Donnerstag, 01.07: Karla
"Sag mal, seid ihr jetzt richtig zusammen?", fragte ich meine Freundin und konnte dabei ein fettes Grinsen nicht unterdrücken.
"Wer?", schreckte sie auf. "Na, du und Luke!", erwiderte ich und beobachtete amüsiert, wie Ivy langsam rot anlief.
"Nein, ich, wie kommst du denn darauf?", stammelte sie. "Aha schon verstanden", flüsterte ich, "aber du weißt schon, dass ich deine Freundin bin und du mich nicht anlügen musst."
"Ich lüge doch nicht.", kam zurück. "Wenn du meinst. Ich will dich ja nur vor dem Typen warnen. Er ist ein rücksichtsloser Angeber, der dich nur ausnutzt.", sagte ich und bereute es sofort.
"Du bist ja nur neidisch.", fuhr Ivy mich an. Hoppla! Klar, Luke sah nicht schlecht aus, aber neidisch auf diesen Angeber war ich sicherlich nicht. Auf einmal kam ich mir ganz schön blöd vor, in meiner weiten, ausgefransten Jeansjacke, direkt neben einer perfekt gestylten Ivy.
Vielleicht wollte ich es einfach nicht richtig wahrhaben, aber wir hatten uns in der letzten Zeit ziemlich auseinander entwickelt. Nicht nur Äußerlich. Ich musste Ivy ständig hinter rennen, wenn wir nicht gerade im Unterricht waren, wo wir sowieso nebeneinander saßen.
"Tut mir leid. Ich meinte es nicht so.", entschuldigte ich mich sofort. Ivy drehte sich kurz weg, dann schaute sie mich wieder an und antwortete: "Falls es dich interessiert. Er hat mir gestern auf die Wange geküsst."
Aha, das war es also. "Ist das nicht ein bisschen früh? Ich meine, das war doch sicher euer erstes Date?", fragte ich sie.
"Ja und? Du hast doch echt keine Ahnung! Seit ich den Blog habe, gönnst du mir gar nichts mehr. Und verhältst dich immer noch wie ein kleines Kind. Ganz ehrlich: so eine Freundin wie dich brauche ich nicht mehr!", mit diesen Worten stand sie auf und marschierte an den Tisch vor uns, an dem die schlimmste Mädchenclique unserer Klasse saß.
Da kommt sie nicht weit, dachte ich still. Doch innerhalb weniger Sekunden hatte sie es nicht nur geschafft, dass sie sich neben Anastasia, die geheime Anführerin der drei setzen durfte, sondern auch, dass sich die gesamte Clique angeekelt zu mir umdrehte.
Jetzt saß ich hier. Alleine an einem Tisch in einer Klasse, in der es für Ivy und mich bisher nur uns beide gegeben hatte. Aber jetzt gab es wohl eine neue Ivy- entstanden in nur einem Monat. Eine Ivy, die neben Anastasia sitzen durfte und mit Luke zusammen war. Oder nicht. Keine Ahnung.
Traurig schaute ich auf meine Heftseite, in der ich krakelig die Hausaufgaben notiert hatte. Von hinten hörte ich ein "Mädchen, Mädchen!" und drehte mich wütend um.
In der Reihe saß Josh, der Klassenclown, der sich allerdings keiner großen Beliebtheit erfreute. "Tu mir einen Gefallen", giftete ich meinen schwarzhaarigen Mitschüler an, "halt einfach deine Klappe."
Im nächsten Moment tat es mir wieder leid, aber Josh hatte schon ein ironisches "Uhhh" von sich gegeben, was wohl bedeutete, dass er meine Worte kein bisschen ernst nahm.
Nachdenklich spielte ich an meinem Kugelschreiber rum, den ich auf irgendeiner der vielen Demos für mehr Tierwohl, die ich besuchte, geschenkt bekommen hatte. Darauf war ein kleines Ferkel abgebildet.
Das laute Räuspern unserer Lehrerin Frau Kamm riss mich unsanft aus meinen Gedanken. "Guten Morgen!", sagte sie knapp, woraufhin ein müder Chor, der auch nur aus der Hälfte der Klasse bestand, ihre Begrüßung erwiderte.
"Wir fangen mit dem Besprechen der heutigen Hausaufgaben an.", erklärte sie und klappte die Tafel auf, auf der in schmieriger Schrift "Frau Kamm kämmt ihre Haare nicht" geschrieben stand.
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Ficção AdolescenteVirtuelle Freunde sind toll! Sie loben und bewundern dich, sie sind dir für jede Antwort dankbar und füttern dich mit Selbstbewusstsein. Aber sind sie auch noch da, wenn du gerade mal nicht perfekt gestylt bist? Trösten sie dich, wenn du nicht mehr...