genau das als Bedrohung an. Mich nervte es jedenfalls ungemein und ich dachte eine Sekunde darüber nach doch was alkoholisches zu trinken. Doch dann fiel mir wieder ein, wie elendig ich mich das letzte Mal fühlte und mir wurde allein von dem Gedanken daran schlecht. Ich setzte mich zwischen Bobby und Happy, während Brenda ein Kreuzverhör meiner Mutter durchstehen musste.

Nach einiger Zeit zogen wir uns zum reden zurück. „Ich kann nicht glauben wo ich hier bin", ließ sie sich lachend auf die Couch fallen, „kein Wunder dass du hier abgehauen bist. Ist ja mega ätzend." „Jap", stieß ich aus, eigentlich empfand ich es als gar nicht so schlimm, zumindest nicht so schlimm wie damals. Ich schaute auf Murphy der es sich auf den Billard Tisch gemütlich gemacht hatte und bei all dem Lärm schlief wie ein Murmeltier, ich fragte mich wie er es dort hoch geschafft hatte. „Und was sind das überhaupt für Weiber, die hier die ganze Zeit 'rum laufen? Ich meine die sehen aus wie Stripperinnen, billige Stripperinnen wenn du verstehst was ich meine", nahm sie einen Schluck von ihrem Bier und beäugte einige der Mädels dabei kritisch. „Das sind Croweater, die gehören zum Club, das sind alles ganz nette Frauen", antwortete ich und sie schaute mich an wie ein Auto, „meinst du gerade ernst was du da sagst? Croweater? Da gibt es einen Begriff für? Oh man das ist echt nicht meine Szene." „Aaaach, lass einfach du verstehst das nicht...", war ich ein klein bisschen genervt von ihrer Oberflächlichkeit. Eigentlich war Brenda nicht so, aber sie hatte einen Hass gegen fast alles was weiblich, und in irgendeiner Weise aufreizend gekleidet war, weil sie das an die Frau erinnerte mit der ihr Ex sie betrog, sowas prägt eben. Also verzieh ich ihr sofort wieder.
„Ok...und wer ist dieser Juuuuuice?" Fragte sie nachdem sie sich eine weitere Kippe anzündete und grinste mich dabei an wie ein Honigkuchenpferd. „Einer der Gründe warum ich aus Charming abgehauen bin", antwortete ich und räusperte mich, „aber eigentlich gab's viele Gründe, mal abgesehen davon, dass Charming langweilig ist." „Was?" Wich dem Grinsen ein böser Blick, „du hast ihn nie erwähnt." „Weil ich ihn vergessen wollte", knibbelte ich unsicher an meinen Fingernägeln. „Ist er dein Ex oder was?" Fragte sie weiter. „Nein", antwortete ich leise. „Mensch lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, ich weiß gar nicht mehr wer du bist, ich dachte du vertraust mir", fixierte sie meinen Blick. „Tue ich auch, aber das ist 'ne miese Geschichte, über die ich echt nicht gerne rede", stützte ich meinen Kopf in der Handfläche ab. Sie rieb mit ihrer Hand über meinen Rücken. „Ich soll dir schöne Grüße von Lucas bestellen." Ich schaute sie ungläubig an, „wieso kommst du jetzt mit dem an?" „Naja wenn ich sehe was da an der Bar sitzt und dir Kummer bereitet. Sorry Millie, aber ich kann dich echt nicht verstehen", hob sie ihre Brauen. „Du kennst ihn doch gar nicht, Juice ist ein lieber Kerl", fand ich nicht nett was sie sagte. „Sicher ist er das, deswegen bist du auch vor ihm geflüchtet", sie packte mich an beiden Schultern und schaute mich eindringlich an, „hey...wach auf. Lass dich nicht von dieser Welt einsaugen, du machst drei Schritte zurück wenn du das tust. Wenn du glücklich wärst, könnte ich das alles noch verstehen, aber du siehst nicht glücklich aus. Komm nach Hause." Machte sie eine kurze Pause und ließ wieder von meinen Schultern ab, „ich weiß du bist einsam. Hör' zu, Lucas ist 'ne gute Partie, der dich wirklich mag. Der einen richtigen Job hat. Mit ihm hast du eine Zukunft, mit dem da...hast du gar nichts, außer Ärger, ich sag es dir." Ich schob meine Augenbrauen zusammen, „erst mal...ich hasse es wenn man den Ausdruck eine gute Partie verwendet, das solltest du mittlerweile wissen und das dass mal klar ist, es geht absolut nicht darum dass ich einsam bin, ich komme gut alleine zurecht. Ich weiß du willst nur das Beste für mich, aber Lucas Reynolds ist nicht das beste für mich. Aus seinem Mund kommt nur langweilige Scheiße, glaube mir du wurdest nicht zwei Stunden von dem zu gequatscht oder bekommst ständig irgendwelche nervigen WhatsApp Nachrichten. Der ist der total Langweiler, da kann der noch so einen guten Job haben oder gut aussehen. Boooooaaaah, der nervt sooo, sind denn alle Mädels Blind die auf den stehen? Blind und taub...müssen die sein. Oh nein warte, seine Familie hat ja Kohle ohne Ende." Regte ich mich ein bisschen auf, ich hatte ihr das nämlich schon 1000 Mal gesagt. Sie stöhnte und rollte dabei mit den Augen, „gut ok, dann vergiss Lucas, aber du solltest dir das alles hier noch einmal GUT überlegen." Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie schon ahnte für was ich mich entschieden hatte.

the worst part is: there's no one else to blame [SOA] Juice x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt