Mittwoch, 14.07: Karla
Die Tür öffnete sich mit einem viel zu lauten Quietschen und nachdem wir beide eilig in das Gebäude geschlüpft waren, lauschten wir angestrengt in die Stille. Doch es blieb still. Nichts rührte sich.
Trotzdem hatte ich das unangenehme Gefühl, dass jemand in der Nähe war. Ich blickte zu Silas hinüber in der Hoffnung, er würde etwas Ruhe und Sicherheit ausstrahlen. Aber er wirkte er eher angespannt, so als würde er nur darauf warten, dass aus irgend einer der dunklen Nischen jeden Moment jemand auf uns zuspringen und uns angreifen könnte.
Ohne auch nur ein Wort zu sprechen einigten wir uns darauf, zunächst die Treppe zu nehmen, die sich in kleinen Kurven bis hinauf in den nächsten Stock wand. Anders als in den Gebäuden vorher lag hier keinerlei Staub. Im Gegenteil. Der Flur mit samt seinen Wänden aus Mauerstein kam mir so vor, als würden in regelmäßig Leute betreten oder pflegen. Nur die Spinnenweben, die sich die Decke entlang zogen passten nicht ganz zu diesem Bild.
Ich wagte es kaum zu atmen, als wir das Ende der steinernen Treppe erreicht hatten. Hier verlief wieder ein langer, mehr oder weniger sauberer Flur, von dem mehrere Türen und Räume abgingen. Das dunkle Sprossenfenster am Ende des Flures war die einzige Lichtquelle. Rechts lief ein weiterer Gang ab. Silas nickte mir zu und wir bogen ab.
Nachdem wir circa die Hälfte des Ganges erreicht hatten, hielt ich plötzlich inne. Es war eindeutig eine Stimme zu hören gewesen. Eilig drückte ich mich hinter eine ebenfalls aus Mauerstein bestehende Säule und hielt mir die Hand vor den Mund, um möglichst keine Geräusche zu verursachen. Auch Silas verstand schnell, dass er es mir gleich tun sollte und stellte sich dicht hinter mich.
Leichte Panik kroch in mir hoch und für einen Moment bereute ich alles, was wir getan hatten. Doch ich schaffte es irgendwie, diese Gedanken beiseite zu drängen. Stattdessen packte mich wieder die Angst um Ivy, sodass ich es wagte, vorsichtig ein Stückchen hinter der Säule hervor zu lugen.
Genau in dem Moment ertönte wieder die Stimme und ich zog meinen Kopf blitzschnell zurück: "Ich habe langsam keine Geduld mehr. Wir haben uns nie gefragt, was passiert, wenn mal etwas nicht ganz nach Plan läuft. Bisher sind wir immer davon ausgegangen, dass die Eltern ihre verwöhnten Gören schön frei kaufen. Du hättest da schon mal etwas früher drüber nachdenken sollen!" Wenn es wirklich gerade um das ging, was ich dachte, dann waren wir verdammt nah dran. Etwas zu nah dran vielleicht.
"Enzo, Enzo. Ich bin doch nicht hierher gekommen, um mir von dir Vorwürfe machen zu lassen.", erwiderte eine weitere Stimme. Für einen Moment meinte ich, die Stimme schon einmal irgendwo gehört zu haben, aber das war absurd. Sollte ich es noch einmal wagen, einen Blick in den Raum zu werfen? Es ging um Ivy. Da durfte ich nicht mehr lange hadern. Genauso vorsichtig wie vorhin schaute ich hinter der Säule hervor.
Jetzt konnte ich den Raum eindeutig erkennen. Die Tür stand sperrangelweit offen, sodass alles gut zu sehen war. Dank der vielen großen Fenster war er so lichtdurchflutet, dass sogar der Gang nicht ganz so dunkel erschien wie der Flur daneben. In ihm befanden sich drei Personen. Die eine davon, ein ziemlich groß gewachsener Mann mit grau- braunen Haaren lief aufgeregt hin und her, so wie ich es heute in Silas Zimmer getan hatte.
Dabei murmelte er etwas Unverständliches vor sich hin. Vor ihm, mit dem Rücken zur Säule, hinter der Silas und ich uns versteckt hielten, saßen zwei weitere Personen an einem Tisch.
Die eine davon war ebenfalls ein Mann, der (soweit ich das erkennen konnte) ein dunkles Jackett trug. Neben ihm saß, ziemlich zusammengekauert, ein Junge, oder Student. Seine hellblonden Haare glänzten leicht im Licht. Jetzt blieb der Mann, der bis eben durch den Raum gelaufen war, stehen und stützte sich mit seinen riesigen Händen auf den Tisch.
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Teen FictionVirtuelle Freunde sind toll! Sie loben und bewundern dich, sie sind dir für jede Antwort dankbar und füttern dich mit Selbstbewusstsein. Aber sind sie auch noch da, wenn du gerade mal nicht perfekt gestylt bist? Trösten sie dich, wenn du nicht mehr...