9000 Follower, oder auch Kapitel XIV

95 18 6
                                    

Donnerstag, 08.07: Karla

Ein himmlischer Duft nach Spaghetti mit Tomatensauce stieg mir in die Nase und ich öffnete augenblicklich die Augen. Wieder einmal lag ich in dem blauen, stickigen Zelt, das ich mir mit Alessia teilte. 

Der Eingang war geöffnet und die letzten abendlichen Sonnenstrahlen schienen hindurch. Wie lange hatte ich geschlafen? Eine Stunde, einen Tag? Erst jetzt bemerkte ich, dass Alessia vor mir saß. In der Hand hielt sie einen Teller, auf den sie eine riesige Portion Spaghetti geladen hatte. Auf sie war wirklich Verlass! 

"Wie geht es dir?", fragte sie mich, als ich zu ihr aufschaute. "Besser.", murmelte ich und schenkte ihr ein Lächeln. "Das ist gut", der Fuchs nahm meine Hand, "komm mit. Da draußen gibt es gleich einen atemberaubenden Sonnenuntergang." "Haha, sehr witzig.", kommentierte ich, doch ein leises Kichern konnte ich mir trotzdem nicht verkneifen. Der war wirklich nicht schlecht gewesen! 

Schmunzelnd nahm ich den Teller in die Hand und folgte meiner Zeltnachbarin nach draußen. Wir setzten uns auf die Wiese vor dem See, der beinahe so aussah, als würde er die Sonne ganz langsam verschlucken. Die Nudeln waren noch warm und ich freute mich, endlich etwas in meinem viel zu leeren Magen zu haben. 

"Ich habe gehört, der süße Wolf hat dich gerettet.", spottete Alessia nach einer Weile, in der wir still der Sonne beim Untergehen zugesehen hatten. "Ja, das hat er.", antwortete ich. Eigentlich konnte mir egal sein, wer mich gerettet hatte, doch da war irgendetwas in mir, das sich ungemein freute, dass es ausgerechnet Silas gewesen war. 

Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. "Dein Verehrer hat dich gerettet. Wie in einem Liebesfilm. Besser geht es doch gar nicht!", triumphierte der Fuchs. "Mein Verehrer? Er ist doch gar nicht mein Verehrer. Silas ist einfach nur...", wollte ich protestieren, aber Alessia unterbrach mich: "Du hättest mal mitbekommen müssen, wie besorgt der beim Abendessen auf unseren Tisch gestarrt hat. Er hat mich sogar im Vorbeigehen gefragt, wie es dir geht." 

Mein Herz machte einen Freudensprung. "Und...", stammelte ich, "und was hast du ihm gesagt?" "Dass du immer noch schläfst.", erwiderte sie. Was hätte sie auch Anderes sagen sollen? Dann blickten wir wieder schweigend auf den schwarzen See. Inzwischen war die Sonne beinahe von dem dunklen Nass verschluckt worden. Nur noch ein leise Plätschern und das Zwitschern einiger Vögel, die am Himmel ihre Kreise zogen, war zu hören.

Nachdem die Sonne vollständig im Waldsteinsee verschwunden war, und wir noch eine Weile auf den See gestarrt hatten, wie es zwei Philosophen taten, gingen wieder langsam zum Zelt zurück.

Es war bereits nach halb elf, als ich aus dem Schlafsack neben mir ein lautes Schnarchen vernahm. Schon mehrmals hatte ich vergeblich versucht, einzuschlafen, doch immer, wenn ich kurz davor war, begann das fürchterliche Schnarchen wieder. Natürlich wollte ich Alessia nicht wecken. 

Also hatte ich mir kurzerhand mein Handy geschnappt, um etwas Musik zu hören und damit gleich gegen mein Vorhaben verstoßen. Dabei fiel mein Blick wieder auf die Textnachrichten, die mir Ivy geschrieben hatte. Komisch, selbst der Name "Ivy" kam mir schon fremd vor. 

So, als wäre er nicht mehr, als ein völlig unbedeutender Name einer Person, die ich gar nicht richtig kannte. Und eigentlich war es ja auch so. Ich wusste gar nichts über Ivy- nicht mehr. 

Eine Weile lang starrte ich auf den kalten, blendenden Bildschirm, der mein Gesicht anstrahlte und meine Augen leicht zusammenkneifen ließ, als plötzlich, direkt vor unserem Zelt ein Ast knackte. Erschrocken zuckte ich zusammen. Was war das? Etwa ein Betreuer, oder ein Tier? 

Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, legte sich ein großer Schatten über unser Zelt und etwas kratzte mit seinen Fingernägeln, an der Zeltwand. Meine Augen waren so groß geworden, wie die einer Eule und ich starrte wie gebannt auf den Zelteingang. 

100.000 LikesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt