Donnerstag, 01.07: Ivy
Was für ein Tag! Ich lies mich unglaublich erschöpft ins Bett plumpsen und starrte für eine Weile meine Decke an, die ich vor einiger Zeit in einem hellblau- Ton gestrichen hatte.
Erst hatte ich Karla meine Meinung gesagt, dann hatte Luke mich geküsst und anschließend mit an seinen Lieblingsort genommen. Der steinerne Turm gehörte ihm ganz alleine und er hatte jeden Raum anders eingerichtet. Es gab dort sogar ein Schlafzimmer und einen Kleiderschrank, in dem er bestimmt zehn Paar Sneaker aufbewahrte.
Anschließend waren wir die Treppen bis zur Spitze des Turms hinaufgegangen und hatten vom Dach aus über die ganze Stadt geschaut. Zuerst war mir ja ein bisschen schlecht geworden, aber dann konnte auch ich es genießen, wie es da vor uns lag, das kleine Mühlenbach und dahinter die goldenen Felder, die von der Sonne angestrahlt wurden.
Dazu noch den beliebtesten Jungen der Stufe neben einem und alles war perfekt. Zu perfekt um wahr zu sein. Nur ein einziges Problem hatte es gegeben. Auf dem Turm hatte ich so sehr die Zeit vergessen, dass es schon nach einundzwanzig Uhr war, als ich mein Haus erreicht und mich von Luke verabschiedet hatte. Ganz abgesehen davon, dass ich einfach so Hockey geschwänzt hatte.
Schon von Weitem hatte ich gesehen, dass unser Auto an der Einfahrt geparkt war und meine Familie daher schon Zuhause sein musste. Also war ich panisch in den Garten gegangen, um von außen in mein Zimmer zu gelangen.
Bei der Kletterpartie hatte ich nicht nur furchtbare Angst gehabt, sondern mir auch noch mein nigelnagelneues Top zerrissen. Und zu allem Überfluss hatte mich dann auch noch Leni dabei erwischt und ich musste sie erstmal in Süßigkeiten für ihr Stillschweigen bezahlen (auch wenn mir das nicht viel ausmachte, denn ich aß das Zeug sowieso nicht mehr).
Jetzt, wo ich endlich im Bett lag, dachte ich an meinen wunderschönen Tag zurück: an die vielen netten Kommentare meiner Fans (inzwischen erlaubte ich mir den Ausdruck Fans), fast zweitausend Likes und an Luke mit seinen kaffeebraunen Augen und den Engelshaaren. Ach was, die ganze Person war ein Engel - ein Geschenk, genau zur richtigen Zeit.
Freitag, 02.07: Karla
"Hallooo! Jemand zuhause?" Erschrocken schlug ich meine Augen auf und blickte direkt auf unzählige Tische, an denen Jungen und Mädchen saßen und sich angeregt miteinander unterhielten.
"W- wo bin ich?", nuschelte ich verwundert. Neben mir saß Josh und amüsierte sich offenbar prächtig. "Du bist in der Schule, Karla.", informierte er mich mit einem ironischen Unterton und beobachtete grinsend, wie ich eilig mein Mäppchen und mein Heft aus der Schultasche zog.
Ich musste wohl eingeschlafen sein. Langsam erinnerte ich mich wieder. Heute hatte ich mich neben Josh gesetzt, um wenigstens nicht ganz alleine zu sein, in der Nacht hatte ich kaum geschlafen, fast gar nicht. Und wenn, dann hatte ich davon geträumt, wie mich Ivy anbrüllte, oder Jona im Großstadtgetümmel verschwand und nicht mehr zurückkehrte.
Die riesigen Augenringe, die ich an diesem Morgen im Spiegel erblickt hatte, hatten selbst mich dazu gebracht, sie mit etwas Schminke meiner Mutter zu überschminken, damit sie nicht so auffielen.
Aber anscheinend hatte das nicht viel geholfen, denn in diesem Moment starrte Josh mein Gesicht ziemlich seltsam an. "Ich kenne mich ja nicht so gut aus mit dem Zeug, aber", Josh deutete auf meine Augen, "für mich sieht das so aus, als hättest du dir Lidschatten unter die Augen geschmiert."
"Na und?", erwiderte ich, während ich in einem passenden Moment heimlich meine Augen betastete. Wie sah denn Lidschatten überhaupt aus?
"War ja nur ein freundlicher Ratschlag von mir. Beim nächsten Mal, benutz lieber so einen Abdeckstift. Oder gar nichts, du hast Schminke doch gar nicht nötig!"
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Teen FictionVirtuelle Freunde sind toll! Sie loben und bewundern dich, sie sind dir für jede Antwort dankbar und füttern dich mit Selbstbewusstsein. Aber sind sie auch noch da, wenn du gerade mal nicht perfekt gestylt bist? Trösten sie dich, wenn du nicht mehr...