neue Wege

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Vor ein paar Tagen rief mein Anwalt an, die Anzeige wurde tatsächlich zurückgezogen, dass ging schneller als ich erwartet hatte. Das Nevada Chapter war schnellstmöglich auf die Bitte meines Vaters eingegangen und hatte sich um das Miststück gekümmert. Eine Erleichterung verspürte ich dennoch nicht, ich hatte eine Entscheidung zu meinen Gunsten getroffen, eine mit der ich nun leben musste, die vielleicht besser für mich war, aber sich schlecht anfühlte.
Meine Kündigung hatte ich bereits versendet, ich ging davon aus, dass sie meiner Bitte nach einer fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses problemlos nachgingen, schließlich waren alle Umstände dafür gegeben und vielleicht hatte ich sogar schon eine Antwort erhalten. In meinem Zimmer in Las Vegas würden sich sicher schon die Briefe auf meinem Schreibtisch stapeln und Brenda würde von Tag zu Tag skeptischer werden, zurecht. Ich hatte keine Ahnung wie ich es ihr jemals beibringen sollte, und ich drückte mich immer mehr davor es überhaupt zu tun. Allerdings musste ich zurück nach Las Vegas um meinem Umzug zu regeln, Schlüssel auf der Arbeit abgeben, Behördenkram erledigen und meinen geliebten Murphy abholen. Keine Ahnung wie ich das mit der Katze meiner Mutter verklickern sollte, aber er gehörte zu mir. Nur konnte ich nicht einfach zurück und meiner besten Freundin alles wie aus heiterem Himmel an den Kopf knallen. Ich hatte ein ernsthaftes Problem, welches nur dadurch entstanden war, dass ich nicht von Anfang an ehrlich zu ihr war. Diese ganzen Lügen, das Verheimlichen, es war schrecklich und dennoch tat ich es immer wieder, das lag wohl in meinem Genen.

Ich traf mich mit Tara in ihrem und Jax Haus, ich bat sie darum noch einmal über meine Bewerbung zu schauen. Ich bezeichnete mich selbst zwar immer als die Meisterin der Bewerbungen, aber es konnte sicher nicht schaden eine Ärztin drüber schauen zu lassen. Zumal ich ihr auch irgendwie meine Dankbarkeit ausdrücken wollte, da war so ein kleiner Besuch doch sicherlich angebracht. Jax war bei TM, umso besser war es die Gelegenheit zu nutzen. Er hatte Tara mittlerweile sicher von meinem kleinen Attentat erzählt, ich hoffte sie würde mich nun nicht mit anderen Augen sehen. Aber man konnte den Leuten sowieso nur von dem Kopf schauen, sie schien sich jedenfalls zu freuen als ich vor der Türe stand und bat mich gleich rein. Abel saß in einem Hochstuhl und sie schien gerade dabei zu sein ihn zu füttern. Er warf mir seinen obligatorischen Millie ist da Blick zu, so nannte ich sein Starren mittlerweile, es machte mich noch immer ganz verrückt.

Ich stellte meinen Rücksack auf der Tischplatte ab und legte die Bewerbung daneben. Ich beobachtete sie dabei wie sie mit Abel umging, man konnte wirklich meinen sie sei seine leibliche Mutter, sie gab sich diesem eigentlich fremden Kind mit so viel Liebe und Zuwendung hin, dass es bewundernswert war, selbst für mich. „Willst du ihn vielleicht füttern?" Schenkte sie mir ein lächeln. Innerlich breitete sich Panik aus, ich wollte nicht den Eindruck machen, dass sich scharf darauf war das Baby zu füttern. Ich hielt schützend meine Hände vor mir, und stotterte drauf los „ääääh...ich...nei...äääääh." Und schon drückte sie mir Löffel und Babybrei in die Hand. „Komm schon, er wird sich freuen", lächelte sie mir zuversichtlich zu. Er vielleicht, aber ich ganz sicher nicht. „Ich gehe solange deine Bewerbung durch", klopfte sie mir auf die Schulter, schnappte sich mein Schreiben und setzt sich auf die andere Seite des Tisches. Wie ein Idiot stand ich da mit dem verdammten Babybrei in der Hand und starrte auf den bereits mit Brei verschmierten Mund meines Neffen. Das war nicht süß. „Worauf wartest du?" Lachte Tara, als sie kurz ihren Blick erhob. „Ach ja, füttern", presste ich total entgeistert die Lippen aufeinander und widmete mich seinen Glubschaugen. Auf der Arbeit musste ich auch Essen anreichen, wenn gerade keine Praktikanten oder Studenten oder sonst wer zur Hand waren, ich wusste also wie es ging, aber ich hasste es. Ich löffelte den Brei auf und führte ihn zu seinem Mund, ich war erleichtert als er ihn gleich öffnete und stopfte fleißig alles in ihn hinein, ohne Rücksicht auf Verluste. Bis ihm plötzlich etwas aus dem Mund herunter lief, ich wurde etwas hektisch, zuerst wollte ich das Lätzchen zum abwischen nehmen, entschied mich dann aber doch für den Löffel. „Gut machst du das", warf Tara plötzlich ein und ich fühlte mich wie ein Schuldkind welches eine tolle Hausaufgabe hinterlegt hatte.

Als das Glas endlich leer war und dieser Vielfraß mich anschaute als könnte er noch drei Gläser vertragen, war ich erleichtert, bis mir dann das Fläschchen auffiel. Mist formte ich lautlos mit meinem Lippen, Tara konnte es ja nicht sehen und griff dann ziemlich unmotiviert zur Flasche. Ich machte große Augen und Abel wagte es doch tatsächlich mir nachzuahmen. Dann zeigte er mit seinem Finger auf mich und fing an, an Lachen ähnelnde Laute von sich zu geben. „Er mag dich, schon seit er dich das erste Mal gesehen hat", kommentierte Tara die Geste. „Toll", konnte ich mir diese überspitzte Euphorie nicht verkneifen, „jaja, mich lieben alle Kinder." So kam es mir manchmal zumindest vor, so als wollten sie das haben was sie nicht kriegen konnten.

Tara stand wieder von ihrem Platz auf und nahm mir mit einem lächeln die Flasche ab, „du bist erlöst." „Puuuh," stieß ich aus. „Also deine Bewerbung siehst gut aus, habe nichts auszusetzen," nahm sie Abel auf den Arm. Ich schnalzte mit der Zunge, „tja ich bin ja auch die Bewerbungskönigin." Sie lachte kurz über meinen Spruch, „wenn du willst gebe ich sie für dich ab." „Danke das ist lieb von dir, aber das erledige ich gleich selbst. Ich habe eh nichts zu tun", stopfte ich die Unterlagen wieder in meinen Rucksack, „danke für's drüber schauen."
„Auch wenn das nicht nötig war", entgegnete sie mir. „Sicher ist sicher", erhob ich meine Augenbrauen und warf mir den Rucksack auf den Rücken.

Ich wollte sie nicht einfach so stehen lassen, „ich bin dir echt dankbar, dass du Jax nichts sagst, ich will nicht dass er sich einen Kopf darüber macht. Ist meine Entscheidung." „Ist doch kein Problem, er findet es aber sicher toll dass du hier bleibst", zwinkerte sie mir zu. Ich schnaubte kurz, „weiß nicht." Dann war es einen Moment still, bis ich wieder das Wort ergriff, „und das mit Gemma, was du alles für sie tust, das ist unglaublich. Nach all dem was passiert ist." Ich war noch ein Kind als die Sache mit Tara und Jax anfing, aber schon damals bekam ich mit wie schwer meiner Mutter es den beiden machte, sie wollte eben niemand außenstehenden in ihrer Familie haben. Niemand der Jax, ihrer Meinung nach, auf falsche Gedanken brachte. „So viel habe ich ja gar nicht gemacht", winkte sie ab. Ich schüttelte mit dem Kopf, „doch Tara." Dann schenkte diesmal ich ihr ein zuversichtliches Lächeln und ging zur Haustüre. Sie folgte mir mit Abel. „Wenn du mal auf ihn aufpassen möchtest, brauchst du es nur sagen", sagte sie als ich nach der Türklinke griff. Ich drehte mich mit einem ziemlich fragenden Gesicht um, „das ist ja lieb von dir, aber ich bin nicht unbedingt scharf auf Babysitten." „Jaaa, ich habe das schon gemerkt", sagte sie meinte das aber eindeutig nicht böse, „gibt es einen Grund dafür?" Ich schüttelte übertrieben mit dem Kopf, „nein, nein...keine Ahnung, keinen besonderen." Ich war mir selbst nicht sicher ob es einen richtigen Grund dafür gab, ich glaubte ich mochte Kinder einfach nicht. Meine Mutter hatte da ihre ganz eigene Theorie, glaubte den Grund zu kennen. Ich musste das Tara nicht unbedingt erzählen und mitleidige Blicke von ihr kassieren, die ich nicht brauchte. „Okay", schien sie meine Antwort so hinzunehmen, „wenn du sonst über etwas reden willst, abgesehen von der Arbeit oder Babys, kannst du gerne zu mir kommen." „Danke ich weiß das Angebot zu schätzen", drückte ich die Klinke herunter. Ich fragte mich ob Jax doch irgendwas in Richtung Kinder sagte, so mitleidig wie sie mich bei dem Thema anschaute und so sehr sie darauf drängte dass ich Abel näher kam, obwohl ich das offensichtlich nicht wollte.

Ich ging zum Wagen und fuhr gleich los in Richtung St. Thomas. Ich hatte mir dieses Mal den SUV meiner Mutter geliehen und das Fahrrad bei TM stehen gelassen, ich wollte mich nämlich nicht verschwitzt und mit zerzausten Haaren dort blicken lassen. Ich hatte mir sogar eine schicke schwarze Bluse meiner Mutter angezogen, obwohl ich kein Freund von Blusen war, aber ich wollte ja einen guten Eindruck hinterlassen. Ich war unheimlich nervös als ich vor dem Büro stand. Die Sekretärin sagte mir ich solle warten, dann könnte ich ihr die Bewerbung gleich persönlich überreichen. Die Minuten verstrichen so langsam wie Stunden und so länger ich warten musste, desto mehr steigerte ich mich in meine Nervosität rein. Ich fragte mich was ich machen würde wenn sie mich zu einem Gespräch einluden, dann würde ich wohl explodieren.

Die Türe öffnete sich, eine etwas füllige Damen mittleren Altern, mit kurzen strähnchenblonden Haaren machte auf und reichte mir die Hand. „Hallo Meline Morrow, ich möchte nur meine Bewerbung abgeben". Lächelte ich und nahm dabei ihre Hand entgegen. Sie hatte ihren Namen auch genannt, aber ich hatte ihn noch in derselben Sekunde wieder vergessen, weil ich so aufgereget war. Sie erwiderte mein Lächeln und musterte mich mit einem gekonnten Blick, bevor sie mir deutete ich sollte mit ins Büro kommen. Ziemlich unentspannt nahm ich auf dem Stuhl gegenüber von ihrem Schreibtisch platz, hinter diesen sie sich setzte und sich gleich einen Überblick über meine Unterlagen verschaffte. Ich hoffte sie würde nicht mit einem spontan Vorstellungsgespräch anfangen, dann wäre ich geliefert gewesen. Es war eine ganze Weile still. „Wow, guter Collage Abschluss, Stroke Unit im Valley Hospital Medical Center in Las Vegas. Dr. Knowels hat mir nicht zu viel versprochen", fing sie an und drangsalierte mich dabei mit ihrem Blick, „was zur Hölle wollen sie hier?" Schüttelte sie fragend mit dem Kopf und schaute mich dann erwartungsvoll an. „Ich möchte näher bei meiner Familie sein", antwortete ich darauf und konnte selbst nicht glauben was ich da sagte. „Nun gut, ich werde mir ihre Bewerbung durchlesen. Sie sind sich bewusst darüber dass wir Ihnen nichts vergleichbares anbieten können", hob sie eindringlich ihre Brauen. Ich nickte, „ja das ist mir vollkommen bewusst." „In Ordnung", sagte sie und erhob sich wieder von ihrem Platz, ich tat es ihr gleich. „Wir brauchen noch ihr Arbeitszeugnis vom Valley Hospital", sagte sie. „Ja klar, ich werden sofort anrufen, dass sie sich beeilen sollen, ich habe gerade erste die Kündigung verschickt", rechtfertigte ich mich für mein fehlendes Zeugnis. „Machen Sie sich keinen Stress Miss Morrow, ich denke dass es ziemlich gut für sie aussieht. Ich werde mir ihre Unterlagen noch einmal genauer ansehen und mich mit der Krankenhausleitung zusammen setzen. Ich melde mich dann bei Ihnen", reichte sie mir die Hand mit einem ziemlich festen Druck. Ich nickte dankbar und verließ dass Büro wieder. Als die Türe hinter mir ins Schloss fiel, war es als würde mir ein großer Stein vom Herzen fallen. Ich Atmete erleichtert auf.

Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen ging ich durch die Krankenhausgänge, das war zwar noch keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, aber immerhin ein gutes Zeichen. Die Dame schien zumindest nicht uninteressiert zu sein. Als ich das Krankenhaus verließ, steuerte ich blindlings vor Freude auf den Parkplatz zu, ich kramte in meinem Rücksack nach dem Autoschlüssel und rannte bei meiner Unaufmerksamkeit prompt in jemanden hinein. Ich ließ den Schlüssel fallen. „Ach Mist...Entschuldigung", wollte ich mich herunter bücken, doch der grauhaarige Mann kam mir zuvor. Ich lächelte, doch als ich sein Gesicht sah, entwich mir dieses sofort. Er hielt mir den Schlüssel hin, „ist doch kein Problem junge Lady." Unsere Blick trafen sich und mir stockte förmlich der Atmen, er lächelte mich an und ich brauchte eine Weile um mich wieder zu fangen. Der Schock stand mir ins Gesicht geschrieben. Vor mir stand der Vergewaltiger meiner Mutter. Mein Blick richtete sich wie automatisch, auf sein Tattoo unterhalb des Halses. Ich riss ihm den Schlüssel etwas unsanft aus der Hand. Plötzlich schob er ziemlich Fragend seine Brauen zusammen, „kennen wir uns?" Ich strich meine Haare ins Gesicht und wollte so schnell wie möglich an ihm vorbei, „Nein, ich denke nicht." Er kaufte mir meine Antwort nicht ab, es ratterte in seinem Kopf das konnte ich sehen. Ich wusste dass er mir die Ähnlichkeit zu meiner Mutter ansah, das konnte ich an seinem Blick sehen und wie er eins und eins zusammenzählte. Ohne ein weiteres Wort ging ich an ihm vorbei. „Nichts zu danken", rief er mir ein wenig beleidigt hinterher. Ich spürte seinen Blick förmlich im Rücken und wenn er bis zu dieser Sekunde, die Ähnlichkeit zu ihr für einen Zufall hielt, bestätigte ihn seine Vermutung, als ich in ihren schwarzen SUV einstieg. Er wusste nun wer ich war. Als ich hinter dem Lenkrad platz nahm, warf ich noch einen unsicheren Blick rüber zu ihm. Er beobachtete mich ganz ungeniert, mit einem widerlichen Grinsen auf den Lippen. Am liebsten hätte ich diesen Mistkerl überfahren. Ich wollte einfach nur so schnell wie möglich weg von dort. Startete den Wagen und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

the worst part is: there's no one else to blame [SOA] Juice x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt