•14• Familie

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Sie hatten sich sehr beeilt, die regulären Besuchszeiten begannen erst in knapp einer halben Stunde. Ungeduldig saß Sayu bereits im Wartezimmer.
Die Begrüßung blieb der Brünette im Halse stecken, als sie das kleine Kind im Arm ihres Bruders sah.
Sie war komplett sprachlos, sie konnte lediglich ihn mit großen Augen anstarren.

Sie setzten sich neben Sayu, die Charles nun auch halten durfte. "Mutter wird so stolz sein", murmelte sie und lieferte sich einen Starrwettkampf, welcher in einem herzhaften Lachen endete.
"Sag Mal Light, leidet deine Arbeit nicht jetzt ein wenig?", fragte Sayu, diesmal kitzelte sie ihren Neffen ein wenig. Light winkte nur ab. "Wir schaffen das schon, Erziehung kann ja nicht so schwer sein."
"Erziehung ist schwerer als man denkt", mischte sich sein Vater ein. "Bis man den Dreh raus hat, wird das erste ein wenig komisch."
Light lachte leise, ohne zu realisieren, was er gerade gesagt hat. Plötzlich hörte er auf und sah seinen Vater an.
"Was soll das denn jetzt bedeuten?", fragte er, jetzt hatte er es erst verstanden.
"Wo ist denn deine Kombinationsgabe hin?", fragte L belustigt. Er fand es wohl außerordentlich witzig, wie der Jüngere darauf reingefallen war. Für Light war das natürlich eine absolut peinliche Blamage, schließlich konnte er für üblich mit dem weltbesten Detektiven mithalten.

"Sie dürfen jetzt rein", meinte eine Krankenschwester, welche auch sofort wieder verschwand.
Von allen trat Light als letzter ein, und seine Mutter reagierte genau so, wie es seine kleine Schwester tat.
"Wie geht's dir, Mutter?", fragte Light und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Krankenbett, wie es alle anderen auch taten.
Sie hingegen lächelte nur. "Bedeutet das, ich bin Oma?", fragte sie und deutete auf das Kind. Lächelnd nickte Light, doch aus dem Augenwinkel sah er L, wie er traurig den Kopf senkte. Im Gegensatz zu ihm hatte der Schwarzhaarige keine leibliche Familie mehr, die sich darüber freuen könnte. Nicht einmal Watari könnte das hier sehen.
Light fühlte sich automatisch unwohl, doch nun musste seine Mutter Vorrang haben.
"Wie ist die OP verlaufen?", wiederholte er seine Frage. Seine Mutter lächelte ihn sanft an. "Sie ist sehr gut verlaufen, übermorgen darf ich wieder nach Hause", erklärte sie, dann sah sie in die Runde.

"Hey, L, lächel' doch mal", forderte sie den Schwarzhaarigen fröhlich auf und riss ihn aus seinen Gedanken.
Light sah ihn ebenso fröhlich an und berührte seine Hand. Zwar hatte er keine leibliche Familie mehr, aber Light gab ihm eine richtige Familie.
"Verzeihen Sie, Frau-"
"Das haben wir doch schon vor eurer Hochzeit geklärt", meinte sie nur. "Wir duzen uns alle und sprechen uns beim Vornamen an. Auch keine unnötigen Anhängsel." 
L lächelte endlich. "Okay, Sachiko."

Für diesen einen Moment vergaß Light alle Sorgen der Welt, für diesen Moment gab es nur seine Familie. Bis die Besuchszeit vorbei war und er auf sein Handy sah.
Fünf verpasste Anrufe von Near und drei von Mello. Mit einem schlechten Gefühl im Bauch rief er den weißhaarigen Detektiven zurück.
"Es gab einen weiteren Amoklauf", sprach er ohne lange zu fackeln.
Das schlechte Gefühl war nun berechtigt, die gute Laune vorbei. Dabei waren sie nichtmal aus dem Krankenhausgebäude gegangen.
"Wo? Und wie hoch ist das Ausmaß?"
"Neun Tote, acht Verletzte. Es war vor dem Krankenhaus."
Light blieb abrupt stehen. Er hatte überhaupt keine Schüsse gehört, und jetzt war es zu spät.
"Sayu, du gehst jetzt auf dem direkten Weg nach Hause. Vater, L, kommt mit", meinte er und beschleunigte sein Tempo. "Wir müssen schnell in die Zentrale."

Aufgewühlt lief Mello hin und her, während Near in aller Ruhe versuchte, Zeugenaussagen zusammenzukratzen. Auch Matt saß nicht auf der Couch und spielte Videospiele, er sah sich Bilder vom ersten Tatort an.
"Wir sind da", meinte L und stürmte zu seinem Platz am Computer, Light folgte ihm.
"Letztes Mal gab es zehn Tote und neun Verletzte, und zehn schwarze Fotos lagen herum", fasste Mello den ersten Amoklauf zusammen.
Auch Ryuk schaltete sich ein, diesmal mit ziemlich hilfreichen Aussagen.
"Und dieses Mal neun Tote und acht Verletzte. Habt ihr eigentlich die neun weißen Bilder gesehen?"
L warf Light einen besorgten Blick zu. "Gibt es da etwa einen Zusammenhang?", fragte der Braunhaarige. "Wir müssen das weiter beobachten", meinte Mello, er war noch immer sehr unruhig.

L trommelte mit seinen Fingern auf dem Tisch vor ihm herum. "Ich denke, da besteht ein Zusammenhang", merkte er an und zog seine Knie weiter an sich heran. Light legte den Kopf schief.
"Wie kommst du da drauf?"
"Die Fotos und die Orte sind ausschlaggebend."
Der Jüngere überlegte für sich. Die Fotos waren schon ziemlich verdächtig, ebenso dass so ein Amoklauf vor zwei der wichtigsten Gebäude ausgeführt wurde.
In Anbetracht dessen wird es kein zufälliger Amoklauf sein. Wenn da wirklich ein Zusammenhang besteht, ist das willkürlicher Mord an zufälligen Personen.

"In einem Abstand von vier Tagen", murmelte Matt leise. Light drehte sich zu ihm um und reckte den Daumen in die Höhe. "In vier Tagen müssen wir wachsam sein."
"Wenn es einen dritten geben würde, tippe ich auf eine Feuerwehrstation oder ein wichtiges Nachrichtengebäude", meinte Mello und hob Charles hoch, der gerade an seinem Versuch zu laufen gescheitert ist.

"Wir behalten diese Gebäude im Auge", meinte Near. Er speicherte seine Dateien ab und dehnte seine Finger.
"Vater, wir brauchen hier die Unterstützung der Polizei", sprach Light und sah seinen Vater an.
"Ich stelle ein Team auf", versicherte er ihm, er zückte sein Handy und begann zu telefonieren.
"Jetzt mal eine andere Frage", warf Matt ein und zeigte auf Charles, der von Mello wieder auf den Boden gesetzt wurde. "Wo schläft der eigentlich?"

"Wir haben hier genug Zimmer, eines davon gestalten wir zu einem Kinderzimmer um", erklärte L, der nun aufstand und sich zu seinem Sohn setzte.
"Aber bis dahin darf er sich aussuchen, bei wem er schlafen will."
Light ließ sich auch zu ihm hinunter und lächelte ihn an.
"Charlie, bei wem willst du schlafen?", fragte der Braunhaarige mit einer sehr kinderfreundlichen Stimme. Kurz sah sich der Kleine um, doch schnell hatte er sich entschieden.
Mit kleinen, tapsigen Schritten stakste er auf Near zu. Überrascht sah er den Jungen an.
"Du willst bei mir übernachten?"
Fröhlich grinste Light den Weißhaarigen an.

"Dann bauen wir das Kinderbett bei dir die Nacht auf."

Nothing else matters | Death Note • Lawlight FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt