Abel

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Die ganze Nacht hatte ich mit meiner Mutter auf der Couch verbracht, während sie es schaffte für ein paar Stunden ihre Augen zu schließen, konnte ich immer noch nicht schlafen. Wie auch nach so einem Schock, ich streichelte ihr sanft den Nacken und hoffte dass sie wenigstens von etwas schönem träumen würde. So nah war ich meiner Mutter lange nicht mehr, ich war nie der Typ gewesen der viel Nähe brauchte aber ich gab es zu, es fühlte sich gut an. Wobei diese intensive Annäherung wohl eher auf das Konto des Überfalls ging. Ansonsten hätte sie wohl so ähnlich reagiert wie mein Vater, was ich beiden nicht mal verübeln konnte. Es war falsch mich die letzten Monate nicht zu melden und es war falsch Jax darum zu bitten so zu tun als würde ich mich auch nicht bei ihm melden. Manchmal wusste ich selbst nicht warum ich ständig so eine Scheiße machte und das war noch harmlos.

Zusammen mit Tara fuhren wir ins Krankenhaus, sie brachte Abel mit. Ich konnte nicht glauben, dass ich mit einem verdammten Baby auf dem Rücksitz saß. Mit Kindern konnte ich nicht umgehen, es überforderte mich schon wenn wir mal eins als Patienten hatten und jetzt war es mein kleiner, wie aus den nichts aufgetauchter, Neffe, für den ich auch einen kleinen Teil Verantwortung trug, ob ich nun wollte oder nicht. Das Baby starrte mich an und es machte mich fast wahnsinnig. Ich war erleichtert als die Fahrt vorbei war und Tara sich Abel schnappte als wäre es ihr eigenes, sehr verwirrend. Was Wendy wohl davon hielt? Ich mochte Wendy irgendwie, ich hatte schon immer einen Hang zu abgefuckten Menschen, wo auch immer dieser her kam.

Wir meldeten Abel an und verschwanden wie selbstverständlich in einem Behandlungsraum einer Station. Obwohl das Krankenhaus 20 Mal kleiner war als das in dem ich arbeitete, schien keiner groß nachzufragen, fragte sich nur wie lange das noch gut gehen würde. „Du musst auf Abel aufpassen während ich Gemma untersuche. Elyda kommt gleich", drückte Tara mir das Baby in die Hand. „Was?" Sagte ich fassungslos, als hätte man mir gerade ein Haufen nasser Wäsche in die Hand gedrückt. Und wer zur Hölle war überhaupt Elyda? Doch bevor ich fragen konnte, verschwanden die beiden schon im Behandlungszimmer und ich war alleine mit ihm. Er starrte mich wieder an. „Hallo Baby..." War alles was mir einfiel, ich hoffte er würde nicht aus heiterem Himmel anfangen zu weinen, stattdessen lachte er mich irgendwie an. Das machte es auch nicht gerade besser. Ich lief mit Abel den Gang auf und ab, als ich plötzlich Chief Unser sah, der etwas Panik ausstrahlt. „Hallo Millie", sagte er hektisch, „wo ist Gemma?" „Tara behandelt sie gerade," deutete ich mit den Kopf zur Türe. „Ich habe den Jungs gesagt sie hatte einen Autounfall, habe ihren Wagen in eine Baustelle gefahren, sie sind auf den Weg hierher", wirkte er nervös. „Da wird sich Mum sicher freuen", sagte ich sarkastisch. „Irgendwas musste ich den Jungs doch sagen", zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß", verzog ich meinen Mund und nahm das grinsen des Babys wieder wahr. „Warn' sie", nickte ich in Richtung Türe. „Ich soll da einfach so rein", wirkte er etwas perplex. „Naja klopf vorher an", schaute ich ihn ungläubig an.

Ein paar Minuten später bog die ganze Truppe um die Ecke, Bobby lag mit einem ziemlichen Kater auf einer Liege und wurde von den Jungs durch den Gang geschoben. Ich verkniff mir ein Augenrollen. Jax und mein Blick trafen sich, er wirkte nicht überrascht, die anderen hatten ihm bestimmt schon erzählt das ich zurück war. Er kam sofort auf mich zu, nahm mir den kleinen ab und umarmte mich, „alles klar bei dir?" „Bei mir schon...", antwortete ich knapp. „Was ist passiert?" Fragte er im nächsten Atemzug. Doch bevor ich antworten konnte kamen auch schon Tara und Chief Unser aus dem Behandlungszimmer und klärten die Jungs auf. Eine perfekt abgesprochene Geschichte, aber wenn meine Mutter das so wollte war es ok für mich. Ich drehte mich um, stellte meine Ohren auf Durchzug und schaute aus dem Fenster.

Als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte zuckte ich zusammen, ich war wirklich weit in Gedanken versunken, darüber was ich wollen würde wenn ich anstelle meiner Mutter wäre. Irgendwie konnte ich ja schon verstehen dass niemand etwas davon erfahren sollte, nur war der Grund aus dem sie es tat meiner Meinung nach nicht der Richtige. „Hey...ist wirklich alles ok", hörte ich die vertraute Stimme meines Bruders. Ich drehte mich um und zwang mich zu lächeln, „ja klar. Ich war bloß in Gedanken. Ich hoffe Brenda füttert die Katze." Scherzte ich, sie würde meinen Murphy füttern, ansonsten würde ich sie erwürgen. Er erwiderte mein Lächeln, „warum hast du nicht gesagt dass du kommst? Hätte dich doch abgeholt." „Das war eine spontane Entscheidung, gibt keinen besonderen Grund", verschränkte ich meine Arme und drehte meinen Kopf zur Seite damit er die Lüge nicht sofort erkannte. Ich blickte eher zufällig rüber zu Juice, welcher schnell wegschaute als hätte ich ihm bei irgendwas ertappt. „Scheiße...geht das wieder los", konnte sich Jax die Aussage nicht verkneifen. Etwas verwirrt über das was er sagte schob ich meine Brauen zusammen und schaute zu ihm hoch, er hatte ebenfalls in Richtung Juice geschaut. „Sag mir lieber mal warum du Tara am Telefon nicht erwähnt hast", lenkte ich das Thema schnell auf etwas anderes. Er lächelte unschuldig, „sorry, ich wusste nicht wie ich hätte anfangen sollen. Kannst du Abel wieder nehmen?" War das nicht wirklich eine Frage, sondern er drückte ihn mir einfach in die Hand weil er ebenfalls vom Thema ablenken wollte. Ich fragte mich ob wir jemals schaffen würden eine vernünftige Unterhaltung zu führen. „Wir reden heute Abend, ok", ließ er mich einfach mit dem Baby stehen und ging zu Tara nachdem Clay im Behandlungszimmer verschwand. „Verzeih mir Abel, Babys sind nicht so mein Ding", flüsterte ich ihm leise ins Ohr.

Ich ging rüber zu den Jungs und beäugte erst einmal Bobbys wachkomatösen Zustand. Opie war auch dort, ich hatte ihn schon Jahre nicht mehr gesehen, immerhin saß er eine ganze Weile für den Club ab und kam erst vor ein paar Monaten wieder aus dem Knast. Er nahm mich in den Arm, „scheiße, als ich dich das letzte Mal gesehen habe warst du ein Teenager." „Tja wie die Zeit vergeht", wusste ich nicht so richtig was ich sagen sollte. Ich war nicht gut im Smalltalk und ich fühlte mich außerdem absolut fehl am Platz, dazu auch noch das Baby welches seine großen Glubschaugen nicht von mir lassen konnte. Er fragte mich ein wenig über Las Vegas aus, ich versuchte so positiv wie möglich zu antworten, hatte keinerlei Affinität dazu mich bei irgendwem auszujammern, geschweige denn irgendwem gegenüber überhaupt zuzugeben dass im Moment eigentlich alles ziemlich beschissen lief. So hatte ich wenigstens ein nettes, wenn auch kurzes, Gespräch geführt, aufgebaut auf ein Haufen Lügen meinerseits. Mittlerweile brachte ich auch in Erfahrung wer eigentlich Elyda war, ich war wirklich froh als sie mir Abel abnahm.

Nach einiger Zeit kam mein Vater zurück aus dem Behandlungszimmer, alle starrten ihn erwartungsvoll an doch er sagte rein gar nichts, kam auf mich zu und nahm mich ohne jegliche Vorwarnung in den Arm. Ich war vollkommen perplex, wusste erst nicht so richtig wie ich reagieren sollte, erwiderte seine Umarmung dann aber, der alte Mann sah traurig aus. „Danke, dass du für sie da bist", sagte er mir leise ins Ohr, bevor er sich wieder von mir löste. „Ist schon ok Dad", sagte ich leise und glaubte dass es mittlerweile mein Standard Spruch geworden war, alles war schon ok und eigentlich war doch gar nichts ok. „Lass dich von einem der Jungs nach Hause fahren, du solltest ein wenig schlafen", streichelte er mir noch einmal über den Rücken. „Was ist mit Mum?", schaute ich fragend zu der Türe. „Sie hat es mir selbst gesagt, wenn du nicht gehst tritt sie dir in den Arsch," lächelte er, „Tara fährt sie gleich nach Hause." „Hm ok", fühlte ich mich nicht ganz wohl bei der Sache, aber wenn meine Mutter das so wollte akzeptierte ich das.

„Juice, bring Millie nach Hause", bestimmte er wieder ihn in seinem Befehlston, wie ich das hasste. „Und ich hoffe du lässt dir diesmal nicht dein Bike klauen", fügte er die kleine Anspielung auf gestern Abend noch hinzu, was die anderen Jungs zum lachen brachte. Ich warf meinem Vater einen bösen Blick zu und ging dann rüber zu Juice. „Komm wir gehen", nahm ich extra seine Hand, ließ sie allerdings los sobald mein Vater es nicht mehr sehen konnte. „Warum hast du denn jetzt schon wieder so miese Laune?" Fragte er mich irgendwann. „Ich hatte bisher noch keine gute Laune. Tut mir leid wenn's so rüber kam", zickte ich unnötig herum. In diesem Moment stellte ich fest dass ich nicht besser war als mein Vater. „Ich versteh dich nicht", meinte er noch, ich sagte nichts mehr dazu.

Bis wir an seinem Motorrad ankamen sprachen wir nicht mehr. „Hier du kannst meinen Helm haben", drückte er ihn mir gleich in die Hand. „Wenn wir einen Unfall haben hält die Nussschale mich ganz sicher nicht am leben", setzte ich ihn trotzdem auf. Juice setzte sich eine Sonnenbrille auf und schwang sich anschließend auf sein Bike. Nachdem ich es endlich schaffte den Helm zuzumachen, tat ich es ihm gleich und schlang meine Arme um ihn. „Kann's los gehen?" Fragte er. „Ja, aber bitte beschleunige nicht so schnell", antwortete ich. Natürlich ging er nicht auf meine Bitte ein und zog den Gashebel komplett durch.

the worst part is: there's no one else to blame [SOA] Juice x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt