•22• Urteil

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"Der Angeklagte wird zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe verurteilt."
So lautete das finale Urteil.
Light war sichtlich überrascht, es war eine äußerst milde Strafe dafür, dass er ein Serienmörder war.
Zum ersten Mal merkte er, wie sich ein normaler Verbrecher bei einer zu milden Strafe fühlen musste.
Er war erleichtert, dass er nicht den frühen Tod fürchten musste, dass er nach dieser Zeit zurück zu seiner Familie kehren kann.

Eine einzelne Freudenträne rollte sein Gesicht hinunter, während Polizisten ihn durch einen separaten Gang führten. Er würde jetzt gleich ins angrenzende Gefängnis gebracht. Würde er aus Schutz für die anderen Gefangenen in Einzelhaft kommen, oder würde er sich eher eine Zelle mit jemanden teilen müssen?
Hatte er Besuchszeiten?
Das würde er nur zu gerne die Polizisten fragen, die ihn gerade abführten, aber er tat wohl das einzig schlauere und schwieg.
Light ließ sich noch einmal das Urteil durch den Kopf gehen.
Zwanzig Jahre waren eine lange Zeit. Wenn er wieder Freiheit genießen durfte, wäre er über vierzig Jahre alt.
Charles gesamte Kindheit würde er verpassen, und L wäre auch schon fast fünfzig Jahre alt.
Wie sehr würde die Zeit ihn verändern?

~•~

Nach einer Woche langweiliger Einzelhaft würde er nun an die anderen Verbrecher herangeführt werden. Zwar war für Light diese eine Woche ein Kinderspiel gewesen, schließlich war er für fast zwei Monate einsam eingesperrt gewesen, aber ein paar soziale Kontakte schadeten nie.

Light saß in der staubigen Ecke einer großen Zelle, drei andere Verbrecher teilten sich die Zelle mit ihm und unterhielten sich wild.
Ein großer, muskulöser Glatzkopf mit unzähligen Narben im Gesicht prahlte: "Ich bin der gefährlichste Mörder hier!"
"Ach ja? Wie kommst du denn auf diese Idee?", schmunzelte ein sehr schlanker, aber großer Mann mit roten, stacheligen Haaren mutig.
"Hast du deinen Opfern die Köpfe abgerissen?", fragte der Glatzkopf bedrohlich.
Der Rothaarige hob beschwichtigend seine Hände. "Schon gut, schon gut Meister."
Nun mischte sich der dritte Mann, ein markanter Vollbart zierte sein kantiges Gesicht, nach Lights spontanen Einschätzung schien er der gefährlichste Mann im Raum zu sein.

"Aber niemand von euch hatte den Mut, ein Attentat auf ein Staatsoberhaupt auszuführen", murmelte er bösartig, nur um prompt von dem Glatzkopf am Kragen gepackt zu werden. Ohne große Anstrengung schleuderte er ihn gegen die Zellenwand, dann wanderte sein Blick plötzlich zu Light.
Im Gegensatz zu den anderen sah er so aus, als hätte man ihn irrtümlich hier eingesperrt.
"Und wegen was bist du hier?", knurrte er. Der Rotschopf beugte sich nach vorne und fixierte ihn mit einem katzenähnlichen Blick.
"Ich bin Kira", antwortete Light hemmungslos.
Sofort wich er ängstlich zurück, während der Schlanke nur noch breiter grinste.
"Uranishi, du bist echt dumm", meinte der dritte, der sich mittlerweile wieder aufgerappelt hatte. Er packte Light am Kragen.
"Kira wurde geschnappt, der kann niemanden mehr umbringen", lachte er. Er reckte seine Faust in die Höhe.
"Arakawa, was hast du vor?", fragte der verängstigte Uranishi und presste sich nach wie vor an das Zellengitter.
"Ich werde mich für all die getöteten Verbrecher rächen" grinste Arakawa und schlug mit seiner Faust zu. Mehrere Male traf er Lights Gesicht. Auf die Nase, gegen das Kinn, auf das Auge.

"Heh, hör doch auf den kleinen zu boxen!" Der Rotschopf verteidigte Light, wenn auch auf eine lächerliche Art und Weise.
"Sendou, Klappe", keifte er nur. Sendou lachte beängstigend.
"Wenn du den kleinen noch auseinander brichst, stech ich dir deine Augen aus", kicherte er in einem unerklärlich fröhlichen Singsang.
Arakawa ließ Light los. "Auf jeden Fall wird der kleine ziemlich verunstaltet bei den Besuchen auftreten", kicherte Sendou hämisch. Mittlerweile hatte sich auch Uranishi wieder gefasst.
"Kira, wie bringst du die Leute um?", fragte der Glatzkopf begeistert und kniete sich vor Light hin, nur um dann von seinem bärtigen Kollegen einen Tritt ins Gesicht zu bekommen.

Light wusste nicht Recht, vor wem er sich am ehesten in Acht nehmen sollte. Uranishi war zwar körperlich stärker, aber er schien sich eher vor Kira zu fürchten. Arakawa hingegen war eher der Anführer, kalt aber gewaltbereit. Dagegen war der schmächtig wirkende Sendou ein unberechenbarer Psychopath.
Ein Gefängniswärter stand vor den Gittern.
"In eine Reihe aufstellen, einzeln vortreten", sprach er in einem scharfen Ton. Einzeln wurden sie abgeführt und in einen kleinen Raum mit einer Glasscheibe gebracht. Auf der anderen Seite war ebenso ein Raum, nur viel freundlicher gestaltet.
Aber auch hier standen überall Polizisten, die im Notfall eingreifen würden.

Die Tür öffnete sich, wieder trat ein Polizist herein, und diesmal hatte er einen normalen Besucher im Schlepptau.
Überrascht sah Light zu L, der vor der Glasscheibe platz nahm.
"Light was... Was ist dir denn passiert?", fragte der Schwarzhaarige und deutete auf das angeschwollene Auge.
"Das war nur einer, mit dem ich mir die Zelle von heute an teilen muss", meinte Light nur gleichgültig und fuhr mit seiner Hand über die verletzte Stelle.
"Ich werde hier schon klarkommen."
L lächelte bedrückt. Für ihn war das ganze noch schlimmer, er musste ein Kind aufziehen, sich vor Lights Familie rechtfertigen und aufpassen, dass Mello nichts anstellt. Diesen Pflichten war Light entkommen.
"Wenn du Glück hast und dich gut hier benimmst, könntest du sogar noch früher rauskommen", meinte der Schwarzhaarige leise.

Vorsichtig legte er seine Handfläche an die Scheibe. Light tat es ihm gleich und lächelte ihn aufmunternd an.
Ein Polizist im Hintergrund sah schon ungeduldig auf seine Uhr um sein Handgelenk. Die Besuchszeit war nur kurz, und möglichst vielen sollte ein Gespräch mit Verwandten oder Freunden ermöglicht werden.
Und Lights Zeit war gleich wieder abgelaufen.
"Bis später", verabschiedete Light sich, als wäre es ein ganz normaler Tag und er würde nicht im Gefängnis sitzen.
Die Polizisten führten ihn wieder in die Zelle, nur Sendou war bereits hier.

"Hey hey!", rief der Rotschopf und grinste schelmisch.
"Hat sich jemand in dieses Loch begeben und wollte dich besuchen?"
"Tatsächlich schon", seufzte Light, während er sich auf die Liege legte.
"Dich etwa nicht?"
Sendou schüttelte den Kopf. "Einen zu Tode verurteilten will niemand besuchen."
Dann lachte er schallend. "Willst du ein paar Geheimnisse erfahren?", fragte er und hockte sich daneben.
Light hob eine Augenbraue.
"Arakawa ist eigentlich mega die Heulsuse, hehe", kicherte er leise.
Für Light stand fest: Sendou musste er auf seiner Seite haben, wenn er die zwanzig Jahre hier überleben will.

Nothing else matters | Death Note • Lawlight FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt