•8• Schock

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Light öffnete die Augen und erblickte zwei glühend rote Punkte. Wie Augen eines Monsters fixierten sie ihn.
Er hörte, wie Messerklingen geschliffen wurden, ein böses Lachen hier, ein hilfloses Kreischen da.
Light war in komplette Dunkelheit gehüllt. Plötzlich fühlte er, wie er in die Tiefen eines Gewässers gezogen wurde, die Augen verschwanden. Egal wie sehr er sich wehrte, er sank, bekam keine Luft mehr.

Erschrocken schnellte Light nach oben, schwer atmend legte er eine Hand an seinen Hals.
"Wieder schlecht geträumt?", flüsterte L leise und rappelte sich auf. Light drehte ihm seinen Kopf zu und sah ihn mit großen Augen an.
Der Schwarzhaarige griff nach seiner Hand.
"Seitdem du das Death Note wieder benutzt hast, schläfst du sehr unruhig", stellte er fest. "Was ist denn diesmal passiert?"
Light atmete tief ein, langsam hatte er die Kontrolle wieder. "Ich weiß n-nicht... Ich bin... ertrunken", versuchte er mit zittriger Stimme zu erklären.

"Shh, tief durchatmen", flüsterte L und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
"Du bist nicht unter Wasser, du bist hier bei mir im Bett", meinte er ruhig. Light seufzte und lehnte sich zurück. "Weißt du was? Ich bleibe wach und passe auf dich auf."
Er musste lächeln. Er ist einfach wundervoll.
Langsam legte er sich wieder hin und L schmiegte sich an seinen Brustkorb. "Ich liebe dich", hauchte er ihm ins Ohr.

"Psst, Light", flüsterte L und küsste den Jüngeren wach.
Schlaftrunken rappelte er sich auf und sah L an.
"Wir sind spät dran, gleich nehmen wir Kontakt zum Wammy's House auf." Lights Augen weiteten sich. "Weck mich doch früher auf!", meinte er und zog sich sofort um.
"Du hast so friedlich geschlafen... Nach diesem Traum", murmelte L entschuldigend, dann spazierte er zur Tür.
Light stürmte die Treppen hinunter, Near und Mello waren schon bereit. Nur Matt lag auf der Couch und vertrieb sich die Zeit mit Videospielen.

"Da seid ihr ja endlich", murmelte Near und tippte auf der Tastatur herum.
"L, du musst den Anruf starten."
Wie verlangt hockte er sich in seiner üblichen Position auf den Stuhl, wenig später erklang ein Piepen.
"Es freut mich zu hören, dass du und die anderen drei euch Zeit genommen habt um euch mit euren Nachfolgern auszutauschen", sprach ein älterer Herr. Durch L's Erklärungen weiß Light, dass er der jetzige Leiter des Waisenhauses war, er wurde Roger genannt.

"Kinder, ihr könnt jetzt L, Mello, Matt und Near Fragen stellen!"
Eine Gruppe von Kindern begann zu jubeln und zu lachen.
Vielleicht sollten wir wirklich über eine Adoption nachdenken.
"Macht euch dieser K Konkurrenz?", fragte ein kleines Mädchen in ihrer kindlich-piepsigen Stimme.
"Nein", antwortete L lächelnd. "K gehört zu unserem Team."
"K ist viel cooler als L", hörte man einen Jungen murmeln, doch sofort wurde ihm widersprochen. Eine wilde Diskussion entstand, wer von den beiden Detektiven der bessere war.
"Wir beide sind gleich cool", versuchte L die kleinen zu beruhigen, und es funktionierte.

"Ich habe eine Frage an Near", meinte ein Junge, er war wohl etwas älter als die anderen.
"Prügelst du dich noch oft mit Mello?"
Der Blonde fing an zu kichern, Near jedoch behielt einen kühlen Kopf. "Umgedreht. Mello ist der, der anfängt." Die Kinder begannen zu lachen. Als sie sich wieder beruhigt haben, meldete sich ein kleines, schüchternes Mädchen.
"L...", meinte sie leise. "Wovor hast du Angst?"

Interessiert sah Light zu L. Dies war etwas, worüber sie nie wirklich geredet hatten. "Etwas, wovor ich Angst habe?" Die Miene des Schwarzhaarigen wurde ernst, seine Stimme blieb jedoch sanft.
"Ich denke, Monster."
Die Kinder waren ebenso interessiert, nur wenige tuschelten noch miteinander.
"Schwachkopf", zischte Mello, doch auch er hörte still dieser Rede zu.

"Auf dieser Welt gibt es viele Arten von Monstern. Monster, die sich nicht zeigen und nichts als Ärger verursachen, Monster die Kinder entführen, Monster die Träume verschlingen, Monster die Blut saugen, und Monster die immerzu Lügen erzählen. Lügende Monster sind eine wahre Plage, sie sind noch schlimmer als andere Monster. Sie stellen sich als Menschen dar, obwohl sie kein Verständnis über das menschliche Herz haben. Sie essen, obwohl sie nie das Gefühl von Hunger erfahren haben. Sie studieren, obwohl sie kein Interesse im Studium haben. Sie suchen Freundschaft, obwohl sie nicht wissen, wie man liebt. Wenn ich auf solch ein Monster treffen würde, würde ich wohl davon verschlungen werden. Denn in Wahrheit...

...bin ich dieses Monster."

Keiner sagte mehr ein Ton. Weder die Kinder, noch Mello, sogar Matt hatte seine Videospiele beiseite gelegt.
Light zitterte leicht. Für ihn war diese Rede ein klares Zeichen von Selbsthass, Depressionen. Und er hatte es all die Jahre nicht bemerkt. Light schimpfte innerlich mit sich selber, dass er das Lächeln nie hinterfragt hat, immer nur so hingenommen hat.
Er legte seine Hand auf die des Älteren, spürte die Wärme. Sanft lächelten sie sich an.

Nach einer Weile brach Roger das Schweigen.
"L, wie geht es eigentlich Watari?"
Sein Lächeln verschwand abrupt, und auch Light dachte scharf nach. Heute hatten sie ihn noch garnicht gesehen, sonst hätte er doch schon lange etwas zu Essen gebracht.
L sprang auf die Beine und sprintete die Treppe hinauf, dicht gefolgt von Light.
Panisch riss L die sonst abgeschlossene Holztür auf und suchte nach Watari. Light wunderte sich. Das Bett war frisch gemacht, der Teppich gesaugt.

Light betrat das Badezimmer und erstarrte. Seine Augen waren vor Schock geweitet, keinen Ton konnte er hervorbringen.
"Light, hast du ihn gefu-"
L hatte sich an Light vorbei gedrängelt und war nun auch erstarrt.
Vor ihnen lag Watari leblos am Boden. Kein Zeichen war zu sehen, dass er noch am Leben war, zumindest hatte er ein leichtes Lächeln auf den Lippen.

L sank hinunter auf seine Knie, dann sackte sein Oberkörper zusammen und er lag am Boden. Er zitterte am ganzen Körper, es war ein totaler Zusammenbruch.
Erst jetzt konnte sich Light wieder bewegen. Ebenfalls leicht zitternd legte er seine Arme um den Schwarzhaarigen und versuchte, ihm ein wenig Trost zu spenden.
Es brachte nichts, er war in seinem Zustand gefangen.
Light begann, den Puls des alten Mannes zu suchen, in der Hoffnung dass er noch leben würde.
Nichts.
Stattdessen fand er einen beschriebenen Zettel, an L adressiert.

Nothing else matters | Death Note • Lawlight FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt